Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Voraussetzungen einer echten Materialbeistellung.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 2; UStDB § 8; UStG § 3/4; UStG § 3/9
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist eine Arbeitsgemeinschaft (Arge), die auf Grund eines Vertrages vom 28. Februar 1948 zwischen einer Interessengemeinschaft (IG), in der fünf Zementwerke zusammengeschlossen waren, und dem Erfinder eines Herstellungsverfahrens von Magnesitsteinen aus Altmaterial (Magnesitbrocken) gegründet worden war. Zweck der Arge war die Herstellung von Futtersteinen und Spezialmörtel für Zementbrennöfen nach dem besonderen Verfahren des Erfinders. Dieses Verfahren wird als Regenerierung von Magnesitbrocken bezeichnet, die aus verbrauchten Sintersteinen der Zementöfen stammen und vor der Erfindung als wertlos auf Schutthalden gelagert wurden. Die Sintersteine eines Zementbrennofens müssen je nach Beanspruchung und im Durchschnitt alle Jahre erneuert werden. Für die Sinterzone eines Ofens werden im allgemeinen 40 t Magnesitbrocken benötigt, während aus einer verbrauchten Sinterzone je nach der Stärke, auf die sie durch Abnutzung reduziert worden ist, etwa 10 bis 15 t Magnesitbrocken anfallen. Magnesitbrocken fallen auch in der Stahlindustrie in größeren Mengen an und wurden auch dort bis zu der Erfindung nicht mehr verwendet.
Das erwähnte Herstellungsverfahren setzt eine Reinigung der Brocken von fremden Bestandteilen voraus; nach der Zerkleinerung der Brocken wird unter Zusatz von Chemikalien und Bindemitteln eine auf kaltem Wege zu Magnesitsteinen verformbare Masse erzeugt.
In einer Beweisaufnahme hat das Finanzgericht festgestellt, daß die Arge die in ihr zusammengeschlossenen Werke veranlaßte, die bei ihnen anfallenden Magnesitbrocken der Arge zuzuführen; die Brocken sind danach bei der Arge getrennt für jedes Mitglied der IG gelagert worden. Da die Magnesitbrocken einer verbrauchten Sinterzone infolge des Substanzverlustes während ihrer Gebrauchszeit nicht ausreichten, um eine im Regenerierungsverfahren zur Herstellung einer neuen Sinterzone genügende Menge Steine zu gewinnen, kaufte die Stpfl. auch aus der Stahlindustrie Brocken auf und füllte auf diese Weise das zur Regenerierung benötigte Rohmaterial auf. Nach Erschöpfung der zunächst angesammelten Vorräte verstärkte sich der Zukauf aus der Stahlindustrie. Im Gründungsvertrage der Arge ist eine Verpflichtung der IG zur Anlieferung von Brocken nicht begründet, dagegen heißt es dort, daß die erzeugten Steine und Mörtel bevorzugt an die IG-Werke abgegeben würden und nach Deckung des Bedarfs dieser Werke auch andere Verbraucher damit beliefert würden (Ziff. 3 Abs. 1 des Vertrages). Die Erzeugnisse der Arge sollten sowohl an die Werke der Mitglieder der IG als auch an andere Verbraucher zu handelsüblichen Preisen verkauft werden. Als handelsüblich sei der Preis zu betrachten, für den Materialien gleicher oder ähnlicher Bewährung von den Verbrauchern eingekauft werden könnten. In Ziff. 4 des Vertrages ist bestimmt, daß bei Belieferung anderer Verbraucher diese, wenn nötig, zur Beschaffung der Ausgangsmaterialien heranzuziehen seien. Demgemäß erfolgte die Preisgestellung der Arge so, als ob die Steine ausschließlich aus solchen Magnesitbrocken hergestellt worden wären, die die Arge aus der Stahlindustrie aufgekauft hatte, also ohne Berücksichtigung des durch die einzelnen Werke der IG und anderer Zementwerke zur Verfügung gestellten Materials. Die Werke, die eine Gutschrift über ihre angelieferten Brocken erhalten hatten, kürzten jedoch bei Bezahlung der Rechnungen den Kaufpreis um die ihnen erteilte Gutschrift.
Der Streit geht um die steuerliche Auswirkung der Materialbeistellungen. Das Finanzamt hat die Stpfl. mit dem gesamten Preis ihrer Fabrikate als steuerpflichtig erachtet, während die Vorinstanz eine echte Materialbeistellung bejahte und demgemäß den Teil der beigestellten Stoffe nicht als Gegenstand der Werklieferung angesehen hat.
Entscheidungsgründe
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Da im Streitfalle die Auftraggeber der Stpfl. einen stofflichen Beitrag zur Herstellung der Magnesitsteine geleistet haben, liegt die Annahme einer Materialbeistellung wie im Falle des Urteils des Reichsfinanzhofs V A 642/33 vom 19. November 1934 (Reichssteuerblatt 1936 S. 189), auf das sich die Vorinstanz auch beruft, allerdings nahe. Wendet man die Grundsätze dieses Urteils unverändert auf den Streitfall an, so wären die zur Verfügung gestellten Magnesitbrocken nicht Gegenstand der Werklieferung. Im Streitfalle liegt der Sachverhalt jedoch anders und ist demgemäß zu beurteilen.
Für den Inhalt des Leistungsaustausches kommt es in erster Linie darauf an, wie die Hingabe des stofflichen Beitrages zu beurteilen ist. Bei einer echten Materialbeistellung muß sich der Unternehmer verpflichtet haben, die ihm zur Verfügung gestellten Stoffe ausschließlich zur Herstellung des bestellten Werkes zu verwenden, so daß er insofern nicht die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht am beigestellten Stoff erlangt. Die Arge hätte also die ihr überlassenen Brocken nur für den jeweiligen Auftraggeber und nur im Rahmen des ihr erteilten Auftrags verwenden dürfen. Für eine solche Beurteilung reichen jedoch die vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen nicht aus. Vertragliche Abmachungen hierüber liegen nicht vor, sind auch nicht behauptet worden. Die Arge ist gegründet worden, um das neue Regenerierungsverfahren zu erproben und im Erfolgsfalle die Einfuhr von Magnesitsteinen aus dem Ausland nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Arge konnte es gleichgültig sein, wer ihr das Altmaterial zur Verfügung stellte. Weder für sie noch für die Auftraggeber ergab sich nach den hier geübten Preisberechnung ein Unterschied, ob nun das Altmaterial von einem der Werke der IG, von einem anderen Zementwerk oder von der Stahlindustrie angeliefert wurde. In allen Fällen, in denen die Rechtsprechung eine echte Materialbeistellung anerkannt hat, waren aber gerade vorteilhafte Beschaffungsmöglichkeiten durch den Besteller der Anlaß zur Beistellung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, Slg. Bd. 58 S. 196, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 S. 366). Anders als im Falle der Abgrenzung der Werkleistung vom Tausch kommt der Entgeltsberechnung bei der Materialbeistellung zwar keine entscheidende Bedeutung zu, doch kann in Zweifelsfällen die Berechnung eines Gesamtpreises als Beweisanzeichen dafür gewertet werden, daß der beigestellte Stoff auf Grund einer normalen Lieferung in die Verfügungsmacht des Herstellers übergegangen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der äußere Ablauf der Geschäfte gegen eine Materialbeistellung spricht. Die getrennte Lagerung des von den einzelnen Werken angelieferten Materials besagt noch nicht, daß bei der Produktion das Altmaterial des jeweiligen Bestellers verwendet worden ist, zumal da der Akteninhalt (Ziff. 4 des Vertrages) ergibt, daß auch solche Werke Magnesitsteine erhalten haben, die kein Altmaterial beigesteuert haben, und nach eigener Angabe der Stpfl. Auftraggeber nicht das einzelne Werk, sondern die IG gewesen ist. Es muß, wie die Rb. zutreffend hervorhebt, aus dem Schriftwechsel geschlossen werden, daß jedenfalls teilweise die Lieferung von Magnesitsteinen der Hergabe von Altmaterial vorausging. Entscheidend für eine wirtschaftliche Beurteilung der streitigen Umsatzgeschäfte ist das Fehlen vertraglicher Bestimmungen oder anderer Vereinbarungen, nach denen die Stpfl. die Herstellung eines Werks, nämlich von Magnesitsteinen für bestimmte Auftraggeber, übernommen hätte. Aufgabe der Stpfl. war die Lieferung von Magnesitsteinen schlechthin an verschiedene Gruppen von Bestellern, wobei sich allenfalls ein Vorrang der Belieferung an die Werke der IG feststellen läßt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen jeweiliger Anlieferung von Altmaterial und der Bestellung neuer Steine kann dem Akteninhalt jedenfalls nicht entnommen werden.
Das wirtschaftliche Interesse der Besteller erschöpfte sich im Bezug von neuen Magnesitsteinen, die die Stpfl. in nur einer Qualität und Art lieferte, wobei allerdings die IG, nicht anders als die anderen Lieferanten von Altmaterial, das Interesse hatte, ihr bis dahin wertloses Altmaterial überhaupt nutzbringend zu verwenden, ohne daß ein ersichtliches Interesse bestand, daß ihr Altmaterial gerade in den ihr gelieferten Steinen verwendet werde. Im übrigen würde die bloße Zweckbestimmung zu einer bestimmten Verwendung das Geschäft noch nicht seines Lieferungscharakters berauben (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 77/41 vom 29. Mai 1942, Slg. Bd. 52 S. 28, Reichssteuerblatt 1942 S. 805). Der erkennende Senat hat zwar im Urteil V 116/52 U vom 17. September 1953 (Slg. Bd. 58 S. 147, BStBl 1953 III S. 347) die Möglichkeit des Austausches des beigestellten Stoffes bejaht, doch schuldete der Unternehmer jenes Streitfalles nur eine Arbeitsleistung, womit die Anwendbarkeit des § 8 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz entfällt. Vor allem stellt das Urteil auf die Besonderheiten der Verkehrsauffassung bei Nichteisenmetallen ab. Hier ist aber ersichtlich, daß lediglich die Arge an der Belieferung von Altmaterial interessiert war, in dessen Verarbeitung und Lieferung an einen durch die IG nicht begrenzten Abnehmerkreis sich ihr Zweck erschöpfte. Es kam ihr darauf an, soviel Altmaterial zu erhalten, und zwar gleich, von wem als zur Befriedigung vorliegender oder zu erwartender Aufträge erforderlich war. Die Vorentscheidung, die diesen Sachverhalt rechtsirrtümlich gewürdigt hat, war deshalb aufzuheben.
Es mag sein, daß das Finanzgericht, wie die Rb. rügt, den Tatbestand noch weiter hätte aufklären sollen. Der Senat ist jedoch in der Lage, nach Aufhebung der Vorentscheidung den Sachverhalt, soweit hierüber Beweis erhoben oder er unstreitig ist, selbst zu würdigen. Er kommt hier zu der Auffassung, daß im wirtschaftlichen Ergebnis nicht eine echte Materialbeistellung, deren Voraussetzungen einwandfrei dargelegt werden müssen, sondern auf seiten der Stpfl. eine gewöhnliche Werklieferung vorliegt, bei der die Stpfl. den gesamten Stoff selbst beschafft hat. Solchenfalls aber kann der Umstand, daß teilweise die Besteller auch Stoffe zur Herstellung geliefert haben, nicht zur Ausschaltung des Stoffbeitrages aus dem Leistungsaustausch und damit zur Minderung des Entgelts führen.
Die Berufung der Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 13. Oktober 1952 war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408666 |
BStBl III 1957, 92 |
BFHE 1957, 241 |
BFHE 64, 241 |