Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA-USA 1954/65: Abweichende Definition von "Unternehmen" und "gewerbliche Gewinne", Zinsen keine gewerblichen Gewinne, Voraussetzung des Betriebsstättenvorbehalts - hier: Keine Steuerbefreiung im Inland für Einkünfte aus der Vermögensverwaltung einer US-amerikanischen Personengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Das DBA-USA 1954/65 definiert abweichend von anderen Abkommen den Ausdruck "Unternehmen" in Art.II Abs.1 Buchst.d und f als eine "gewerbliche Unternehmung" und den Ausdruck "gewerbliche Gewinne" in Art.III Abs.5 als Einkünfte eines Unternehmens aus der aktiven Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, der jedoch nicht die in Art.VII Abs.1 und 2 DBA-USA 1954/65 genannten Zinsen umfaßt.
2. Alle begrifflich unter Art.VII Abs.1 DBA-USA 1954/65 zu subsumierenden Zinsen sind keine "gewerblichen Gewinne" i.S. des Art.III DBA-USA 1954/65.
3. Die Anwendung des Art.VII Abs.3 DBA-USA 1954/65 setzt ein Unternehmen und eine feste Geschäftseinrichtung voraus, in der die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
4. An der Existenz eines Unternehmens und damit auch einer Betriebsstätte fehlt es begrifflich, wenn keine "aktive gewerbliche Tätigkeit" ausgeübt und lediglich Einkünfte i.S. der Art.VII Abs.1 und 2 (Zinsen), Art.IX (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen) und/oder Art.IX A Abs.1, 2 und 4 DBA-USA 1954/65 (Veräußerungsgewinne) erzielt werden.
Normenkette
DBA USA Art. 15 Abs. 1 Buchst. b D Buchst. A, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, d, f., Art. 3 Abs. 5, Art. 7 Abs. 1-3, Art. 9a Abs. 1-2, 4; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person, war im Streitjahr 1988 mit einer Beteiligung von 99 v.H. als sog. limited Partner an der X Holdings Ltd. (kurz: Ltd.), einer nach dem Recht des US-Staates Georgia gegründeten Mitunternehmerschaft beteiligt, die mit einer deutschen KG vergleichbar ist. Weiterer Gesellschafter der Ltd. war eine ebenfalls nach dem Recht des US-Staates Georgia gegründete Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsanteile die Klägerin zu 100 v.H. hielt. Das Gesellschaftsvermögen der Ltd. bestand im wesentlichen aus vermietetem Grundvermögen (drei Immobilien, von denen eine nur zu 67 v.H. im Eigentum der Ltd. stand). Daneben hielt die Ltd. erhebliches liquides Kapital, aus dessen Anlage sie Zinsen erwirtschaftete. Die Klägerin macht geltend, die Ltd. habe in den Jahren 1989 und 1990 Verhandlungen über den Verkauf der Immobilie geführt, die nur zu 67 v.H. in ihrem Eigentum gestanden habe. Nach dem Scheitern dieser Verhandlungen habe sie in 1991 die restlichen 33 v.H. entgeltlich erworben. Der Kaufpreis sei aus den liquiden Mitteln bezahlt worden.
Die Klägerin erklärte für das Streitjahr 1988 einen anteiligen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM. Sie beantragte, den Verlust unter Beachtung des negativen Progressionsvorbehaltes im Inland steuerfrei zu behandeln. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ einen Einkommensteuerbescheid 1988 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, in dem der Verlust weder bei den Einkünften noch bei der Progression berücksichtigt wurde.
Nach einer Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, daß die Ltd. nur vermögensverwaltend tätig geworden sei. Die von ihr erzielten und anteilig auf die Klägerin entfallenden Zinseinkünfte und Spekulationsgewinne in Höhe von 534 479 DM seien gemäß Art. VII und IX des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 i.d.F. des Protokolls vom 17. September 1965 --DBA-USA 1954/65-- (BGBl II 1965, 1611) nur in Deutschland zu besteuern. Dadurch erhöhte sich der als steuerfrei zu behandelnde Verlust aus der Vermietungstätigkeit auf 1 016 338 DM. Das FA erließ am 11. Februar 1994 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1988.
Der Einspruch und die Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 987 abgedruckt.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Art. II Abs. 1 und III Abs. 1 i.V.m. Art. VII Abs. 3 DBA-USA 1954/65.
Sie beantragt, das Urteil aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid 1988 vom 4. Oktober 1995 zu ändern und die Einkommensteuer 1988 auf 12 547 574 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist eine natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz hat, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erfaßt alle in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland erzielt werden. Zu den sachlich steuerpflichtigen Einkünften gehört der Gewinnanteil des Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Kommanditgesellschaft nach in- oder nach ausländischem Recht errichtet wurde oder ob sie im In- oder Ausland gewerblich tätig ist.
Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt, daß die Klägerin eine natürliche Person ist, die im Streitjahr 1988 einen Wohnsitz im Inland hatte. Sie war damit für 1988 unbeschränkt steuerpflichtig. Die Klägerin war an einer nach dem Recht des US-Staates Georgia errichteten Ltd. beteiligt. Diese entspricht im wesentlichen einer deutschen KG. Unbeschränkt haftender Gesellschafter der Ltd. war eine nach dem Recht des US-Staates Georgia errichtete Kapitalgesellschaft. Damit erfüllte die Ltd. alle in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen. Entsprechend erzielte die Klägerin in der Form ihres Gewinnanteils an der Ltd. sachlich steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
2. Diese Einkünfte waren in Deutschland nicht von der Einkommensteuer befreit. Als Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Steuerbefreiung kommt nur Art. XV Abs. 1 Buchst. b aa DBA-USA 1954/65 in Betracht. Die nach dieser Vorschrift eintretende Steuerbefreiung in Deutschland setzt voraus, daß die Einkünfte aus Quellen in den USA stammen und daß sie nach dem DBA-USA 1954/65 nicht in den USA steuerbefreit sind. Letztere Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerin auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG anteilige Zinsen i.S. des Art. VII Abs. 1 und anteilige Spekulationsgewinne i.S. des Art. IX A Abs. 1 DBA-USA 1954/65 erzielte, die nach den genannten Vorschriften in den USA jeweils steuerbefreit sind.
3. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, gewerbliche Gewinne eines Unternehmens i.S. des Art. III Abs. 1 DBA-USA 1954/65 erzielt zu haben, für das eine Betriebsstätte nur in den USA bestehe.
a) Das DBA-USA 1954/65 definiert abweichend von anderen Abkommen den Ausdruck deutsches "Unternehmen" in Art. II Abs. 1 Buchst. d und f als eine "gewerbliche Unternehmung", die von einer natürlichen Person (ggf. als Gesellschafter einer Personengesellschaft) mit Wohnsitz in Deutschland ausgeübt wird, und den Ausdruck "gewerblicher Gewinn" in Art. III Abs. 5 als Einkünfte eines Unternehmens aus der aktiven Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, der jedoch nicht die in Art. VII Abs. 1 und 2 DBA-USA 1954/65 genannten Zinsen umfaßt. Damit sind alle begrifflich unter Art. VII Abs. 1 DBA-USA 1954/65 zu subsumierenden Zinsen keine "gewerblichen Gewinne" i.S. des Art. III DBA-USA 1954/65. Aufgrund der Vorrangigkeit der Abkommensdefinition kann auf § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht zurückgegriffen werden. Entsprechendes gilt für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nach Art. IX DBA-USA 1954/65 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 1978 I R 136/77, BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494) und Gewinne gemäß Art. IX A Abs. 1, 2 und 4 DBA-USA 1954/65. Unter Art. VII Abs. 1 DBA-USA 1954/65 fallen aber Zinsen aus Obligationen, Kassenscheinen, Schuldverschreibungen, Wertpapieren oder anderen Schuldverpflichtungen (einschließlich der durch Hypotheken oder andere Grundpfandrechte gesicherten Schulden), die eine natürliche Person mit Wohnsitz in Deutschland bezieht. Der Anwendungsbereich des Art. VII DBA-USA 1954/65 ist damit weit gezogen. Er umfaßt alle Zinsen aus Darlehen, Bankguthaben und Kreditgeschäften im zivilrechtlichen Sinne. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG waren die im Streitfall erzielten Zinsen solche i.S. des Art. VII DBA-USA 1954/65. Sie wurden von der Klägerin als einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person "bezogen". Der Ausdruck "bezogen" ist gemäß Art. II Abs. 2 DBA-USA 1954/65 nach deutschem innerstaatlichen Steuerrecht zu bestimmen, weil Deutschland der sog. Anwenderstaat ist. Abzustellen ist auf §§ 2 Abs. 1 und 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Klägerin bezog die im Streitfall interessierenden Zinsen, weil sie ihr steuerrechtlich in der Form des Gewinnanteils (vgl. oben II.1.) zuzurechnen sind.
b) Zu beachten ist allerdings, daß die Anwendung des Art. VII Abs. 1 DBA-USA 1954/65 unter den Voraussetzungen des Abs. 3 ausgeschlossen ist. Die Anwendung des Art. VII Abs. 3 DBA-USA 1954/65 setzt indes die Existenz einer Betriebsstätte in den USA voraus. Nach Art. II Abs. 1 Buchst. c aa DBA-USA 1954/65 erfordert eine Betriebsstätte in den USA eine dort befindliche feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Damit verweist Art. II Abs. 1 Buchst. c aa DBA-USA 1954/65 wieder auf Art. III Abs. 5. An der Existenz eines Unternehmens und damit auch der Betriebsstätte eines Unternehmens fehlt es begrifflich, wenn keine "aktive gewerbliche Tätigkeit" ausgeübt und lediglich Einkünfte i.S. der Art. VII Abs. 1 und 2 (Zinsen), Art. IX (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen) und/oder Art. IX A Abs. 1, 2 und 4 DBA-USA 1954/65 (Veräußerungsgewinne) erzielt werden. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt, weil die in den USA gegründete Ltd. lediglich Vermögensverwaltung betrieb. Sie erzielte keine Einkünfte aus einer aktiven gewerblichen Tätigkeit, sondern nur Zinsen, Spekulationsgewinne und Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Auf der Grundlage der Definition des Art. III Abs. 5 DBA-USA 1954/65 scheidet damit die Annahme sowohl eines Unternehmens als auch einer gewerblichen Tätigkeit als auch einer Betriebsstätte in den USA aus. Art. VII Abs. 3 DBA-USA 1954/65 ist unanwendbar. Es verbleibt bei der Anwendung des Art. VII Abs. 1 DBA-USA 1954/65. Damit sind die Zinsen in den USA mit der Folge steuerbefreit, daß die Steuerbefreiung nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b aa DBA-USA 1954/65 nicht eingreift.
c) Sind aber die Voraussetzungen der Art. VII Abs. 3 und IX A Abs. 3 DBA-USA 1954/65 nicht erfüllt, so ist das FG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin bezogenen Gewinnanteile in Deutschland nicht steuerbefreit sind. Die Vorentscheidung verletzt kein Bundesrecht. Die gegen sie gerichtete Revision ist unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 66391 |
BFH/NV 1998, 767 |
BFH/NV 1998, 767-768 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 296 |
BFHE 185, 216 |
BFHE 1998, 216 |
BB 1998, 781 |
DB 1998, 1013 |
DStRE 1998, 357 |
DStRE 1998, 357-358 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 367 |
HFR 1998, 467 |
StE 1998, 218 |