Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn die einzelnen Voraussetzungen des § 1 GewStDV vorliegen, ist eine Betätigung dann keine gewerbliche Tätigkeit, wenn sie den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht überschreitet.
2. Die Erstellung und Veräußerung von Wohngebäuden und Eigentumswohnungen hält sich nur dann im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung, wenn sich die Bau- und Veräußerungsmaßnahmen noch als Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten darstellen, nicht mehr dagegen, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung entscheidend in den Vordergrund tritt.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV §§ 1, 8-9
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Streitig ist, ob die gemeinschaftliche Errichtung und Veräußerung von vier Reihenhäusern und acht Eigentumswohnungen durch die Kläger eine gewerbliche Tätigkeit darstellt.
Der Ehemann (der Kläger) erzielte in den Streitjahren 1967 bis 1969 Einkünfte als selbständiger Rechtsanwalt; seine Ehefrau (die Klägerin) ist Hausfrau. Die Kläger waren seit 1964 alleinige Eigentümer eines 1 615 qm großen Grundstücks, das sie in den Jahren 1962 bzw. 1964 erworben hatten. Auf dem Grundstück befanden sich zwei kriegsbeschädigte, reparaturbedürftige Gebäude, und zwar ein Mietwohnhaus und ein Lagergebäude. Ende 1966 ließen die Kläger das Lagerhaus abreißen und begannen mit dem Bau von vier Reihenhäusern auf dem hinteren Teil des Grundstücks. Noch vor deren Fertigstellung Ende 1967 veräußerten die Kläger die Reihenhäuser an verschiedene Personen. Sie hatten zu diesem Zweck in einer Tageszeitung in Kleininseraten vom 18. Juli und 4. September 1967 unter Chiffre die Reihenhäuser zum Verkauf angeboten. Ende 1967 ließen die Kläger das alte Mietwohnhaus abbrechen, errichteten auf dem vorderen Grundstücksteil ein Wohngebäude mit acht Wohnungen und veräußerten diese als Eigentumswohnungen in der Zeit vom 20. September 1968 bis 29. April 1969 an verschiedene Personen. Drei der Kaufverträge über die Eigentumswohnungen kamen durch Vermittlung eines Maklers zustande.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) behandelte den Verkauf der Reihenhäuser und Eigentumswohnungen als Ausfluß einer gewerblichen Tätigkeit der Kläger und stellte den gewerblichen Gewinn in Feststellungsbescheiden für die Jahre 1967, 1968 und 1969 einheitlich fest.
Mit ihrer Klage vertraten die Kläger die Auffassung, sie seien nicht gewerblich tätig geworden. Weder liege eine selbständige und nachhaltige Tätigkeit noch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor. Außerdem fehle es an der Gewinnerzielungsabsicht. Die Reihenhäuser hätten ursprünglich als Kapitalsanlage vermietet werden sollen. Der Verkauf sei erst wegen Finanzierungsschwierigkeiten beim ursprünglich für längere Zeit zurückgestellten Bau des Achtfamilienhauses beschlossen worden. Ebensowenig sei geplant gewesen, das Wohnhaus zu verkaufen. Wegen ungünstiger Mietangebote habe man sich jedoch zum Verkauf entschlossen, und das noch nicht fertigerstellte Wohnhaus in acht Eigentumswohnungen aufgeteilt, da diese nach damaliger Marktlage besser und günstiger zu verkaufen gewesen seien. Der Verkauf dieser Wohneinheiten sei ebenso Ausfluß einer nichtgewerblichen Vermögensverwaltung und Vermögensumschichtung wie die Veräußerung eines großen Grundstücks im ganzen. Die Grundstücksgeschäfte seien deshalb steuerlich als Einheit zu behandeln, zumal sie - die Kläger - nicht wie gewerbliche Grundstückshändler mit eigenem Büro und entsprechendem Personal aufgetreten seien. So habe man auch keine Werbung durch Prospekte durchgeführt, sondern die Veräußerung des Grundbesitzes im wesentlichen aufgrund von unter Chiffre aufgegebenen Kleinanzeigen erreicht. Es sei nicht mit vielen Interessenten verhandelt worden, da die Wohneinheiten wegen der günstigen Lage des Grundstücks schnell zu verkaufen gewesen seien. Außerdem hätten sie - die Kläger - anders als gewerbliche Grundstückshändler keine Finanzierungsgeschäfte für die Käufer übernommen und keine Abschreibungen für die Gebäude geltend gemacht. Der Kläger habe das durch die Grundstücksgeschäfte erworbene Geld für seine Altersversorgung verwendet, indem er ein weiteres Sechsfamilienhaus erbaut und ein weiteres Baugrundstück erworben habe.
Die Sprungklage der Kläger hatte keinen Erfolg. Das FG bejahte die aus § 15 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 1 GewStDV hergeleiteten Merkmale des Gewerbebetriebs.
Mit der Revision rügen die Kläger unrichtige Anwendung des § 1 GewStDV, fehlerhafte und unvollständige Beweiswürdigung, sowie Verstoß gegen § 105 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FGO.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Feststellungsbescheide des FA aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind u. a. Gewinnanteile aus einer Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist (§ 15 Nr. 2 EStG). Aus dem Sinnzusammenhang des § 15 Nr. 2 EStG mit § 15 Nr. 1 Satz 1 EStG ergibt sich, daß die Gesellschaft, aus der die Gewinnanteile bezogen werden, ein "gewerbliches Unternehmen" sein muß. Was gewerbliches Unternehmen bedeutet, bestimmt das Einkommensteuergesetz nicht. Aus § 2 Nr. 1 Satz 2 GewStG folgt indessen, daß die Begriffe Gewerbebetrieb und gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes übereinstimmen. Dieser Umstand rechtfertigt es, zur Auslegung des Begriffes "gewerbliches Unternehmen" im Sinne des Einkommensteuergesetzes auf die Begriffsbestimmung des Gewerbebetriebs in § 1 GewStDV zurückzugreifen (vgl. die Urteile des BFH vom 2. November 1971 VIII R 1/71, BFHE 104, 321, BStBl II 1972, 360; vom 15. Dezember 1971 I R 179/68, BFHE 104, 77, BStBl II 1972, 279, und vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291). Danach ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Gemäß Satz 3 dieser Bestimmung liegt ein Gewerbebetrieb, wenn seine Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, auch dann vor, wenn das Streben nach Gewinn (Gewinnabsicht) nur ein Nebenzweck ist.
2. Das FG hat ohne Rechtsverstoß ausgeführt, daß die Voraussetzungen eines gewerblichen Unternehmens im Streitfall gegeben sind.
a) Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG das Merkmal der Selbständigkeit schon deshalb bejaht hat, weil die Kläger ihre Tätigkeit "auf eigene Rechnung und Verantwortung" ausgeübt haben. Das Merkmal der selbständigen Tätigkeit ist im Unterschied zu der nichtselbständigen Arbeit im Sinne des § 19 EStG zu verstehen (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., § 15 Anm. 2; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 15 EStG Anm. 7). Der Ansicht der Kläger, daß zum Begriff der Selbständigkeit außer der persönlichen auch eine sachliche Selbständigkeit gehöre und diese "durch das Vorhandensein eines Unternehmens (Betriebs)" zu definieren sei, kann der Senat nicht folgen. Es widerspricht den Gesetzen der Logik, ein Merkmal, das - wie die Selbständigkeit - den Begriff des gewerblichen Unternehmens im Sinne des § 15 Nr. 1 EStG mitbestimmen soll, seinerseits wieder mit dem Begriff des Unternehmens auszufüllen. Desgleichen spricht nichts für die von den Klägern vertretene Auffassung, selbständiges Handeln erfordere ein Handeln "zum Zwecke der Ausübung eines Berufs". Da der Senat mithin dem Begriffsverständnis der Kläger vom Merkmal der Selbständigkeit nicht folgen kann, kann er das Urteil des FG auch nicht deshalb als fehlerhaft ansehen, weil sich die Vorinstanz mit den sich aus dem Begriffsverständnis der Kläger ergebenden Folgerungen in tatsächlicher Hinsicht nicht befaßt hat.
b) Zutreffend hat das FG auch dargelegt, daß die Kläger nachhaltig gehandelt haben, da ihre Tätigkeit auf Wiederholung angelegt gewesen sei. Nachhaltigkeit ist selbst dann gegeben, wenn die Tätigkeit auf einem einmaligen Entschluß beruht, die Durchführung aber mehrere Handlungen erfordert. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser bereits im Urteil I R 49/70 dargelegten Ansicht abzugehen. Auch die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit erfordert im Gegensatz zur Auffassung der Kläger ebensowenig ein Handeln im Rahmen eines Berufs wie das Merkmal der Selbständigkeit.
c) Auch die Gewinnabsicht hat die Vorinstanz zu Recht bejaht. Sie liegt vor, wenn durch eine Betätigung ein wirtschaftlicher Vorteil erstrebt wird (BFH-Beschluß vom 17. Januar 1972 Gr. S. 10/70, BFHE 106, 84, BStBl II 1972, 700). Daß diese Voraussetzungen im Streitfall vorgelegen haben, können die Kläger ernstlich nicht bestreiten. Zu Recht hat das FG ausgeführt, daß die Gewinnabsicht nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Kläger - wie sie vortragen - zunächst eine Vermietung geplant haben, dann aber durch unerwartete Finanzierungsschwierigkeiten zum Verkauf veranlaßt worden sind. Die Ansicht des FG, daß es für die Beurteilung der Gewinnabsicht weder auf das Motiv, durch das diese Absicht ausgelöst worden ist, noch darauf ankommt, was mit dem absichtsgemäß erzielten Gewinn geschieht, steht im Einklang mit der Auffassung des erkennenden Senats im Urteil I 179/68.
d) Schließlich stellt sich die Tätigkeit der Kläger auch als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar. Diese erfordert, daß sich der Veräußerer mit seiner Veräußerungsabsicht an den allgemeinen Markt wendet (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1963 VI 313/62 U, BFHE 78, 352, BStBl III 1964, 137; I R 49/70). Es müssen Leistungen gegen Entgelt der Allgemeinheit dargeboten werden (BFH-Urteil vom 16. Februar 1967 IV R 153/66, BFHE 88, 207, BStBl III 1967, 337). Das FG durfte diese Voraussetzungen schon deshalb als erfüllt ansehen, weil die Kläger die zwölf Wohneinheiten teils durch einen Makler, teils durch Inserate in der Tageszeitung zum Verkauf angeboten haben. Die Kläger haben sich dadurch in den allgemeinen Markt begeben.
3. Den Klägern ist allerdings darin beizutreten, daß ein gewerbliches Unternehmen nicht vorläge, wenn sich ihre Tätigkeit im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung gehalten hätte (BFH-Urteil vom 11. Juli 1968 IV 139/63, BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775). Einkünfte, die im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung erzielt werden, sind nur als Einkünfte nach § 2 Abs. 3 Nr. 5 bis 7 EStG zu versteuern, falls die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Einkunftsarten vorliegen.
Was unter privater Vermögensverwaltung zu verstehen ist, ist allerdings nicht ausdrücklich geregelt. Soweit § 9 in Verbindung mit § 8 GewStDV den Begriff der Vermögensverwaltung verwendet, sagt diese Bestimmung nur beispielhaft, was damit gemeint ist. Danach liegt eine Vermögensverwaltung in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, z. B. Kapitalvermögen verzinslich angelegt, unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird. Zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung von der gewerblichen Tätigkeit erweisen sich die in § 1 GewStDV aufgeführten Merkmale des Gewerbebetriebs häufig als untauglich; denn eine Vermögensverwaltung kann auch vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger selbständig, nachhaltig und mit Gewinnabsicht handelt und am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (z. B. bei An- und Verkauf von Wertpapieren). Je größer ein Vermögen ist, um so eher werden diese Merkmale erfüllt sein (vgl. BFH-Urteil IV 139/63). Der erkennende Senat geht in Anlehnung an die Auffassung des VIII. Senats im Urteil VIII R 1/71 davon aus, daß im Falle der Erstellung und Veräußerung von Wohngebäuden und Eigentumswohnungen von einer privaten Vermögensverwaltung nur gesprochen werden kann, wenn sich die Bau- und Veräußerungsmaßnahmen noch als Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten darstellen, nicht mehr dagegen, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung entscheidend in den Vordergrund tritt.
Das FG hat zu der Frage, ob im Streitfall eine private Vermögensverwaltung anzunehmen sei, nicht Stellung genommen. Indes kann bereits aufgrund des vom FG festgestellten und insoweit auch von den Klägern nicht bestrittenen Sachverhalts ein Handeln der Kläger im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung verneint werden. Zwar ist auch bei einer Nutzung von Grundbesitz in Form der Fruchtziehung nicht ausgeschlossen, daß der Eigentümer, nachdem er zunächst sein Grundstück im Wege der Vermietung und Verpachtung genutzt hat, eines Tages das Grundstück veräußert. Dadurch wird die private Vermögensverwaltung noch nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit. Wer jedoch - wie die Kläger - in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung von Grundstücken vier Reihenhäuser und acht Eigentumswohnungen an dritte Personen veräußert, zieht nicht mehr bloß die Früchte aus zu erhaltenden Substanzwerten, sondern betreibt eine Tätigkeit, bei der die Umschichtung von Vermögenswerten und damit die Verwertung der Vermögenssubstanz entscheidend in den Vordergrund tritt und die - wenn die Merkmale des § 1 GewStDV gegeben sind - als gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 70327 |
BStBl II 1973, 260 |
BFHE 1973, 190 |