Entscheidungsstichwort (Thema)
Ertragsanteil der vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezogenen „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit“
Leitsatz (amtlich)
Die als "Rente wegen Alters" geleistete "Altersrente wegen Arbeitslosigkeit" (§ 33 Abs. 2 Nr. 4, § 38 SGB VI) ist eine lebenslängliche, keine abgekürzte Leibrente (Fortführung des Senatsurteils vom 22. Januar 1991 X R 56/90, BFHE 164, 300, BStBl II 1991, 688).
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; SGB VI §§ 34-35, 38, 89 Abs. 1, § 99 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1998, 1407) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der am 7. April 1929 geborene Kläger bezog im Streitjahr 1992 ―seit dem 1. April 1990― neben Versorgungsbezügen aus einer ehemaligen Tätigkeit als Bergingenieur ein Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) bzw. eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ―SGB VI―) in Höhe von 50 877 DM wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und einjähriger ununterbrochener Arbeitslosigkeit. Ab dem 1. Mai 1994 erhielt er auf seinen Antrag wegen Vollendung des 65. Lebensjahres die Regelaltersrente (§ 35 SGB VI).
In der Einkommensteuererklärung für 1992 gingen die Kläger von einem Ertragsanteil der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 7 v.H. aus. Es handle sich um eine mit dem Eintritt in den Bezug der Regelaltersrente endende und damit abgekürzte Leibrente. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte dem nicht. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Januar 1991 X R 56/90 (BFHE 164, 300, BStBl II 1991, 688) besteuerte er die Einkünfte aus der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit als lebenslängliche Leibrente mit einem Ertragsanteil von 29 v.H.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1407.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1992 in der Weise zu ändern, dass die im Jahre 1992 bezogene Rente als abgekürzte Leibrente mit einem Ertragsanteil von 7 v.H. der Besteuerung zugrunde gelegt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen.
Das FG hat unter Bezugnahme auf das Senatsurteil in BFHE 164, 300, BStBl II 1991, 688 zutreffend entschieden, dass die mit dem In-Kraft-Treten des SGB VI am 1. Januar 1992 als Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 33 Abs. 2 Nr. 4, § 38 SGB VI) weiterzuzahlende (§ 300 Abs. 4, § 307 SGB VI) Knappschaftsrente und die ab Vollendung des 65. Lebensjahres bezogene Regelaltersrente steuerrechtlich eine einzige Leibrente sind, die mit dem Eintritt des Versicherungsfalles des Alters beginnt und bis zum Lebensende des Bezugsberechtigten gezahlt wird.
1. Renten aus den gesetzlichen Sozialversicherungen sind ―ggf. abgekürzte― Leibrenten i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes ―EStG― (Senatsurteil vom 8. März 1989 X R 16/85, BFHE 156, 432, BStBl II 1989, 551, unter 2. a).
a) Aus der Einbeziehung der Sozialversicherungsrenten in die Ertragsanteilsbesteuerung erschließt sich die Grundannahme des Gesetzgebers, dass ab Beginn der Rente eine Versicherungssumme auf die Lebenszeit des Bezugsberechtigten verzinslich ausgezahlt wird. Diese Grundannahme wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass die nicht ausschließlich nach dem Versicherungsprinzip, sondern auch nach dem Prinzip der Fürsorge ausgestaltete Versicherungsleistung hinsichtlich ihrer Höhe von bedarfsorientierten Tatbestandsmerkmalen abhängig ist (Urteil des Senats vom 12. Juli 1989 X R 33/86, BFHE 158, 232, BStBl II 1989, 1012).
b) Die "Einkünfte aus den Erträgen des Rentenrechts" sind abhängig von der "gesamten Dauer des Rentenbezugs". Diese stellt sich dar als die Zeitspanne vom Beginn der Rente bis zum Ende der nach der mittleren Lebenserwartung des Berechtigten bemessenen "voraussichtlichen Laufzeit" (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG). Der "Beginn der Rente" (Kopfleiste der Ertragswerttabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) bzw. der "Beginn des Rentenbezugs" (Kopfleiste der Ertragswerttabelle des § 55 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV―) ist der Zeitpunkt der Entstehung des Rentenanspruchs (Urteil des BFH vom 6. April 1976 VIII R 184/72, BFHE 118, 467, BStBl II 1976, 452).
Diese Datierung des Rentenbeginns gilt auch für die Besteuerung von Rentennachzahlungen (BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 93/70, BFHE 116, 547, BStBl II 1975, 884, m.w.N. der Rechtsprechung). Weiterhin kommt es für den "Beginn der Rente" nicht darauf an, wann die Rente beantragt und bewilligt wird und wann sie i.S. des § 11 EStG zufließt (BFH-Urteile in BFHE 116, 547, BStBl II 1975, 884; in BFHE 118, 467, BStBl II 1976, 452). Ferner ist es unerheblich, ob einzelne Rentenansprüche z.B. wegen Verjährung, die nur den "Beginn der Rentenzahlungen", nicht aber den "Beginn der Rente" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG beeinflusst (BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 13/79, BFHE 132, 26, BStBl II 1981, 155), oder wegen verspäteter Antragstellung nicht gezahlt werden (Senatsurteil vom 22. Januar 1991 X R 97/89, BFHE 164, 304, BStBl II 1991, 686). Bereits hieraus wird deutlich, dass die Regelungstechnik des SGB VI, die den nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI antragsabhängigen "Beginn der Rente" als "Beginn der Rentenzahlungen" (so Urteil des Bundessozialgerichts ―BSG― vom 2. August 2000 B 4 RA 54/99, SozR 3-2600, § 99 SGB VI Nr. 5, unter B. 3.) und die in § 33 Abs. 3 i.V.m. § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI aufgeführten Renten als jeweils "eigenständig" versteht, die steuerrechtliche Beurteilung nicht beeinflussen kann (unten 4. a).
c) Der für die Anwendung der Ertragsanteilsbesteuerung maßgebende Beginn der Rente ist grundsätzlich auf den Eintritt des sozialversicherungsrechtlich maßgebenden Versicherungsfalles zu datieren (zuletzt Senatsurteil vom 5. September 2001 X R 40/98, BFH/NV 2002, 106). Dies ist nicht der "Leistungsfall" als Inbegriff der Voraussetzungen, an die das Gesetz die Entstehung eines Leistungsanspruchs knüpft, sondern ―im Regelfall― der Eintritt des versicherten Risikos, der die Leistungspflicht des Versicherungsträgers begründet, mithin der versicherte Bedarfsfall (vgl. Urteile des BSG vom 5. März 1965 11/1 RA 239/61, BSGE 22, 278; vom 29. April 1971 3 RK 3/71, BSGE 32, 270, 272 f.).
2. Hiervon ausgehend hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 164, 300, BStBl II 1991, 688 die steuerrechtliche Einheit des vorgezogenen Knappschaftsruhegelds (§ 48 Abs. 2 RKG) und der ab Erreichen des 65. Lebensjahres gezahlten Altersrente wie folgt begründet:
Die in § 44 RKG (§ 1245 der Reichsversicherungsordnung ―RVO―; § 22 des Angestelltenversicherungsgesetzes ―AVG―) genannten Arten der "Renten für Versicherte" bezogen sich auf die wesentlichen Risiken im Leben eines Versicherten, nämlich gesundheitsbedingte Verminderung der Leistungsfähigkeit, Alter und Tod. Im Falle des Altersruhegeldes war versichertes Risiko das durch Erreichen einer Altersgrenze bedingte Ausscheiden aus dem Berufsleben. Das vorzeitige Altersruhegeld für Arbeitslose war keine Rente wegen unterstellter Berufsunfähigkeit, sondern "seinem Wesen nach" ein echtes Altersruhegeld. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Rente entfallen konnte, wenn der Versicherte eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung aufnahm, gab es nur einen Versicherungsfall des Alters und daher nur ein einziges Altersruhegeld. Die Möglichkeit, vor Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, wurde dem Versicherten eingeräumt, weil er sich der allgemeinen Altersgrenze so genähert hat, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit bei Hinzutreten typischer Belastungen (Schwerbehinderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, langdauernde Arbeitslosigkeit, Doppelbelastung der Frau in Familie und Beruf) oder ―im Falle des flexiblen Altersruhegeldes― schon allein wegen der großen Nähe zur allgemeinen Altersgrenze im Einzelfall unzumutbar sein konnte (BSG-Urteil vom 31. Mai 1989 4 RA 22/88, SozR 2200, § 1248 RVO Nr. 48; vgl. allgemein zur Einführung einer flexiblen Altersgrenze Entwurf eines Rentenreformgesetzes, BTDrucks VI/2916, S. 37 f.). Da es keine rechtlich verschiedenartigen Rechte auf Rente wegen Alters gab, gab es auch keine "Umwandlung von Altersrenten" (zusammenfassend BSG-Urteil vom 22. August 1990 8 RKn 14/88, SozR 3-2200, § 1248 RVO Nr. 2, m.w.N.).
Hieraus folgte für die Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, dass es auch steuerrechtlich nur einen einzigen Versicherungsfall des Alters gab. Mit dessen Eintritt war das versicherungspflichtige Erwerbsleben des Versicherten in der Regel auf Dauer beendet. Hierdurch wurde auch die "voraussichtliche Dauer des Rentenbezugs" im Rechtssinne bestimmt, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass das vorgezogene Altersruhegeld situationsbezogen vorübergehend entfallen konnte.
3. Hieran hält der Senat fest. Das In-Kraft-Treten des SGB VI zum 1. Januar 1992 erfordert keine Aufgabe oder Modifizierung dieser Grundsätze. Ergänzend bemerkt der Senat Folgendes:
a) In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt ―modifziert durch das Solidarprinzip als Element des sozialen Ausgleichs (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 12. Juni 1987 1 BvR 476/86, SozR 2200, § 1385 RVO Nr. 17, m.N.)― das Versicherungsprinzip (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. November 1988 1 BvL 22/84, 71/86 und 9/87, BVerfGE 79, 87, 101 f.; vom 23. März 1994 1 BvL 8/85, BVerfGE 90, 226, 240). Der Sozialversicherungsbeitrag ist funktionell Versicherungsprämie, soweit der Versicherte ―ebenso wie in der Privatversicherung― mit ihm den Vorteil der Risikoabdeckung und später konkrete Versicherungsleistungen erkauft (vgl. F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung in Isensee/P. Kirchhof, Hrsg., Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 1999, § 93 Rdnr. 17, 19). Bemessungsgrundlage für die Rente eines Versicherten ist sein Lebensdurchschnittsverdienst. Der "Anspruch auf Rente" ist ein durch die Sozialversicherungsbeiträge erworbener bezifferbarer Vermögenswert, den der Versicherte nichtsteuerbar erwirbt und der ihm, soweit die Erfüllung des Anspruchs eine Vermögensumschichtung ist, nichtsteuerbar ausgezahlt wird; dieses vermögenswerte Recht ist in dieser Hinsicht steuerrechtlich vergleichbar der Versicherungsleistung (Versicherungssumme), z.B. aus einer privaten Leibrentenversicherung.
b) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ―SGB I―; § 34 Abs. 1 SGB VI). Versicherte haben einen "Anspruch auf Rente", wenn die "jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen" vorliegen und die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist (§ 34 Abs. 1 SGB VI). Der "Anspruch auf die Altersrente" (vgl. § 34 Abs. 2, § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) ist nach näherer Maßgabe der § 63 Abs. 6, § 64 SGB VI ("Monatsbetrag der Rente") das rechnerische Produkt vor allem aus den persönlichen Entgeltspunkten und dem Rentenartwert. Weil mit der Entstehung dieses Anspruchs das Versicherungsleben regelmäßig abgeschlossen ist, ist er grundsätzlich ―vorbehaltlich späterer Rangstellenerhöhungen und gesetzlicher Rentenanpassungen― nicht mehr abänderbar (BSG-Urteil vom 2. August 2000 B 4 RA 40/99, SozR 3-2600, § 100 SGB VI Nr. 1, unter 3. c). Dieser beitragsäquivalente, sich im Barwert der Monatsbeträge ausdrückende Vermögenswert ist einerseits auf die "versicherungsrechtliche Voraussetzung" (§ 34 Abs. 1 SGB VI) des Versicherungsfalls bezogen; andererseits wird er durch die mutmaßliche ―nach biometrischen Durchschnittswerten bemessene― Lebensdauer des Bezugsberechtigten bestimmt. Daher regelt § 63 Abs. 1 SGB VI, dass die "Höhe einer Rente" sich vor allem richtet "nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen". In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Regelaltersrente und die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit im Regelfall nur dadurch, dass das Gesetz bei Letzterer den Nachteilen einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen Zugangsfaktor (§ 63 Abs. 5 SGB VI) Rechnung trägt. Mit der Entstehung des "Rechts auf Rente wegen Alters" ist auch der Geldwert dieses Rechts festgelegt (BSG in SozR 3-2600, § 100 SGB VI Nr. 1).
c) In steuerrechtlicher Hinsicht folgt die Bemessung des Ertragsanteils der Notwendigkeit, den Zinsanteil aus der langfristig gestreckten Auszahlung dieses vom SGB VI als "Anspruch auf Rente" bezeichneten Vermögensrechts für die gesamte Dauer des Rentenbezugs einheitlich zu beziffern. Weil der vermögenswerte "Anspruch auf Rente" von seinem Entstehen an den Barwert aller auf die mutmaßliche Lebenszeit des Bezugsberechtigten zu zahlenden künftigen Rentenzahlungen repräsentiert, widerspräche es dem Willen des Steuergesetzgebers, für Zwecke der Ermittlung des Ertragsanteils die "gesamte Laufdauer der Rente" ―wie von den Klägern befürwortet― in Zeitabschnitte aufzuteilen und gedanklich von zwei Rentenbarwerten und folglich zwei ―jeweils für sich niedrigeren― Ertragsanteilen auszugehen.
4. Die hiergegen gerichteten Einwände der Kläger, die im Wesentlichen abheben auf eine ihrer Meinung nach von der des RKG abweichende Systematik und Gesetzestechnik des SGB VI, verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
a) Die gesetzestechnische Behandlung der aus dem "Recht auf Rente" als Dauerrechtsverhältnis ("Grundrecht"; s. BSG in SozR 3-2600, § 99 SGB VI Nr. 5) folgenden "Einzelansprüche" als Rechtsfrüchte i.S. des § 99 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB― (BSG, a.a.O.) kann für die steuerliche Beurteilung nicht maßgebend sein. Daher ist der antragsabhängige "Beginn der Rente" nach § 99 Abs. 1 SGB VI nicht notwendigerweise identisch mit dem "Beginn der Leibrente" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das SGB VI keine verschiedenartigen Versicherungsfälle eingeführt, denen unterschiedliche "Renten wegen Alters" (zum Sprachgebrauch vgl. § 300 Abs. 4 Satz 2 SGB VI) zuzuordnen wären. Die Entstehung des Rentenanspruchs im Sinne eines "Stammrechts" ist wie dargelegt unter den weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 SGB VI auf den Eintritt des Versicherungsfalls des Alters bezogen. Auch nach dem ab 1. Januar 1992 geltenden Recht gibt es nur eine einzige "Rente wegen Alters", die ―so die Formulierung des § 33 Abs. 2 SGB VI― gezahlt wird u.a. "als Regelaltersrente" oder "als Altersrente wegen Arbeitslosigkeit". Hierzu hat das BSG mit Urteil in SozR 3-2600, § 100 SGB VI Nr. 1 entschieden, dass "versichertes Risiko der Altersrentenversicherung die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit 'wegen Alters' (ist); diese geht über das vom Versicherten allein zu tragende Mindestmaß (Anspruchsschwelle) hinaus, sobald sie unzumutbar wird." Dies sei kraft Gesetzes stets mit Vollendung des 65. Lebensjahres der Fall. Einige Gruppen von Versicherten könnten, so das BSG, selbst entscheiden, ob die Einschränkung "wegen Alters" eine weitere Erwerbstätigkeit als unzumutbar erscheinen lasse. Ein anderer Rechtsgrund für das Einstehenmüssen der Versichertengemeinschaft als "wegen Alters" werde aber auch in den §§ 33 bis 40 SGB VI nicht angedeutet. Folglich gebe es seit 1992 ―wie bereits unter der Geltung des RKG― nur den einen Rechtsgrund für Rechte auf Rente "wegen Alters", nämlich die Unzumutbarkeit, die altersbedingt eingeschränkte Erwerbsfähigkeit weiter zur Existenzsicherung einzusetzen. Zusammenfassend führt das BSG aus: "Die verschiedenen Arten des Überschreitens der einen Anspruchsschwelle, nämlich der Unzumutbarkeit, zur Existenzsicherung weiterarbeiten zu müssen, führen jeweils nur den einen Versicherungsfall des Alters herbei. Dieser Versicherungsanspruch wird nur 'wegen Alters' (so § 33 Abs. 1, 2 SGB VI) gewährt, also nur dann, wenn der den Rechtsgrund der gesetzlichen Altersrentenversicherung bildende Versicherungsfall des Alters eingetreten ist."
c) Nach dem Urteil des BSG vom 9. Dezember 1997 8 RKn 1/97 (BSGE 81, 251), auf welches die Kläger zur Stützung ihrer Rechtsauffassung Bezug nehmen, sind "die Renten wegen Alters" (§ 33 Abs. 2 SGB VI) nach dem Aufbau des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI "eigenständige Renten (im Sinne der besitzgeschützten 'bisherigen Rente' und der neu festzustellenden 'späteren Rente')" mit der Folge, dass bei "aufeinanderfolgenden Altersrenten" ungeachtet des § 306 SGB VI die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind, und zwar auf der Basis des Rechts, das zur Zeit des Rentenbeginns (der wiederum von Rentenantrag abhängt) und nicht des Versicherungsfalles galt. Das BSG begründet dies damit, dass mit der Einführung des SGB VI das Versicherungsfallprinzip durch das sog. Rentenbeginnprinzip ersetzt worden sei.
Diese Aussage ist im vorliegenden steuerrechtlichen Zusammenhang ohne Bedeutung. Das Versicherungsfallprinzip besagte in Übereinstimmung mit allgemeinen Grundsätzen, dass sich die Anwendbarkeit einer Norm des Rentenrechts nach dem Zeitpunkt richtet, in dem der für den geltend gemachten Anspruch auf (höhere) Rente maßgebende Versicherungsfall eingetreten ist; es war insofern eine "Normenkonkurrenzregel" (BSG-Urteil in SozR 3-2600, § 99 SGB VI Nr. 5, unter B. 1.). Es bezog sich mithin auf Fragen des Überleitungsrechts (sog. intertemporales Recht; s. hierzu Senatsurteil vom 18. Mai 1988 X R 63/82, BFHE 154, 241, BStBl II 1988, 967). Das BSG-Urteil in BSGE 81, 251 misst unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 11/4124, S. 206 zu § 291 des Entwurfs eines SGB VI = § 300 SGB VI) dem Rentenbeginnprinzip den Vorzug bei, dass "nunmehr nicht ständig zu prüfen sei, ob altes Recht noch weiter anzuwenden sei". Dies bedeutet insbesondere, dass Rentenbezieher in den Genuss späterer, ihnen günstiger Rechtsänderungen kommen können. Um Fragen des Übergangsrechts geht es indes bei der Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG nicht. Zudem ist es auch nach dem 1. Januar 1992 bei der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des den gesetzlichen Rentenversicherungen immanenten Versicherungsprinzips geblieben. Wie dargelegt ist der "Versicherungsfall" ―der Eintritt des versicherten Risikos, der die Leistungspflicht des Versicherungsträgers begründet― als zentraler Ordnungsbegriff des Sozialversicherungsrechts weiterhin unverzichtbar: Nach wie vor sind alle Ansprüche auf Versicherungsleistungen ihrem Rechtsgrund nach auf das bei Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalles bestehende Versicherungsverhältnis bezogen. Eine Versicherung ohne "Versicherungsfall", so ausdrücklich das Urteil des BSG in SozR 3-2600, § 100 SGB VI Nr. 1, ist ein Widerspruch in sich. Das BSG betont in diesem Zusammenhang, dass die Aufgabe des Versicherungsfallprinzips zum 1. Januar 1992 nicht die Aufgabe des Versicherungsprinzips bedeute.
Demgemäß sind die sozialversicherungsrechtlich nach § 89 SGB VI "eigenständigen" Renten wegen Alters auf die "versicherungsrechtliche Voraussetzung" (§ 34 Abs. 1 SGB VI) des jeweiligen Versicherungsfalls ―hier: des Alters― bezogen. Dieser ist wie dargelegt für Entstehen und Wert des stets auf die Lebenszeit des Versicherten zu zahlenden "Anspruchs auf Rente" maßgebend. Nur unter Einbeziehung des nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 SGB VI entstehenden "Rentenanspruchs" kann "für die gesamte Dauer des Rentenbezugs" (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG) ein einziger "Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil)" ermittelt werden (Urteil des Senats in BFHE 158, 232, BStBl II 1989, 1012, m.w.N.). Der Sache nach geht es hier um rechnerische Folgen aus der zeitlich gestreckten Auszahlung einer ―gedachten― Versicherungssumme. Die vorliegend nicht einschlägige Regelungstechnik des SGB VI hat wie dargelegt einen anderen Zweck.
d) Unerheblich ist, dass das vorgezogene Altersruhegeld bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente ―insbesondere wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze― vorübergehend entfallen kann. Dies führt nicht notwendigerweise dazu, dass damit die "gesamte Laufdauer der Rente" beendet wäre. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 158, 232, BStBl II 1989, 1012 (bestätigt durch Urteil vom 14. Juni 2000 X R 33/97, BFHE 192, 498, BStBl II 2000, 672) für die sog. Wiederauflebensrente (§ 68 Abs. 2 AVG; jetzt: § 46 Abs. 3 SGB VI) entschieden, dass das "Wiederaufleben" einer Witwen-/Witwerrente kein "Beginn einer (neuen) Rente" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 3 EStG ist und dass zwecks Ermittlung eines einheitlichen Ertragsanteils die rentenfreien Zeiten bei der maßgeblichen voraussichtlichen Dauer des Rentenbezugs außer Betracht bleiben. Ob eine vergleichbare Rechtsfolge eintritt, wenn eine Rente wegen Alters infolge Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen vorübergehend entfällt, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
5. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 674635 |
BFH/NV 2002, 426 |
BStBl II 2002, 191 |
BFHE 197, 187 |
BFHE 2002, 187 |
BB 2002, 450 |
DB 2002, 458 |
DStRE 2002, 424 |
HFR 2002, 407 |
StE 2002, 103 |
FR 2002, 471 |
SteuerBriefe 02, 8 |
SteuerBriefe 2002, 478 |
KFR 2002, 225 |
NWB 2002, 619 |
FamRZ 2002, 612 |
StWKHeft 02, 5 |
StWK Gruppe 1, 989 |
EStB 2002, 83 |
KÖSDI 2002, 13197 |
NZA-RR 2002, 479 |
StSem 2003, 0 |
b&b 2002, 163 |
stak 2002, 0 |