Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbau von Rigips-Zwischenwänden in einem vorher als Großraumbüro genutzten Raum als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für den Umbau eines Großraumbüros in vier Einzelbüros unter Verwendung von Rigips-Ständerwerk sowie für die Anpassung der Elektroinstallation im hierdurch notwendigen Umfang sind sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1; HGB § 255 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), erzielt Einkünfte aus der Vermietung eines Ende 1993 fertiggestellten Gebäudes.
Unter anderem vermietete sie bis Ende März 1997 ein in der ersten Etage des Gebäudes belegenes Großraumbüro an eine gewerbliche Mieterin. Anschließend baute sie das Großraumbüro unter Verwendung von Rigips-Ständerwerk in vier Einzelbüros um und erneuerte die Elektroinstallation in den von der Baumaßnahme betroffenen Räumen. Ab Juni 1997 wurden diese Räume an einen Steuerberater sowie an eine GmbH vermietet.
In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 1997 machte die Klägerin die Kosten der Umbaumaßnahme (30 672 DM) als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand geltend. Den zunächst antragsgemäß ―unter dem Vorbehalt der Nachprüfung― ergangenen Feststellungsbescheid änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) aufgrund einer Außenprüfung, indem er den nunmehr mit 29 586 DM bezifferten Umbauaufwand nur als nachträgliche Herstellungskosten im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) berücksichtigte.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG seien die streitigen Aufwendungen im Streitjahr als Erhaltungsaufwand bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung sofort abziehbar. Es liege kein Herstellungsaufwand vor, da weder neue Gebäudebestandteile geschaffen noch vorhandene Teile hinsichtlich ihrer Funktion wesentlich umgestaltet worden seien. Auch die Voraussetzungen einer wesentlichen Verbesserung des Gebrauchswerts durch eine Standarderhöhung der vermieteten Räume lägen ersichtlich nicht vor.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Umbauaufwendungen in Höhe von 29 586 DM als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung des FG-Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Schon der Einbau von zusätzlichen Trennwänden führe nach Tz. 22 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. Juli 2003 (BStBl I 2003, 386; ebenso BMF-Schreiben vom 16. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1442 Tz. 2.3) zu Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB); das Merkmal der Erweiterung trete danach nicht hinter das Merkmal der Verbesserung zurück. So liege eine als Erweiterungsmaßnahme anzusehende Funktionsänderung insbesondere vor, wenn im Zusammenhang mit einer angestrebten Nutzungsänderung aneinandergrenzender Räume Abgrenzungsmauern teilweise neu hergestellt oder durchbrochen würden, selbst wenn die Erweiterung nur geringfügig sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben, weil durch die neuen Trennwände erstmals vier vermietbare Einzelbüros geschaffen und damit die Nutzungsmöglichkeiten der Immobilie erweitert worden seien (größere Flexibilität durch Vermietbarkeit kleinerer Büroeinheiten).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil sowie der angefochtene Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―); die streitigen Aufwendungen sind als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Zu Unrecht hat das FG den streitigen Aufwand für den Einbau von Rigips-Zwischenwänden in einem vorher als Großraumbüro genutzten Raum als (nur im Rahmen der AfA abziehbare) Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 HGB angesehen.
1. Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―), sind dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II. 3. b). Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
a) Die Herstellung eines (neuen) Wirtschaftsguts ist ―neben der Schaffung eines bisher noch nicht vorhandenen Wirtschaftsguts (Erst-Herstellung) und der Wiedererstellung eines bereits vorhandenen, aber zerstörten oder unbrauchbar gewordenen Wirtschaftsguts (Zweit-Herstellung)― auch dann anzunehmen, wenn ein vorhandenes Wirtschaftsgut aufgrund von Baumaßnahmen in seiner Funktion bzw. seinem Wesen verändert wird (Funktions-/Wesensänderung). Ein solcher Fall der Wesensänderung ist bei einem vorhandenen Gebäude oder Gebäudeteil gegeben, wenn sich durch bauliche Maßnahmen dessen Funktion/Nutzung, d.h. die Zweckbestimmung ändert. Nicht erforderlich ist, dass sich durch den Umbau "die Nutzungsfunktion des ganzen Gebäudes verändert"; es genügt die Änderung der Nutzungsfunktion eines Gebäudeteils (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543, unter II. 1. a, m.w.N.).
Eine reine Umgestaltung von vermieteten Räumen durch Verlegung und Entfernen von Zwischenwänden genügt danach nicht, solange die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude nicht das bautechnische Gepräge geben, z.B. wenn sie anders als im Streitfall verbrauchte Teile ersetzen, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 2002 IX R 64/99, BFHE 201, 148, BStBl II 2003, 590). Auf dieser Grundlage kann die Tatsache, dass die Einfügung solcher Zwischenwände für die Vermietbarkeit förderlich sein kann, entgegen der Ansicht des FG für sich allein nicht zur Annahme von Herstellungskosten führen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1998 IX R 38/95, BFH/NV 1999, 603).
b) "Erweiterung" und "wesentliche Verbesserung" i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 (2. und 3. Alternative) HGB beziehen sich auf ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut.
aa) Unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung sind (nachträgliche) Herstellungskosten gegeben, wenn nach Fertigstellung etwas Neues geschaffen wurde, also ―gemessen an ihrer Funktion― bisher nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden, deren Einbau neben der Substanzmehrung auch eine "Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes" zur Folge haben (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 14. Juli 2004 IX R 52/02, BFHE 206, 441, BStBl II 2004, 949, m.w.N.). Dies gilt z.B., wenn durch die Baumaßnahme ein größerer Raum geschaffen und damit zugleich die Wohnfläche vergrößert wird (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 2003 X R 9/99, BFHE 201, 256, BStBl II 2003, 596, unter II. 2. f, bb, m.w.N.).
bb) Eine wesentliche Verbesserung ist bei einem Wohngebäude immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert (das Nutzungspotential; vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 3. b bb) des Gebäudes durch die Baumaßnahmen in bestimmter Weise gehoben wird. Dies setzt voraus, dass mindestens drei der Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung, nämlich Elektro-, Heizungs-, Sanitärinstallationen und Fenster, von Grund auf erneuert werden (sog. Standardsprung; vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, zu II. 3. a).
Aufwendungen für den Einbau neuer Gegenstände in vorhandene Installationen eines Wohnhauses sind nur unter diesem Tatbestandsmerkmal (der wesentlichen Verbesserung) zu würdigen. Das Merkmal der Erweiterung in § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB tritt insoweit hinter das der wesentlichen Verbesserung zurück. Sind in diesen Fällen die Voraussetzungen einer wesentlichen Verbesserung nicht erfüllt, sind die Aufwendungen folglich als sofort abziehbare Werbungskosten und nicht als Herstellungskosten unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu behandeln (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile vom 20. August 2002 IX R 98/00, BFHE 200, 231, BStBl II 2003, 604, m.w.N., zum Einbau einer Sprechanlage in eine vorhandene Elektroinstallation; in BFHE 206, 441, BStBl II 2004, 949, zum nachträglichen Einbau einer Solaranlage; in BFH/NV 2005, 543).
Dementsprechend erhöht das Entfernen oder Versetzen von Zwischenwänden unter dem Gesichtspunkt der wesentlichen Verbesserung den objektiven Gebrauchswert des Hauses nicht notwendigerweise (BFH-Urteile vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BFHE 183, 470, BStBl II 1997, 802; vom 13. Oktober 1998 IX R 72/95, BFH/NV 1999, 761; BMF-Schreiben, BStBl I 1996, 1442 Tz. 2.3).
2. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Annahme von Herstellungsaufwand i.S. des § 255 Abs. 2 HGB ersichtlich nicht vor.
Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Baumaßnahmen an dem bereits fertig hergestellten Gebäude weder zu einer Wesensänderung der vermieteten Räume noch zu einer Erweiterung der Nutzfläche geführt. Die durchgeführten Arbeiten haben auch nicht den Standard des Vermietungsobjekts erhöht, weil nur im Bereich der Elektroinstallation, nicht aber in den Bereichen der Sanitär- und Heizungsinstallation oder der Fenster Veränderungen vorgenommen wurden.
Bei dieser Sachlage kann die bloße Veränderung der Raumaufteilung durch Zwischenwände aus den unter 1. dargestellten Gründen allein wegen der gesonderten Vermietbarkeit der abgeteilten Räume entgegen der Auffassung des FA nicht als Herstellungsmaßnahme i.S. des § 255 Abs. 2 HGB angesehen werden; denn dadurch erfahren die durch die Baumaßnahme betroffenen Räume keine Funktionsänderung, die auch nach der Auffassung des FA Voraussetzung für die Annahme einer Herstellungsmaßnahme wäre.
3. Die Sache ist spruchreif. Die der Höhe nach unstreitigen Umbauaufwendungen in Höhe von 29 586 DM (= 15 127,08 €) sind als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr 1997 zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 1819101 |
BFH/NV 2007, 1475 |
BFH/NV 2007, 2391 |
BStBl II 2007, 922 |
BFHE 2008, 49 |
BFHE 218, 49 |
BB 2007, 2556 |
BB 2008, 145 |
DB 2007, 2516 |
DStR 2007, 2055 |
DStRE 2007, 1532 |
DStZ 2007, 798 |
HFR 2008, 230 |