Leitsatz (amtlich)
Die wegen der Zahlungsunfähigkeit eines Abnehmers mißlungene Überwälzung der Abgabenbelastung im Handel mit versteuertem Mineralöl rechtfertigt einen Billigkeitserweis nach § 131 AO nicht.
Normenkette
AO § 131
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) handelt mit Mineralöl, das sie teilweise versteuert bezieht, teilweise selbst versteuert. Durch den Konkurs eines ihrer Großabnehmer erlitt die Klägerin einen Forderungsausfall aus dem Verkauf von Mineralöl. Dieser Forderungsausfall betrifft zum überwiegenden Teil Forderungen aus dem Verkauf bereits versteuerten Mineralöls und zu einem kleineren Teil Forderungen aus dem Verkauf von Mineralöl, das die Klägerin selbst versteuert hat.
Unter Hinweis auf die durch den Forderungsausfall verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten stellte die Klägerin den Antrag, den in den ausgefallenen Kaufpreisforderungen rechnerisch enthaltenen Anteil an Mineralölsteuer aus Billigkeitsgründen zu erstatten.
Die Klägerin stützte ihren Antrag auf sachliche und auf persönliche Billigkeitsgründe.
Der BdF lehnte den Antrag ab. Er führt aus, daß der Erstattungsantrag, soweit er sich auf Mineralöl beziehe, das die Klägerin bereits versteuert bezogen habe, schon aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt werden müsse, da die Mineralölsteuer bei einem Weiterverkauf versteuerten Mineralöls einen Preisbestandteil bilde, der keinen Bezug mehr zu der früheren Besteuerung habe und dessen Eingang oder Nichteingang ausschließlich im Rahmen des kaufmännischen Risikos liege. Auch im übrigen sei die beantragte Billigkeitsmaßnahme abzulehnen, da sachliche Billigkeitsgründe nicht gegeben seien und auch eine persönliche Billigkeitsmaßnahme nicht gerechtfertigt erscheine.
Die gegen die Ablehnung des Billigkeitsantrags gerichtete Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das FG hielt einen Erlaß aus in den persönlichen Verhältnissen der Klägerin liegenden Gründen für billig, soweit die Klägerin selbst die Steuern entrichtet hatte. Im übrigen wies das FG die Klage ab mit der Begründung, daß eine Billigkeitsmaßnahme nur gegenüber dem Steuerschuldner erfolgen könne, daß die Klägerin aber hinsichtlich des Mineralöls, das sie bereits versteuert bezogen habe, nicht Steuerschuldnerin gewesen sei, und daß auch ihrem Antrag nicht habe entnommen werden können, sie habe die Erstattung zugunsten des Steuerpflichtigen beantragen wollen.
Gegen die Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin.
Die Klägerin führt aus: Materiell verstoße die Entscheidung gegen § 131 AO, da das FG zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß eine Billigkeitsmaßnahme nur zugunsten des Steuerschuldners erfolgen könne. § 131 AO diene der Verwirklichung der steuerlichen Gerechtigkeit. Das setze eine Beziehung zur Person des Steuerschuldners begrifflich nicht voraus. Auch aus dem Wortlaut des § 131 AO ergebe sich nicht, daß die Abgabenvergünstigung nur dem Steuerschuldner zugute kommen solle, da § 131 AO keine Unbilligkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen voraussetze. Daß auch die Belange Dritter, die von der Steuererhebung betroffen seien, bei der Billigkeitsabwägung berücksichtigt werden könnten, sei auch in der Literatur anerkannt (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung / Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., Anm. 13 Abs. 2 zu § 131 AO).
Auf dem Gebiete des Verbrauchsteuerrechts werde der Händler, der eine bereits versteuerte Ware erwerbe, zwar nicht Steuerschuldner. Er trete aber doch mit der Steuer, die ihrem wirtschaftlichen Zweck nach den Verbrauch belasten solle, in Vorlage. Die Steuer werde bestimmungsgemäß mit dem Verkauf auf den Verbraucher als Steuerträger abgewälzt. Sei eine solche Überwälzung der Steuer nicht möglich, so sei für den Händler eine besondere Situation gegeben, die es rechtfertige, eine Billigkeitsmaßnahme zu seinen Gunsten zu treffen, da der Händler mit einer Steuer belastet bleibe, die dem Zweck der Besteuerung nach nicht von ihm getragen werden solle. Demgegenüber sei es unerheblich, daß der Händler nicht selbst Steuerschuldner geworden sei, da bei der durch das StAnpG vorgeschriebenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Belastung durch eine Steuer, die der Händler als Preisbestandteil an den Vorlieferanten entrichtet habe, der Belastung durch eine an die Behörde selbst gezahlte Steuer gleichkomme. Das gelte insbesondere dann, wenn der Betrag, mit dem der Händler belastet bleibe, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in Frage stelle und damit die zulässige Grenze der Besteuerung überschreite.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Zu Unrecht rügt die Klägerin eine Verletzung des § 131 AO.
Es kann dahinstehen, ob der Ausgangspunkt des FG-Urteils zutreffend ist, daß eine Billigkeitsmaßnahme nach § 131 AO nur zum Ausgleich einer unbilligen Härte im Rahmen einer im Einzelfall gegebenen steuerschuldrechtlichen Beziehung gewährt werden kann. Auch wenn man davon ausginge, daß § 131 AO Billigkeitsmaßnahmen zugunsten eines Dritten, der nicht Schuldner des Steueranspruchs gewesen ist, in Sonderfällen zulasse, wäre doch die Entscheidung der Verwaltung, die eine Billigkeitsmaßnahme zugunsten der Klägerin für das von ihr bereits versteuert bezogene Mineralöl aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt hat, nicht ermessensfehlerhaft ergangen; denn auch bei Zugrundelegung dieser weiteren Auslegung des § 131 AO wären die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme zugunsten der Klägerin nicht gegeben.
Die Klägerin ist von der Erhebung der Mineralölsteuer für das Mineralöl, das sie bereits versteuert bezogen hatte, nicht unmittelbar betroffen worden. Die Auffassung der Klägerin, die Entstehung der Mineralölsteuerschuld sei durch ihren Lieferauftrag an das Herstellerwerk verursacht worden, die Steuerschuld habe deshalb von vornherein wirtschaftlich sie getroffen, geht fehl. Die Steuerschuld für das von der Klägerin bezogene Mineralöl ist mit der Entnahme aus dem Herstellungsbetrieb in der Person des Herstellers des Mineralöls entstanden (§ 3 des Mineralölsteuergesetzes - MinöStG -). Ist das Mineralöl über ein Steuerlager einer Vorlieferantin der Klägerin gelaufen, so ist die zunächst bedingt entstandene Mineralölsteuerschuld (§ 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes - MinöStDV -) auf die Vorlieferantin als Inhaberin des Steuerlagers übergegangen (§ 36 Abs. 1 Satz 2 MinöStDV) und mit der Entnahme aus dem Steuerlager in ihrer Person unbedingt geworden (§ 36 Abs. 8 Nr. 1 MinöStDV). In beiden Fällen ist die Klägerin durch die Steuererhebung als solche weder rechtlich noch wirtschaftlich betroffen, denn die Entnahme aus dem Herstellungsbetrieb bzw. aus dem Steuerlager erfolgte ausschließlich in Wahrnehmung eigener Interessen des Herstellers oder der Vorlieferantin. Ein besonderes Geschäftsbesorgungsverhältnis, welches es rechtfertigen könnte, der Entnahme steuerliche oder wirtschaftliche Fremdwirkung beizulegen, bestand zwischen der Klägerin und ihrer Vorlieferantin nicht. Der Liefervertrag stellt jedenfalls ein solches Geschäftsbesorgungsverhältnis nicht dar.
Fehl geht auch die Auffassung der Klägerin, sie sei aufgrund des Liefervertrages wirtschaftliche Eigentümerin des Mineralöls gewesen und als solche von der Erhebung der Mineralölsteuer betroffen worden. Rechtliche Eigentümerin ist die Klägerin erst mit der Übergabe des Mineralöls geworden, die nach der Entnahme des Mineralöls aus dem Herstellungsbetrieb oder aus dem Steuerlager und damit nach der Entstehung der Mineralölsteuerschuld erfolgt ist. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß bereits vor diesem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum auf die Klägerin übergegangen ist. Vor dem Eigentumsübergang standen der Klägerin keinerlei wie auch immer geartete Rechte an dem Mineralöl zu. Betroffen von der Erhebung der Steuer sind somit nicht die Klägerin, sondern der Hersteller oder die Vorlieferantin, in deren Person die Steuerschuld entstanden ist. Die Klägerin ist dagegen als Käuferin bereits versteuerten Mineralöls von der Steuererhebung als solcher nicht betroffen worden. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der von der Klägerin vorgetragene Gesichtspunkt, daß die Mineralölsteuer als Verbrauchsteuer ihre wirtschaftliche Zwecksetzung verfehle, wenn eine Überwälzung der Steuer auf den Verbraucher nicht gelinge und daß es deshalb der finanzpolitischen Zielsetzung des Gesetzes entspreche, in einem solchen Falle die von dem Hersteller oder Händler verauslagte Steuer zu erstatten.
Es liegt im Wesen der indirekten Verbrauchsbesteuerung, daß die Steuer, die letztlich den Verbrauch des steuerpflichtigen Erzeugnisses belasten soll, nicht unmittelbar bei dem Verbraucher als Steuerträger erhoben wird, sondern daß der Steuerentstehungstatbestand vorverlegt wird in den Bereich des Herstellers des steuerpflichtigen Erzeugnisses. Dieses Steuererhebungsverfahren macht zwar eine Überwälzung der Steuer von dem Hersteller auf den Endabnehmer, der als Verbraucher die Steuer tragen soll, erforderlich. Das Mineralölsteuerrecht läßt aber keinen Zweifel daran, daß sich diese Überwälzung der Steuer außerhalb des steuerrechtlich geregelten Bereichs vollzieht. Sie erfolgt in der Form, daß der Gegenwert der beim Übergang in den freien Verkehr erhobenen Steuer kalkulatorisch in den Preis der Ware eingeht und beim Weiterverkauf als Preisbestandteil weitergegeben wird. Damit ist das Risiko der Abwälzung der Steuer als Preisbestandteil aus dem steuerrechtlichen Bereich ausgeschieden und in den Bereich des allgemeinen kaufmännischen Risikos einbezogen worden. Die Auffassung der Klägerin, sie habe bef dem Erwerb der versteuerten Ware die Steuern vorgelegt und sie sei infolge des Forderungsausfalles mit der Steuer belastet geblieben, geht demnach fehl. Die Klägerin hat bei dem Erwerb der Ware keine Steuer entrichtet oder getragen, sondern nur den Preis für die versteuerte Ware gezahlt. Wenn auch in diesem Preis die von den Vorlieferanten entrichtete Steuer rechnerisch enthalten ist, so kann dies doch rechtlich auch im Billigkeitswege keine Berücksichtigung finden, da durch das System der indirekten Verbrauchsbesteuerung die Überwälzung der Steuer von dem Hersteller auf den Verbraucher aus dem steuerlichen Bereich ausgeklammert worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 71365 |
BStBl II 1975, 462 |
BFHE 1975, 2 |