Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch eines zusammenveranlagten Ehegatten bei späterer getrennter Veranlagung
Leitsatz (NV)
1. Zum Verhältnis zwischen § 47 Abs. 3 EStG a. F. (§ 36 Abs. 4 EStG n. F.) und § 37 Abs. 2 AO 1977.
2. Besteht die Ehe und leben die zusammenveranlagten Eheleute nicht dauernd getrennt, so ist mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft -- ungeachtet ihres Güterstandes, der für die Zusammenveranlagung keine Rolle spielt --, anzunehmen, daß jeder der Ehegatten mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammenveranlagten Ehepartners begleichen wollte. In diesem Fall sind beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen.
3. Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind die Umstände, wie sie im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Spätere Ereignisse wie die später beantragte und durchgeführte getrennte Veranlagung sind nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § 44 Abs. 1; BGB § 130 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 4 n. F, § 47 Abs. 3 a. F
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Witwe des 1971 verstorbenen B. Sie und ihre Tochter sind die alleinigen Erben des B. Die Eheleute waren aufgrund der von ihnen abgegebenen Einkommensteuererklärungen zusammen veranlagt worden. Hierbei hatte die Einkommensteuerveranlagung 1970 aufgrund des Einkommensteuerbescheides vom ... 1974 eine Nachforderung ergeben, während die Einkommensteuerveranlagungen 1971 und 1972 mit erheblichen Überzahlungen abgeschlossen hatten. Das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) hatte zunächst diese Guthabenbeträge u. a. mit dem Nachforderungsbetrag betreffend Einkommensteuerveranlagung 1970 aufgerechnet. Am ... 1982 hatte das FA den Einkommensteuerbescheid 1970 aufgrund eines geänderten Feststellungsbescheides betreffend die Einkünfte der Firma ... (Fa. G-KG), an der die Klägerin als Kommanditistin beteiligt gewesen war, geändert. In diesem Bescheid wurden die Eheleute ebenfalls zusammen veranlagt und die Einkommensteuer 1970 auf ... DM und die Ergänzungsabgabe 1970 auf ... DM festgesetzt. Die Zusammenveranlagung entsprach dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1970 und der Einkommensteuererklärung 1970 vom ... 1974. Bereits 1980 hatte die Klägerin die getrennte Veranlagung beantragt, die das FA aber erst mit inzwischen bestandskräftigen Bescheiden vom ... 1992 und vom ... 1993 durchführte. Danach schuldete die Klägerin ... DM Einkommensteuer 1970 und ... DM Ergänzungsabgabe 1970.
Unter dem ... 1993 erteilte das FA seiner Finanzkasse die Anweisung, aus dem Zusammenveranlagungskonto der Eheleute B auf das Konto von Herrn B und auf das Konto der Klägerin jeweils ... DM für Einkommensteuer 1970 und ... DM für Ergänzungsabgabe 1970 gutzuschreiben. Unter dem ... 1993 erließ das FA aufgrund des der Klägerin erteilten getrennten Veranlagungsbescheides betreffend Einkommensteuer 1970 den angefochtenen Abrechnungsbescheid gegen die Klägerin. Danach schuldete die Klägerin noch ... DM Einkommensteuer 1970 und ... DM Ergänzungsabgabe 1970.
Das Finanzgericht (FG) erachtete die dagegen gerichtete Klage aus den im wesentlichen in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 42 wiedergegebenen Gründen nicht für begründet. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Nach § 47 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für 1970 geltenden Fassung seien auf die Einkommensteuerschuld die für den Veranlagungszeitraum entrichteten Vorauszahlungen anzurechnen. Es hätte daher festgestellt werden müssen, welche Vorauszahlungen die Klägerin für den Veranlagungszeitraum auf die Einkommensteuerschuld geleistet habe. Dem sei das FA nicht gerecht geworden, indem es 50 % der von den Eheleuten entrichteten Zahlungen in dem Abrechnungsbescheid für die Klägerin angesetzt habe.
Die §§ 122 ff. und §§ 150 ff. der Reichsabgabenordnung (AO) seien verletzt. Durch Zahlung erlösche die Steuerschuld. Hierfür sei Voraussetzung, daß die Zahlung auch dem Steuerschuldner und nicht einer anderen Person gutgebracht werde. Ergebe sich aus der Anrechnung der vom Steuerpflichtigen geleisteten Zahlungen ein Erstattungsanspruch, so stehe dieser Erstattungsanspruch auch dem Steuerpflichtigen zu. Im Falle der Einkommensteuerzahlung durch Ehegatten, die Gesamtschuldner seien, sei derjenige Ehegatte erstattungsberechtigt, der den zu erstattenden Betrag, den er mitschulde, gezahlt habe. Dies gelte auch, wenn an die Stelle einer Zusammenveranlagung später im Berichtigungsweg getrennte Veranlagungen getreten seien.
Ferner sei § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) verletzt. Das FA sei dieser Vorschrift nicht gerecht geworden, weil es einfach 50 % der von der Klägerin und B gezahlten Beträge als auf Rechnung der Klägerin gezahlt unterstellt habe. Es hätte vielmehr die anzurechnenden Zahlungen im einzelnen untersuchen müssen. Die Zahlungen der Klägerin von jährlich jeweils ... DM habe sie nur auf ihre Steuerschuld geleistet. Es sei im erst instanzlichen Verfahren nachgewiesen worden, daß die Fa. G-KG, an der nur die Klägerin als Kommanditistin, nicht aber ihr verstorbener Ehemann (B) beteiligt gewesen sei, die Vorauszahlungen zweckgebunden zur Abdeckung der Steuer auf den Gewinnanteil der Klägerin an dieser Firma geleistet habe. Nur zur Erleichterung für die Finanzkasse seien die Zahlungen zunächst an die Firma ... (Fa. B) überwiesen worden, damit diese die fälligen Steuerbeträge für sie und ihren Ehemann als einheitliche Zahlung habe leisten können. Entgegen der Auffassung des FG ergebe sich aus der rückwirkenden Aufhebung des zwischen den Eheleuten vereinbarten Güterstandes der Gütertrennung kein Indiz dafür, daß die Klägerin mit ihren Vorauszahlungen auch die Steuerverpflichtungen ihres verstorbenen Ehemannes habe erfüllen wollen; es komme ausschließlich auf den im Zeitpunkt der Zahlungen bestehenden Güterstand an. Das FG habe ferner nicht berücksichtigt, daß die Umbuchung von Einkommensteuer und Ergänzungsabgabe 1970 auf von der Fa. B geschuldete Gewerbesteuer der Klägerin nicht zu 50 % angelastet werden könnten, weil sie die Gewerbesteuer nicht geschuldet habe. Schließlich könnten die erheblichen aus dem Einkommensteuerguthaben 1971 erfolgten Umbuchungen nur dem Erstattungsberechtigten angerechnet werden. Dies könne nicht einfach dadurch geschehen, daß der Klägerin 50 % des Guthabens angerechnet würden.
Die Begründung der Auffassung, daß die durch die Klägerin geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen für 1970 und 1971 für Rechnung beider Eheleute gezahlt worden seien, mit der ehelichen Verbindung zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) komme in seinem Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 494/82 und 47/83 (BVerfGE 69, 188) zu dem Schluß, daß es mit dem GG nicht vereinbar sei, wenn Ehegatten -- im Gegensatz zu anderen Vertragspartnern -- gezwungen würden, eine allein aus der Eheschließung abgeleitete Lebenserfahrung zu widerlegen, um eine Steuerpflicht auszuräumen. Dagegen verstoße die Annahme, wonach jeder der Ehegatten mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen wolle. Im Zweifel sei vielmehr davon auszugehen, daß jeder Gesamtschuldner nur seine eigene Schuld tilge und daher bei Überzahlung erstattungsberechtigt sei.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.
Das FA halte an seiner, vom FG bestätigten Auffassung fest, daß die Zahlungen von 2 x ... DM die gemeinsame Steuerschuld der Eheleute abdecken sollten. Eine Verletzung des § 47 EStG 1970 sei nicht ersichtlich. Die auf das Gewerbesteuerkonto der Fa. B gebuchten Zahlungen seien in Höhe von ... DM an die Klägerin zurückgezahlt worden. Soweit die Klägerin die Verletzung "der §§ 122 ff. und 150 ff. RAO" rüge, genüge dies nicht dem Erfordernis der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG dessen Entscheidung nicht im vollen Umfang tragen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Zu Recht hat das FG erkannt, daß die von der Klägerin auf die Einkommensteuer 1970 und 1971 geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von jeweils ... DM für Rechnung beider Eheleute mit der Folge bewirkt worden sind, daß beide nach § 37 Abs. 2 AO 1977 anrechnungs- bzw. erstattungsberechtigt sind und der Erstattungsbetrag daher insoweit nach Köpfen aufzuteilen ist.
a) Das FG hat bei seinen Erwägungen rechtsfehlerfrei weder § 47 EStG a. F. noch §§ 122 ff., §§ 150 ff. AO, sondern nur § 37 Abs. 2 AO 1977 berücksichtigt.§
47 Abs. 3 EStG a. F. ist im Streitfall ebenso wie § 36 Abs. 4 EStG n. F. nicht einschlägig, weil es nicht um die Rückzahlung eines etwa zugunsten der Klägerin bestehenden Überschusses im Erhebungsverfahren für ihre getrennt veranlagte Einkommensteuer 1970 geht. Vielmehr ist hier streitig, ob und in welcher Höhe sich im Abrechnungsbescheid über die Einkommensteuer 1970 nach getrennter Veranlagung unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen und der Umbuchung von Guthaben aus dem Jahr 1971 Erstattungsansprüche der Klägerin ergeben. Dafür ist aber allein die in § 37 Abs. 2 AO 1977 getroffene Regelung maßgebend, weil diese den Erstattungsberechtigten bestimmt.
Die zum Zeitpunkt der Leistung vor 1977 geltenden, nunmehr durch § 37 Abs. 2 AO 1977 ersetzten Regelungen der AO, insbesondere § 151 AO, sind im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin auf den Streitfall nicht anzuwenden. Die Klägerin beantragte die getrennte Veranlagung im Jahre 1980. Diese wurde mit den Bescheiden vom ... 1992 und ... 1993 durchgeführt. Auch das Abrechnungsverfahren wurde mit dem Abrechnungsbescheid vom ... 1993 erst nach Inkrafttreten der AO 1977 -- am 1. Januar 1977 -- in Gang gesetzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die bereits vor Inkrafttreten der AO 1977 geleisteten Steuervorauszahlungen auf die Einkommensteuer 1970 und 1971 und die für diese Jahre ergangenen Steuerbescheide -- unabhängig von dem erst später durchgeführten Abrechnungsverfahren -- davon auszugehen ist, daß schon vor Inkrafttreten der AO 1977 Verwaltungsverfahren i. S. von Art. 97 § 1 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) "anhängig" waren. Denn auch für die bei Inkrafttreten des EGAO 1977 bereits anhängigen Verfahren sind die Vorschriften der AO 1977 anzuwenden, soweit das EGAO 1977 keine entgegenstehenden Regelungen enthält (vgl. zu § 160 AO 1977, Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. August 1989 I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995). Das ist in bezug auf § 37 AO 1977 nicht der Fall.
b) Rechtsfehlerfrei hat die Vorinstanz in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (BFH-Urteile vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, und vom 4. April 1995 VII R 82/94, BFHE 177, 224, BStBl II 1995, 492) ausgeführt, daß nach § 37 Abs. 2 AO 1977 nur derjenige erstattungsberechtigt ist, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, und daß dies auch für den Fall gilt, daß einer von mehreren Gesamtschuldnern gezahlt hat. Gesamtschuldner sind auch die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute (§ 26 b EStG i. V. m. § 7 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes, nunmehr § 44 Abs. 1 AO 1977). Erstattungsberechtigter ist demnach grundsätzlich der Ehegatte, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, von welchem der Ehegatten und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist. Entscheidend ist nach § 37 Abs. 2 AO 1977 allein, wessen Steuerschuld nach dem dem FA erkennbaren Willen des zahlenden Ehegatten getilgt werden sollte. Dem FA wird damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem leistenden und dem anderen Gesamtschuldner-Ehegatten daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen im Innenverhältnis auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat (BFH in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, m. w. N.).
Läßt sich aus den dem FA bei Zahlung erkennbaren Umständen nicht entnehmen, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner begleichen wollte, so wird im allgemeinen angenommen, daß der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 37 AO 1977 Rz. 41; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 37 AO 1977 Rz. 20). Anders ist dies jedoch nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile in BFHE 177, 224, BStBl II 1995, 492, 494, und in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41), wenn ein Ehegatte die Zahlung auf die Gesamtschuld zusammenveranlagter Eheleute bewirkt. Besteht die Ehe und leben die Eheleute nicht dauernd getrennt, was nach § 26 EStG Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, so ist mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschafts gemeinschaft (vgl. Seeger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 26 Rz. 10) -- ungeachtet ihres Güterstandes, der für die Zusammenveranlagung keine Rolle spielt -- anzunehmen, daß jeder der Ehegatten mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammenveranlagten Ehepartners begleichen wollte. Daraus folgt, daß ggf. beide Ehe gatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (Urteile in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, und in BFHE 177, 224, BStBl II 1995, 492; Boeker, a.a.O., § 37 AO 1977 Rz. 44; Hoffmann in Koch/Scholz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 37 Rz. 13; Tipke/Kruse, a.a.O., § 37 AO 1977 Rz. 20 b).
Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Anders als in dem der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 69, 188) zugrundeliegenden Sachverhalt geht es im Streitfall zunächst nicht um die Voraussetzungen für einen bestimmten Steuertatbestand (in dem vom BVerfG entschiedenen Fall: Gewerbesteuerpflicht der Besitzgesellschaft bei Betriebsaufspaltung), auf deren Vorliegen dort allein wegen der ehelichen Verbindung der beteiligten Gesellschafter geschlossen wurde. Vielmehr ist hier über die bei der Zahlung eines jeden Ehegatten als rein tatsächlichem Vorgang anzunehmende Tilgungsabsicht und die sich daraus ergebende Bestimmung der Person des Leistenden im Steuererhebungsverfahren zu entscheiden. Zwar darf auch insoweit das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu einer Benachteiligung der Ehegatten gegenüber anderen führen, indem -- mangels entgegenstehender ausdrücklicher Bekundungen des leistenden Ehegatten -- allein aus der ehelichen Verbindung auf eine bestimmte Tilgungsabsicht des Leistenden geschlossen wird (vgl. BVerfGE 69, 188, 205). Dennoch können aber andere Umstände, die zu dem der ehelichen Verbindung hinzutreten, eine Differenzierung gegenüber anderen Betroffenen rechtfertigen (vgl. BVerfGE 69, 188, 208).
Die Annahme, daß der zahlende Ehegatte mit der Absicht leistet, auch die Steuerschulden des anderen Ehegatten zu begleichen, ergibt sich im Streitfall nicht allein aus der ehelichen Verbindung der Steuerpflichtigen, sondern daraus, daß die Eheleute die Zusammenveranlagung beantragt haben und daß mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden kann, daß zwischen ihnen im Zeitpunkt der Zahlung eine enge Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestand. Durch diesen besonderen Umstand, der zu der Tatsache der ehelichen Verbindung hinzutritt, unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von der allein durch die eheliche Verbindung zwischen Gesellschaftern begründeten Interessenlage, über die das BVerfG im Falle der Betriebsaufspaltung zu entscheiden hatte. Die Annahme, daß der leistende Ehegatte seine Leistung zugleich auch für den anderen Ehegatten erbringt, falls nicht ausdrücklich etwas anderes erklärt wird oder sich dies für das FA sonst aus den Umständen erkennbar ergibt, verstößt deshalb, weil sie in der Regel ehefreundlich ist, nicht gegen die genannten Grundrechte der steuerpflichtigen Eheleute.
Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind dabei die Umstände, wie sie dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Dies gilt sowohl für den Fall, daß -- wie im Streitfall -- keine ausdrückliche Erklärung des Zahlenden über die beabsichtigte Zurechnung der Zahlung vorliegt und das FA daher die mutmaßliche Absicht des Zahlenden aus den ihm erkennbaren Umständen entnehmen muß, als auch für den Fall einer ausdrücklichen Bestimmung über den Zahlungszweck. Liegt eine ausdrückliche Bestimmung darüber vor, für wessen Rechnung die Zahlung bewirkt werden soll, so wird diese als empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 130 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit ihrem Zugang beim FA wirksam (vgl. BFH in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41). Spätere Ereignisse können den Sinn der Erklärung nicht mehr beeinflussen; eine Willenserklärung kann nicht im Zeitpunkt, zu dem sie wirksam wird, einen bestimmten und später einen anderen Sinn haben (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 1988 V ZR 49/87, Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 133 [B] BGB Nr. 30). Dies muß ebenso für den Fall gelten, daß -- wie im Streitfall -- keine ausdrückliche Erklärung des Zahlenden über die beabsichtigte Zurechnung der Zahlung vorliegt und das FA daher die mutmaßliche Absicht des Zahlenden aus den ihm erkennbaren Umständen entnehmen muß. Auch in diesem Fall können nur die im Zeitpunkt der Zahlung gegebenen, nicht aber erst später eintretenden Umstände berücksichtigt werden.
c) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG zutreffend erkannt, daß die von der Klägerin auf die Einkommensteuer 1970 und auf die Einkommensteuer 1971 (spätere Umbuchung dieses Guthabens), zu der die Eheleute zunächst zusammenveranlagt worden waren, geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von je ... DM für Rechnung beider Ehegatten erbracht worden sind. Denn nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden erstinstanzlichen Feststellungen gibt es keine -- dem Zahlungsempfänger erkennbaren -- Anhaltspunkte dafür, daß die zum Zeitpunkt der Zahlung nicht dauernd von B getrennt lebende Klägerin (§ 26 EStG) ihre Leistungen -- entgegen der bei zusammen veranlagten Eheleuten üblicherweise zu unterstellenden Absicht -- nur für eigene Rechnung erbringen wollte. Insbesondere der Umstand, daß die Fa. G-KG die dem Privatkonto der Klägerin bei der Gesellschaft belasteten Einkommensteuervorauszahlungen nicht unmittelbar dem FA, sondern zunächst an die Fa. B überwiesen hat, und sie von dieser Firma, an der beide Ehegatten beteiligt waren, zusammen mit den gesamten Einkommensteuervorauszahlungsschulden jeweils in einer Summe an das FA gezahlt wurden, bestätigt die Annahme, daß jedenfalls aus der Sicht des FA als Zahlungsempfänger mit der Zahlung insgesamt die Steuerschulden beider Ehegatten getilgt werden sollten. Allein die Tatsache, daß die Klägerin die Vorauszahlungen nach den Feststellungen des FG aus ihrem eigenen Vermögen -- also auf eigene Kosten -- erbracht hat, rechtfertigt -- wie oben unter 1 Buchst. b) ausgeführt -- nicht die Annahme, daß sie allein für eigene Rechnung -- d. h. nur zur Begleichung der eigenen Steuerschuld -- erbracht werden sollten.
Auch der Umstand, daß die Ehegatten nachträglich getrennt zur Einkommensteuer und Ergänzungsabgabe 1970 veranlagt wurden, vermag zu keiner anderen Beurteilung der mit den davor erfolgten Vorauszahlungen verbundenen Absicht der Klägerin führen. Denn wie ebenfalls bereits ausgeführt (oben 1 Buchst. b), läßt sich die mit der Zahlung verfolgte Tilgungsabsicht nur nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Zahlung beurteilen. Spätere Ereignisse wie etwa die erst 1980 beantragte und schließlich 1992/1993 durchgeführte getrennte Veranlagung eignen sich nicht dafür, zur Auslegung der früher wirksam gewordenen Erklärung über den Zahlungszweck oder zur Ermittlung einer mutmaßlichen -- früheren -- Absicht des Zahlenden herangezogen zu werden.
2. Gleichwohl muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Der Umstand, daß die Klägerin -- wie vom FG rechtsfehlerfrei erkannt -- keinen Anspruch auf Anrechnung bzw. Erstattung des Gesamtbetrages der von ihr bewirkten Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt ... DM, sondern insoweit nur einen Anspruch auf den nach Köpfen aufgeteilten Teil, d. h. auf insgesamt ... DM hat, rechtfertigt jedenfalls nicht die Zurückweisung der Klage durch das FG im vollen Umfang.
Die Klägerin hat nämlich behauptet, daß sie außer den Ansprüchen, über die das FG ausdrücklich entschieden hat, weitere Anrechnungs- bzw. Erstattungsansprüche habe, die insgesamt -- im Gegensatz zu dem angefochtenen Abrechnungsbescheid -- zu einem Einkommensteuererstattungsanspruch in Höhe von ... DM und zu einer niedrigeren Ergänzungsabgabeschuld in Höhe von ... DM führten. Hierzu hat sie bereits im Einspruchs- und Klageverfahren entsprechende Aufstellungen vorgelegt, aus denen sich ergeben soll, daß der umgebuchte Überschuß der Leistungen über die für 1971 festgesetzte Einkommensteuer und Ergänzungsabgabe anders als nach Köpfen aufzuteilen sei und daß die Umbuchungen auf die Gewerbesteuer 1970 der Fa. B nur von dem Erstattungsanspruch des verstorbenen Ehegatten abzuziehen seien. Bezüglich dieser Beträge hat das FG -- abgesehen von der in der Umbuchung von Einkommensteuer 1971 enthaltenen aus dem Vermögen der Klägerin auf die Einkommensteuer 1971 geleisteten Vorauszahlungen von ... DM -- keine tatsächlichen Feststellungen getroffen und insoweit in seinem Urteil auch keine Rechtsausführungen gemacht.
Der Senat kann daher im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht durcherkennen. Das FG muß fehlende Feststellungen nachholen und danach unter Berücksichtigung der noch nachzuholenden Feststellungen über die Sache entscheiden.
Fundstellen