Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die überlassung von Konstruktionszeichnungen und Plänen für bestimmte technische Bauvorhaben ist eine sonstige Leistung.
Normenkette
UStG § 3/1, § 3/8, § 16/2; UStDB § 2
Tatbestand
Streitig ist lediglich, ob die überlassung technischer Zeichnungen und Beschreibungen an ausländische Abnehmer eine sonstige Leistung ist oder eine Lieferung darstellt, für die der Steuerpflichtigen nach § 16 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Ausfuhrvergütung zusteht. Das Finanzamt hat für den Vergütungszeitraum viertes Vierteljahr 1952, in dem die Steuerpflichtige zwei ausländischen Abnehmern Zeichnungen für die Errichtung von Verzinkungsanlagen überlassen hat, sonstige Leistungen angenommen und den Vergütungsantrag abgelehnt.
Im Berufungsverfahren hatte die Steuerpflichtige Erfolg. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß die Abnehmer nur auf die Zeichnungen Wert legen, mit deren Hilfe sie die Anlagen erstellen könnten; es handle sich daher nicht um eine sonstige Leistung geistiger Arbeit, die ihren stofflichen Ausdruck in der Zeichnung finde.
Entscheidungsgründe
Die gegen die Zubilligung von Ausfuhrvergütung gerichtete Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Ausfuhrvergütung kommt nur für Lieferungen in Betracht. Eine Lieferung nach § 3 UStG liegt jedoch nicht vor. Der Lieferungsbegriff ist ein dem Umsatzsteuerrecht eigentümlicher Begriff, auf den allein das UStG anzuwenden ist. Der Begriff hat, wie die Entstehungsgeschichte des UStG zeigt, einen von der sonstigen Gesetzessprache und auch vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Sinn erhalten (vgl. schon Gutachten des Reichsfinanzhofs II D 7/19 vom 20. Juni 1919, Slg. Bd. 1 B S. 40 und Popitz UStG 3. Aufl. zu § 5 III 1 und 2 S. 665/666). Für die Auslegung des § 3 UStG sind deshalb auch nur umsatzsteuerliche Gesichtspunkte maßgebend (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 219/53 U vom 1. Juli 1954, Slg. Bd. 59 S. 151, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 267).
Es ist zwar richtig, daß Gegenstand einer Lieferung jeder körperliche Gegenstand sein kann, über den dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird. Ein Gegenstand ist auch das mit den Konstruktionszeichnungen versehene Papier, dessen wirtschaftliche Bedeutung jedoch hinter den in den Zeichnungen und Anleitungen steckenden Kenntnissen und Erfahrungen wesentlich zurücktritt. Es ist nicht so, wie die Steuerpflichtige meint, daß dies nur dann zuträfe, wenn mit den Zeichnungen urheberrechtlich oder sonst gesetzlich geschützte gewerbliche Rechte, Patente oder Gebrauchsmuster übertragen würden. Die wirtschaftlich überwiegende Bedeutung kann auch in nicht geschützten Erfahrungen und technischen Kenntnissen liegen, auf die es hier den Abnehmern ankommt, ohne daß deshalb das Papier als solches als ein stoffliches Werk an sich angesehen werden kann, das selbständig Gegenstand des Handelsverkehrs sein könnte. Dies geht deutlich aus den Bestellschreiben der Firmen hervor, in denen u. a. von technischen Ratschlägen, "Lieferungen" der benötigten Pläne für bestimmte Anlagen, in denen aber auch von übertragung von Rechten und Honorar für die "Dienstleistungen" gesprochen wird. Das gesamte Umsatzgeschäft, dessen Umfang sich aus den Bestellschreiben ergibt, ist auch bei Aufteilung des Entgelts einheitlich nach seiner überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung zu beurteilen und kann nicht in seine Bestandteile etwa mit dem Hinweis zerlegt werden, daß es sich teilweise nur um Kundendienst handle (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs V a 450/30 vom 13. Februar 1931, Reichssteuerblatt - RStBl - 1931 S. 290). Zu der letztgenannten Entscheidung sei bemerkt, daß § 13 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1926 in der Fassung der Verordnung zur änderung der Durchführungsbestimmungen vom 30. Januar 1932 (Reichsgesetzblatt I S. 45) bei den Ausfuhrlieferungen ausdrücklich die Abgabe von Gutachten, Projekten sowie Herstellung von Maschinenkonstruktionen oder von Zeichnungen als sonstige Leistungen bezeichnet, und daß die Weglassung dieser Begriffsbestimmung in den späteren UStDB keine sachliche änderung der Begriffe "Lieferungen" und "sonstige Leistungen" bedeutet.
Nicht richtig ist auch die Auffassung der Vorinstanz, die auf die vergütungsfähigen Lieferungen von Büchern hinweist, bei der es sich ebenfalls um bedrucktes Papier handle, das nur den stofflichen Ausdruck einer großen geistigen Arbeit darstelle. Nicht mit der Lieferung von Büchern, die selbständige wirtschaftliche Güter darstellen, ist der Streitfall zu vergleichen, sondern mit der überlassung eines Manuskripts durch den Autor an den Verleger, wobei der Autor gleichfalls eine sonstige Leistung bewirkt.
Der Verschaffung der Verfügungsmacht am Papier ist deshalb keine selbständige Bedeutung beizumessen, die die Annahme einer Lieferung rechtfertigen könnte. Dabei ist nicht etwa das Verhältnis des Werts des Papiers zum Wert der in den Konstruktionszeichnungen steckenden Arbeit von Bedeutung. Denn wollte man die Wertverhältnisse für die Frage, ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, entscheiden lassen, so würde dies in sehr vielen Fällen, in denen der Wert der Arbeit den Wert des Stoffes übersteigt, zu unrichtigen Ergebnissen führen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 449/34 vom 26. Juni 1935, Slg. Bd. 38 S. 87, RStBl 1936 S. 189, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung und das Schrifttum). Im Streitfall kommt es vielmehr darauf an, ob nach den obwaltenden Umständen, insbesondere den getroffenen Vereinbarungen, dem als Liefergegenstand überhaupt in Betracht kommenden Papier eine ausschlaggebende wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Dies ist jedenfalls für die beiden Vorgänge des streitigen Vergütungszeitraums zu verneinen. Sowohl die Vorentscheidung wie die Steuerpflichtige können mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen schon deshalb nicht durchdringen, weil sich die Rechtsbeschwerde nur mit zwei Geschäften zu befassen hat, in denen es sich nach dem Akteninhalt lediglich um Pläne und Zeichnungen für ganz bestimmte Bauvorhaben der Abnehmer handelt, von denen auch die Steuerpflichtige einräumt, daß "diese selbst nicht wüßten, wie man so etwas mache".
Nach alledem war unter Aufhebung der Vorentscheidung die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 30. April 1953 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408475 |
BStBl III 1956, 198 |
BFHE 1957, 14 |
BFHE 63, 14 |