Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze des Urteils des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963 (BFH 78, 315, BStBl III 1964, 124) sind nicht anwendbar, wenn eine Personengesellschaft (KG) ihr Kinounternehmen unter Veräußerung des beweglichen Inventars und Vermietung des Kinogebäudes an ein Lebensmittelgeschäft und an einen Zahnarzt einstellt, das Kinogebäude im Gesamthandsvermögen der KG verbleibt und die KG sich auf anderem Gebiet wie bisher gewerblich betätigt. Fehlt es an einer solchen gewerblichen Betätigung, so müssen im Rahmen der Betriebsaufgabe die stillen Reserven im vermieteten Grundstück und in allen anderen nicht veräußerten Wirtschaftsgütern aufgelöst werden.
Normenkette
EStG 1961 § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 3
Tatbestand
Die Revisionsbeklagten (Stpfl.) waren im Streitjahr 1961 zusammen mit der verstorbenen Mutter der steuerpflichtigen Ehefrau die Gesellschafter der Firma X-KG (KG). Zum Vermögen der KG gehörte ein Grundstück, das mit einem Wohn- und Geschäftshaus, einem Kinosaal und einer Tankstelle mit Reparaturwerkstatt, Waschhalle und Garage bebaut war. Hierauf betrieb die KG bis zu Beginn des Streitjahrs ein Kino. Den Tankstellenbetrieb hatte sie verpachtet. Im Wohnhaus waren Praxisräume an einen Zahnarzt und ein Ladenraum an den Inhaber einer Tabakwarenhandlung vermietet. Am 4. Januar 1961 vermietete die KG einer Gesellschaft zum Zwecke des Betriebes eines Einzelhandelsgeschäftes in Lebensmitteln (Selbstbedienungsladen) die folgenden Räume auf zunächst zehn Jahre unkündbar mit einer Verlängerungsklausel: Lichtspieltheater mit Foyer, Zuschauerraum, Büro, Kasse, dazu im Wohnhaus vier Räume und Toiletten im Erdgeschoß und ein Teil des Hofraumes, der an die Tankstelle anstieß. Das Kinoinventar einschließlich Vorführeinrichtungen und Bestuhlung veräußerte die KG. Die Mieterin ließ die Räume auf ihre Kosten mit mehr als 100 000 DM für ihre Zwecke herrichten. In den ehemaligen Vorführraum verlegte der im Wohnhausteil tätige Zahnarzt seine Praxis. Die KG blieb weiter bestehen und im Handelsregister eingetragen.
Nach dem Ergebnis einer im Jahre 1964 erfolgten Betriebsprüfung erließ das FA einen auf § 222 AO gestützten Berichtigungsbescheid betreffend einheitliche Gewinnfeststellung 1961, in dem es für die KG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12 301 DM und einen Aufgabegewinn im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG in Höhe von 87 260 DM festsetzte. Das FA ging davon aus, daß die KG mit der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens des Kinobetriebs an dritte Personen und die Vermietung der Kinoräume zum Zwecke des Betriebs eines Selbstbedienungsladens auf zehn Jahre ihre gewerbliche Tätigkeit aufgegeben habe.
Die Sprungklage der Stpfl., über die die Vorinstanz zunächst durch Vorbescheid und nach durchgeführter mündlicher Verhandlung durch Urteil entschied, führte zur Aufhebung der einheitlichen Gewinnfeststellung 1961 nach § 100 Abs. 1 FGO. Das FG führte im wesentlichen aus: Ein Aufgabegewinn im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG entstehe, wenn die wesentlichen Grundlagen des Betriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt würden. Die wesentliche Grundlage des Betriebs bilde bei einem Kinobetrieb das Grundstück. Das Inventar spiele bei einem Kinounternehmen nicht die entscheidende Rolle. Da die KG die Kinoräume vermietet habe habe sie nach den Grundsätzen des Urteils des BFH Gr. S. 1/63 vom 13. November 1963 BFH 78, 315, BStBl III 1964, 124) ein Wahlrecht, ob sie trotz Verpachtung den Gewerbebetrieb weiterführen oder in der Verpachtung eine Betriebsaufgabe sehen wolle. Diese Grundsätze gälten auch, wenn zwar nicht der gesamte Betrieb als einheitlicher Organismus, wohl aber dessen wesentliche Grundlagen verpachtet oder vermietet würden. Nach dem Urteil des BFH IV 411/61 U vom 4. November 1965 (BFH 84, 134, BStBl III 1966, 49) sei entscheidend die in der Gestaltung des Nutzungsverhältnisses zum Ausdruck kommende Absicht des Eigentümers, die verpachteten oder vermieteten Wirtschaftsgüter in einem für die spätere betriebliche Verwendung geeigneten Zustand zu erhalten. Es komme auch nicht darauf an, ob der Mieter oder Pächter in dem gleichen Gewerbezweig tätig sei wie vorher der Vermieter oder Verpächter. Entscheidend sei allein, ob nach der Gestaltung des Nutzungsverhältnisses angenommen werden könne, daß der Eigentümer die Absicht habe, die verpachteten oder vermieteten Wirtschaftsgüter in einem für die spätere betriebliche Verwendung geeigneten Zustand zu erhalten. Im Streitfall habe der Mieter die Räume pfleglich zu behandeln und nach Beendigung des Mietverhältnisses in ordnungsgemäßem Zustand wieder zurückzugeben. Er habe keinen Anspruch auf Entschädigung für die von ihm getroffenen baulichen Veränderungen. Auf Verlangen des Vermieters habe er sogar die Räume wieder in den alten Zustand zu versetzen. Es komme daher darauf an, ob die Gesellschafter das Gebäude tatsächlich in das Privatvermögen überführt hätten. Eine eindeutige Erklärung in dieser Richtung hätten sie nicht abgegeben. Eine Entnahme ergebe sich aber auch nicht aus den Umständen des Falles wie etwa im Urteil des BFH I 5/61 U vom 26. September 1961 (BFH 73, 689, BStBl III 1961, 517).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
1. Der Auffassung der Vorinstanz, daß die Realisierung der in dem verpachteten Kinogrundstück ruhenden stillen Reserven schon deshalb zu unterbleiben habe, weil der Vorgang wie die Verpachtung eines Gewerbebetriebs im Sinne der Grundsätze des Urteils des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/63 S zu behandeln und deshalb eine Teilbetriebsaufgabe hinsichtlich des Kinounternehmens der KG nicht anzunehmen sei, da die KG eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben habe, folgt der Senat nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Grundstück mit Gebäude, in dem der Kinobetrieb untergebracht war, als dessen wesentliche Grundlage anzusehen war. Denn für die Anwendung der Grundsätze des Urteils Gr. S. 1/63 S ist mit dem FA zu fordern, daß der Pächter jedenfalls im wesentlichen den vom Verpächter betriebenen Gewerbebetrieb fortsetzt. Nur unter dieser Voraussetzung kann davon gesprochen werden, daß der Verpächter eines Gewerbebetriebs sich lediglich in einer anderen Form als der Eigenbewirtschaftung, nämlich durch die Verpachtung, weiterhin gewerblich betätigt. Es liegt kein Anlaß vor, diese der Entscheidung Gr. S. 1/63 S zugrunde liegende Vorstellung auf solche Fälle auszudehnen, in denen ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb durch die Veräußerung aller für die Betriebsführung typischen und wesentlichen Einrichtungsgegenstände einerseits und die Vermietung des zurückbehaltenen Grundstücks an mehrere Mieter andererseits auflöst. Das gilt vor allem, wenn er damit einverstanden ist, daß das Grundstück zum Zwecke der Ausübung des Gewerbebetriebs durch den Mieter wesentlich und unter erheblichen Kosten für ein gewerbliches Unternehmen ganz anderer Art umgestaltet wird. Insbesondere hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom erkennenden Senat entschiedenen Fall des Urteils IV 411/61 U. Daß bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses der Mieter auf Verlangen der KG die Räume wieder in den alten Zustand zu versetzen hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn nach Beendigung eines Mietvertrages kann der Vermieter in der Regel die Herstellung des alten Zustands verlangen. Dafür, ob aus der Gestaltung des Nutzungsverhältnisses geschlossen werden kann, daß der Vermieter die Absicht habe, den Betrieb fortzuführen, kommt es allein auf den Zeitpunkt der Vermietung an. Für diesen Zeitpunkt muß nach der tatsächlichen Gestaltung der Dinge davon ausgegangen werden, daß die KG nicht einen Gewerbebetrieb oder dessen wesentliche Grundlage, sondern lediglich ein Grundstück vermietete (vgl. auch Urteil des BFH IV R 240/66 vom 12. April 1967, BFH 88, 417, BStBl III 1967, 417).
2. Unter Zugrundelegung dieser Betrachtung ist für die weitere Beurteilung des Streitfalles bedeutsam, ob die übrige verpachtende Tätigkeit der KG eine echte gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 1 GewStDV war, oder ob die Einkünfte der KG aus dieser Verpachtung nur deshalb gewerbliche Einkünfte darstellten, weil ihr eigentlicher gewerblicher Betrieb das Kinounternehmen war. Denn die Tätigkeit einer Personengesellschaft, die sich gewerblich betätigt, ist nach ständiger Rechtsprechung des RFH und des BFH stets und in vollem Umfang gewerblich (§ 15 Nr. 2 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG). Hieraus ergibt sich, daß eine gewerblich tätige Personengesellschaft einkommensteuerlich nur gewerbliche Einkünfte haben kann. Das ihr zugehörige, der Einkünfteerzielung dienende Vermögen ist Betriebsvermögen (vgl. auch Urteil des BFH VI 185/64 U vom 8. Oktober 1965, BFH 83, 574, BStBl III 1965, 708). Hiernach können und dürfen die stillen Reserven des im Gesamthandseigentum der KG stehenden Kinogrundstücks nur dann aufgelöst werden, wenn das Grundstück - was unstreitig nicht der Fall ist - in das Eigentum der Gesellschafter übergeführt wurde oder wenn die KG nach Aufgabe des Kinobetriebs eine weitere gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 1 GewStDV nicht mehr ausübte. Dann, aber auch nur dann, mußte die Aufgabe des Kinobetriebs und die Verpachtung des Kinogrundstücks an das Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen dazu führen, daß nicht nur die stillen Reserven im Kinogrundstück, sondern auch die in dem übrigen verpachteten Vermögen ruhenden stillen Reserven unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG aufgelöst werden und die KG nur noch Einkünfte im Sinne des § 21 EStG hat (vgl. Urteil des BFH I 238/61 U vom 20. November 1962, BFH 76, 159, BStBl III 1963, 58). Wäre hingegen die übrige Verpachtungstätigkeit der KG eine echte gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 1 GewStDV, so müßte das Kinogrundstück weiterhin als Betriebsvermögen der KG angesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412842 |
BStBl II 1968, 78 |
BFHE 1968, 329 |