Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Revisionsbegründung; Voraussetzungen für ein Auskunftsersuchen
Leitsatz (NV)
1. Die Revisionsbegründung muß nicht nur einen bestimmten Antrag enthalten, sondern u. a. auch die durch die Vorentscheidung verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Außerdem muß sie eine wenigstens kurze Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung enthalten und aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des Urteils der Vorinstanz sein bisheriges Vorbringen überprüft hat.
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Auskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1, § 93 AO 1977 gestellt werden kann.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 2, § 120 Abs. 2 S. 2; AO 1977 §§ 24-25, 93 Abs. 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Yachtmakler mit Sitz in A. Anläßlich einer Bootsausstellung gab sie ein Anzeigenheft heraus, das Verkaufsanzeigen für Yachten enthielt, mit deren Verkauf die Klägerin beauftragt war. Auftraggeber, Yachteigner und Schiffsname waren nicht angegeben. Etwaige Interessenten mußten sich an die Klägerin wenden. Das Heft lag während der Ausstellung zur freien Verfügung aus.
Das Finanzamt F forderte die Klägerin unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 93 der Abgabenordnung (AO 1977) auf, die Namen und Anschriften ihrer Kunden für im einzelnen bezeichnete Yachten anzugeben, die in dem Anzeigenheft zu Preisen . . . aufgeführt waren. Es handelte sich dabei um alle Schiffe mit einem höheren Preis als . . . DM. Die Angaben wurden für die Besteuerung dritter Personen, nicht der Klägerin erbeten.
Die dagegen eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück. Das Finanzamt F habe das ihm obliegende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere bestehe auf Grund seit Jahren gemachter Erfahrungen des Finanzamts F die Möglichkeit, daß die erfragten Yachteigner Steuern objektiv verkürzt hätten.
Auf Grund einer entsprechenden Anordnung der zuständigen Stelle ging die Zuständigkeit für die Steuerfahndung des Finanzamts F auf den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) über.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hielt das Auskunftsersuchen in Gestalt der Beschwerdeentscheidung für rechtmäßig.
Das Finanzamt F sei gemäß §§ 24, 25 AO 1977 auch örtlich zuständig gewesen, weil wegen des noch nicht feststehenden Steuerverhältnisses die Zuständigkeitsregelungen nach §§ 18 bis 23 AO 1977 nicht anwendbar seien und das Finanzamt F zuerst mit der Sache befaßt gewesen sei (§ 25 AO 1977).
Die Steuerfahndung sei nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 zum Erlaß des Auskunftsersuchens berechtigt gewesen, weil wegen der Besonderheit des Objekts, der Höhe des Wertes und aufgrund konkreter Erfahrungen auf diesem Gebiet die objektive Möglichkeit von Steuerverkürzungen gegeben sei. Eine Ermittlung ohne jeden Anhaltspunkt, insbesondere eine Rasterfahndung oder eine ,,Maßnahme ins Blaue hinein", habe nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht vorgelegen.
Das angefochtene Auskunftsersuchen habe auch den Anforderungen von § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 entsprochen. Das Auskunftsersuchen sei geeignet gewesen, Steuerverkürzungen zu ermitteln. Es sei auch notwendig und erforderlich gewesen, weil das FA keine andere Möglichkeit gehabt hätte, die Yachteigner zu erfahren; das Schiffsregister sei kein geeignetes Auskunftsmittel gewesen. Die Erfüllung des Auskunftsersuchens sei der Klägerin auch möglich und zumutbar gewesen; schließlich habe es nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
In Gestalt der Beschwerdeentscheidung habe das Auskunftsersuchen auch den Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung genügt.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision.
Die Klägerin hält das Auskunftsersuchen des FA für unzulässig. Es handele sich um eine Ermittlung ,,ins Blaue hinein", weil keine Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, daß irgendwelche steuerlich relevanten Vorgänge zu überprüfen seien; es habe keinerlei Anfangsverdacht bestanden.
Das Auskunftsersuchen sei ermessensfehlerhaft, weil es sich nur an die Klägerin und nicht an etwaige Konkurrenten richte und die Klägerin bereits zum zweiten Mal ein solches Auskunftsersuchen erhalten habe. Außerdem habe das FA über das Schiffsregister die Möglichkeit, sich entsprechende Informationen zu beschaffen; diese Möglichkeit habe es bei Erlaß seines Auskunftsersuchens überhaupt nicht bedacht.
Schließlich bestreitet die Klägerin weiterhin die sachliche und örtliche Zuständigkeit des FA, weil dieses Auskunft über Vorgänge begehre, die zumindest teilweise nicht in seinem Zuständigkeitsbereich lägen.
Das FA macht geltend, die Revision sei unzulässig. Sie bezeichne nicht - wie in § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gefordert - die von der angegriffenen Entscheidung verletzte Rechtsnorm und lasse eine Auseinandersetzung mit dem finanzgerichtlichen Urteil vermissen. Im übrigen sei die Revision auch unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die Revisionsbegründung nicht nur einen bestimmten Antrag enthalten, sondern u. a. auch die durch die Vorentscheidung verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Außerdem muß die Revisionsbegründung eine wenigstens kurze Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung enthalten und aus sich heraus erkennen lassen, daß die Revisionsklägerin anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils ihr bisheriges Vorbringen überprüft hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. November 1990 VIII R 146/85, BFH/NV 1991, 333).
Die Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag in der Revisionsbegründung kann eine ordnungsgemäße Begründung in der Begründungsschrift selbst nicht ersetzen (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 120 Rz. 34).
Die insoweit vom FA erhobenen Bedenken greifen allerdings nicht durch. Die Revisionsbegründung führt zwar weder ausdrücklich eine Rechtsnorm an, noch setzt sich die Klägerin jeweils unter ausdrücklichen Bezug auf einzelne Elemente der Entscheidung der Vorinstanz mit dieser auseinander. Jedoch verlangt das ,,Bezeichnen" einer Rechtsnorm i. S. von § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht die Benennung eines bestimmten Paragraphen. Es reicht vielmehr aus, wenn nach dem Vorbringen der Klägerin für das Revisionsgericht erkennbar ist, welche materiell-rechtliche Vorschrift im angegriffenen Urteil nicht richtig angewendet worden sein soll (BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 333). Diese Voraussetzung ist als erfüllt anzusehen. Aus dem Zusammenhang der Revisionsbegründung läßt sich noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, daß die Klägerin danach die unrichtige Anwendung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (§§ 24, 25 AO 1977) und der Vorschriften über die Auskunftserteilung nach §§ 208, 93 AO 1977 durch die Vorinstanz rügt. Im Zusammenhang damit ergibt sich auch, mit welchen Ausführungen der Vorinstanz die Klägerin aus welchen Gründen nicht einverstanden ist.
2. Die Revision ist jedoch unbegründet, weil das FG in dem angefochtenen Urteil zu Recht erkannt hat, daß die Klägerin durch das streitige Auskunftsersuchen nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Der Senat folgt dem FG in seiner Auffassung, daß das Finanzamt F örtlich für den Erlaß des Auskunftsersuchens zuständig war. Da es sich im vorliegenden Fall um sog. ,,Vorfeldermittlungen" handelte, bei denen weder ein bestimmtes Steuerverhältnis noch ein bestimmter Beteiligter feststand, ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß die Vorschriften der §§ 18 bis 23 AO 1977 im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts F ergab sich vielmehr - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - aus §§ 24, 25 AO 1977. Für die Anwendung dieser Vorschrift spielt der Geschäftssitz der Klägerin keine Rolle; entscheidend ist vielmehr, daß das Finanzamt F zuerst mit der Sache befaßt war, weil es die auf der Ausstellung ausliegende Anzeigenliste festgestellt und auf ihrer Grundlage das strittige Auskunftsersuchen veranlaßt hat.
b) Rechtsfehlerfrei ist das FG auch zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen für das Auskunftsersuchen nach § 208 Abs. 1, § 93 AO 1977 vorliegen.
aa) Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, darf das FA auf Grund der ihm nach § 208 Abs. 1 Nr. 3, § 93 Abs. 1 AO 1977 gegebenen Befugnisse nur im Rahmen eines hinreichenden Anlasses Auskünfte verlangen; Ermittlungen ,,ins Blaue hinein" sind unzulässig (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359; vom 24. März 1987 VII R 30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484, und vom 23. Oktober 1990 VIII R 1/86, BFHE 162, 539, 541, BStBl II 1991, 277; vgl. auch Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Beschluß vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1990, 266, und HFR 1989, 440). Ein solcher Anlaß ist aber nicht erst dann gegeben, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, daß steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen. Es genügt vielmehr, wenn auf Grund konkreter Momente oder auf Grund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (BFH-Urteil vom 7. August 1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010). Davon ist das FG zutreffend ausgegangen. Seine Annahme, daß im Streitfall ein solcher hinreichender Anlaß bestand, ist nicht zu beanstanden. Die dazu getroffenen Feststellungen des FG binden den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO; verfahrensrechtliche Fehler sind insoweit nicht gerügt.
Das gilt auch, soweit das FG ausgeführt hat, es reiche die allgemeine Erfahrung, daß der Bereich ,,Yachten" für steuerliche Unregelmäßigkeiten besonders anfällig sei. Auf dieser Grundlage hat das FG zu Recht nicht beanstandet, daß sich das Auskunftsersuchen allgemein auf die wertvolleren Yachten der Liste bezog, ohne daß in bezug auf einzelne Yachteigentümer der Verdacht einer möglichen Steuerverkürzung vorgelegen hätte.
Danach gehen auch die Einwendungen der Klägerin fehl, es sei ungerechtfertigt, wenn das FA die Angaben nur über Yachtbesitzer und nicht auch über andere Vermögensbesitzer einfordere. Die Klägerin hat im übrigen keinen Anspruch darauf, daß auch gegen andere Vermögensbesitzer Ermittlungen geführt werden. Außerdem kann es keine Rolle spielen, daß beim Erwerb einer Yacht - wie die Klägerin meint - keine ,,Schiffserwerbssteuer" anfällt. Vielmehr ging es im Streitfall darum festzustellen, ob in bezug auf die Vermögen- oder Einkommensteuer aus dem Veräußerungsgeschäft Rückschlüsse auf steuerliche Unregelmäßigkeiten festzustellen sind.
bb) Nicht zu beanstanden ist auch die Wertung der Vorinstanz, daß es im vorliegenden Fall um die Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977) ging. Denn der Umstand, daß die Yachten möglicherweise in Schiffsregistern eingetragen sind, führt nicht schon dazu, daß die im Zusammenhang damit erheblichen steuerlichen Umstände dem FA bekannt sind. Wie das FG auch insoweit für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt hat, erhält die Finanzverwaltung nicht in allen Fällen Mitteilung über die Eintragungen in das Schiffsregister. Außerdem sind die im Streitfall in Rede stehenden Yachten nach den Feststellungen des FG nur einzutragen, wenn sie deutschen Eigentümern gehören. Sie sind dagegen nicht einzutragen, wenn im Inland wohnende Ausländer Eigentümer sind. Da auch diese im Inland steuerpflichtig und somit auch ihre steuerlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit einem etwaigen Yachtbesitz von Interesse sein können, wären insoweit Erkenntnisse auch nicht zu erlangen, wenn Eintragungen im Schiffsregister den Finanzbehörden regelmäßig mitgeteilt würden. Ferner binden die Feststellungen des FG den Senat auch insoweit, als es festgestellt hat, daß die Yachten, selbst wenn sie nach den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften im Schiffsregister eingetragen werden müßten, tatsächlich nicht immer dort eingetragen sind. Verfahrensfehler in bezug auf diese Feststellungen hat die Klägerin nicht gerügt.
cc) Schließlich ist die Entscheidung der Vorinstanz auch insoweit bedenkenfrei, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auskunft zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig sowie ihre Erteilung für die Klägerin möglich und deren Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. Selbst wenn zugunsten der Klägerin - davon ausgegangen - unterstellt wird, daß diese Voraussetzungen (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmale des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind, die ohne Beschränkung überprüft werden können (vgl. BFHE 148, 108, 115, BStBl II 1988, 359), ergibt sich kein Rechtsfehler der Vorentscheidung. Die vom FG hierzu getroffenen - den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden - Feststellungen tragen seine diesbezüglichen Ausführungen; Verfahrensfehler hat die Klägerin im Hinblick auf diese Feststellungen des FG nicht gerügt.
Der Umstand, daß die Klägerin zum zweiten Male um eine Auskunft ersucht wurde, macht deren Erteilung noch nicht unzumutbar; dadurch wird auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Denn dem FA ist zuzugestehen, daß es im Rahmen seiner Vorfeldermittlungen sein Begehren um Auskünfte grundsätzlich an den richtet, von dem es sie am schnellsten und einfachsten erhalten kann. Das bedeutet gleichzeitig, daß es grundsätzlich nicht verpflichtet ist, seine Auskunftsersuchen gleichmäßig an alle etwaigen Konkurrenten des davon Betroffenen zu richten. Für eine bewußte Benachteiligung der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte.
Das FG hat im übrigen zutreffend darauf hingewiesen, daß die Sicherung des Steueraufkommens ein hohes Rechtsgut ist (vgl. Senatsurteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, und BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484). Die Steuerbehörden haben dazu die ihnen gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten auszunutzen, um eine effektive Kontrolle zu gewährleisten (vgl. BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, 664 ff.). Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß auch unter diesem Gesichtspunkt das Auskunftsersuchen an die Klägerin nicht zu beanstanden war.
dd) Das FG hat ferner rechtsfehlerfrei entschieden, daß das FA von seinem Handlungsermessen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 5 AO 1977 (vgl. dazu BFHE 148, 108, 116, BStBl II 1988, 359) zutreffend Gebrauch gemacht hat und dies auch in der Beschwerdeentscheidung zum Ausdruck gekommen ist. Es reicht aus, daß sich die Beschwerdeentscheidung mit der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens auseinandergesetzt hat. Es war nicht erforderlich darzulegen, aus welchem Grunde gerade die Klägerin - und dies zum zweiten Mal - in Anspruch genommen wurde. Denn es würde dem Sinn von Vorfeldermittlungen zuwiderlaufen, wenn das FA verpflichtet wäre, die Art und Weise dieser Ermittlungen, insbesondere die Ausschöpfung etwaiger anderer Auskunftsmöglichkeiten, offenzulegen.
Fundstellen