Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ersetzt eine Genossenschaft ihren Genossen die Kosten für die Fahrt zur Teilnahme an der Generalversammlung, so liegt darin eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Normenkette
EStG § 4/1; KStG § 6 S. 2, § 1/1/2
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), eine Genossenschaft, setzte einen Betrag von 2000 DM, den sie im Jahre 1952 ihren Genossen als Ersatz der Fahrtkosten für die Teilnahme an der Generalversammlung gewährt hatte, als Betriebsausgaben ab. Das Finanzamt versagte den Abzug und sah in der Zuwendung eine verdeckte Gewinnausschüttung. Der Steuerausschuß gab in diesem Punkt dem Einspruch der Bgin. statt. Das Finanzgericht wies die Berufung des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurück. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Eine verdeckte Gewinnausschüttung liege vor, wenn eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft in Form von Betriebsausgaben den an ihr beteiligten Personen Zuwendungen mache, die nur durch deren Stellung als Beteiligte, nicht durch etwaige Sonderleistungen begründet seien. Im vorliegenden Falle seien aber nur die Fahrtkosten, also unmittelbare Aufwendungen der Genossen, ersetzt worden. Insofern liegt der Fall anders als in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 314/33 vom 25. Juli 1934 (Reichssteuerblatt - RStBl - S. 1363), wo den Gesellschaftern Vergütungen für die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung gezahlt worden seien. Unkosten, die durch die Abhaltung der Generalversammlung entstünden, wie z. B. die Kosten für den Notar, die Saalmiete, die Druckkosten, die Portis für die übersendung des Materials an die Genossen usw., seien unzweifelhaft Betriebsausgaben einer Genossenschaft. Das gleiche müsse aber für die Unkosten, insbesondere die Fahrtkosten, gelten, die eine Genossenschaft den an der Generalversammlung teilnehmenden Genossen erstatte. Die Bgin. habe ein Interesse daran gehabt, daß eine ausreichende Zahl von Genossen an der Generalversammlung teilnahm, um eine für notwendig erachtete Satzungsänderung beschließen zu können.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit § 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auch bei Ermittlung des Einkommens von Genossenschaften verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt werden müssen. Rechtlich bedenklich ist aber, wenn das Finanzgericht die von der Bgin. den Genossen erstatteten Fahrtauslagen nicht als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen hat. Verdeckte Gewinnausschüttung ist jeder Vorteil, den eine Erwerbsgesellschaft ihren Gesellschaftern oder den Gesellschaftern nahestehenden Personen wegen der Gesellschaftereigenschaft zuwendet. Vergütungen, die den Gesellschaftern für Dienste gewährt werden, die sie der Gesellschaft leisten, sind Betriebsausgaben, sofern die Gesellschaft die Dienste nicht entbehren kann und an einen Nichtgesellschafter für die gleichen Dienste ebensoviel zahlen müßte. Es ist rechtsirrig, wenn das Finanzgericht die Teilnahme der Genossen an der Generalversammlung als einen solchen Dienst für die Bgin. ansieht. Wie das vom Finanzgericht angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 25. Juli 1934 ausgeführt hat, ist die Teilnahme der Gesellschafter an einer Gesellschafterversammlung keine von der Gesellschaft zu entlohnende Leistung im Interesse der Gesellschaft. Die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen. Die Gesellschafterversammlung dient vorwiegend dem eigenen Interesse der Gesellschafter, weil sie ihnen Gelegenheit gibt, die gesetzlichen und satzungsmäßigen Gesellschafterrechte auszuüben. Es ist zwar auch der Gesellschaft förderlich, wenn die Gesellschafter ihrer Gesellschaft Interesse entgegenbringen. Aber bei der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung steht das eigene Interesse der Gesellschafter im Vordergrund.
Das Finanzgericht hat auch, wie der Vorsteher des Finanzamts zutreffend rügt, zu Unrecht angenommen, daß die Bgin. eine für erforderlich gehaltene Satzungsänderung nicht hätte durchführen können, wenn nicht eine bestimmte Zahl von Genossen an der Generalversammlung teilgenommen hätte. Die Satzung der Bgin. verlangt zwar bei Satzungsänderungen die Anwesenheit von mindestens 3/4 sämtlicher Genossen. Nach § 27 letzter Satz der Satzung kann aber, wenn in der ersten Generalversammlung die satzungsmäßig erforderliche Zahl von Genossen nicht erschienen war, eine mit bestimmter Frist anberaumte zweite Generalversammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Genossen wirksame Beschlüsse fassen.
Es trifft zu, daß eine Genossenschaft die vom Finanzgericht angeführten Kosten, die mit der Durchführung der Generalversammlung zusammenhängen, steuerlich als Betriebsausgaben absetzen kann. Die erwähnten Aufwendungen unterscheiden sich aber von den streitigen Fahrtauslagen. Bei den vom Finanzgericht genannten Aufwendungen handelt es sich um unvermeidbare Aufwendungen, die einer Genossenschaft bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen Pflichten im Zusammenhang mit der Generalversammlung entstehen. Außerdem werden die Beträge für bestimmte Leistungen, die die Genossenschaft in Anspruch genommen hat, gewährt. Empfänger sind in der Regel Personen, die nicht Genossen sind. Sollte ausnahmsweise ein Genosse einen Betrag dieser Art erhalten, z. B. die übliche Miete für die überlassung des Sitzungssaals, so läge darin keine verdeckte Gewinnausschüttung, weil der Genosse den Betrag nicht in seiner Eigenschaft als Genosse, sondern im Hinblick auf eine der Genossenschaft gegenüber bewirkte Leistung erhalten würde.
Wenn das Finanzgericht ausführt, der vorliegende Fall unterscheide sich von dem in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 25. Juli 1934 behandelten dadurch, daß dort Vergütungen für die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung gezahlt worden seien, während im vorliegenden Fall nur Unkosten erstattet worden seien, so ist das zwar richtig. Der Unterschied ist aber nicht ausschlaggebend. Zwischen dem Ersatz der Fahrtkosten und einer Entschädigung wegen Mehraufwands für Verpflegung oder für Verdienstausfall besteht - von der Gesellschaft aus betrachtet - kein sachlicher Unterschied. Ein Abzug solcher Aufwendungen scheitert, wie ausgeführt, grundsätzlich daran, daß die Teilnahme an der Generalversammlung weniger im Interesse der Genossenschaft als im eigenen Interesse der Genossen liegt.
Die Bgin. hat noch geltend gemacht, die Teilnahme der Genossen an der Generalversammlung habe auch Gelegenheit gegeben, die gemeinschaftlichen geschäftlichen Belange, die zwischen ihr und den Genossen bestehen, zu erörtern. Nach der Satzung der Bgin. obliege ihr die Wahrung der geschäftlichen Interessen der Genossen auf allen Gebieten. Die Bgin. weist darauf hin, daß ihre Genossen verschieden weite Anfahrtsstrecken zur Generalversammlung gehabt hätten. Sie habe den einzelnen Genossen nur die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Fahrtauslagen ersetzt.
Es ist der Bgin. zuzugeben, daß ihre geschäftlichen Interessen eng mit den geschäftlichen Interessen ihrer Genossen verflochten sind, und daß es ihre Hauptaufgabe ist, die gewerblichen Interessen, die die Genossen haben, zu fördern. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit auf der Generalversammlung neben den genossenschaftlichen Angelegenheiten die laufenden Geschäftsbeziehungen behandelt werden konnten und behandelt worden sind. Selbst wenn man annimmt, daß die Erörterung der laufenden Geschäftsbeziehungen die Genossen zur Teilnahme an der Generalversammlung veranlaßt habe - eine Feststellung, die kaum einigermaßen zuverlässig zu treffen sein wird -, so würde trotzdem die Erstattung der Fahrtkosten eine verdeckte Gewinnausschüttung sein. Denn es ist im Geschäftsleben nicht üblich, Geschäftsfreunden die Fahrtkosten zu ersetzen, die ihnen durch die Fahrt zu geschäftlichen Besprechungen entstehen. Wenn die Bgin. trotzdem sich zur Erstattung entschlossen hat, so nur, weil die Geschäftsfreunde gleichzeitig ihre Genossen waren. Die Fahrtkosten, die den Genossen entstanden sind, dürften für sie Betriebsausgaben sein, weil die genossenschaftliche Beteiligung dem eigenen Betrieb der Genossen diente. Die Fahrtkostenerstattung führt dann im Ergebnis dazu, Betriebsausgaben, die den Genossen aus ihrem eigenen Gewerbebetrieb erwachsen, auf die Bgin. zu verlagern. Darin liegt aber eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Im Erlaß vom 5. Juli 1952 IV S 2119 a - 27/52 ("Die Information" 1952 S. 248; "Der Betrieb" 1952 S. 644) hat sich der Bundesminister der Finanzen damit einverstanden erklärt, daß die Ausgaben einer Genossenschaft für die Bewirtung von Genossen im Rahmen einer Generalversammlung in bestimmtem Umfang als Betriebsausgaben behandelt werden. Der Erlaß beruht auf der Erwägung, daß, wenn die Genossen gleichzeitig Kunden der Genossenschaft sind, die Bewirtung eine übliche Maßnahme der betrieblichen Werbung ist, und deshalb die Förderung der eigenen wirtschaftlichen Zwecke der Genossenschaft im Vordergrund steht. Wenn auch diesen Erwägungen grundsätzlich beizutreten sein mag, so ist doch der vorliegende Fall insofern wesentlich anders gelagert, als die Erstattung von Fahrtkosten an Kunden, wie erwähnt, nicht üblich ist und deshalb insoweit für die Bgin. der Gedanke betrieblicher Werbung nicht ausschlaggebend gewesen sein kann.
Nach allem mußte die Vorentscheidung wegen unrichtiger Anwendung der §§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, 6 Satz 2 KStG aufgehoben werden. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das Finanzamt die Erstattung der Fahrtkosten rechtlich zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen hat, mußte insoweit der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408369 |
BStBl III 1956, 43 |
BFHE 1956, 111 |
BFHE 62, 111 |
DB 1956, 151 |