Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderabschreibung nach dem FördG bei baulicher Umgestaltung eines Gebäudes mit 10 Wohnungen in ein Gebäude mit 20 Eigentumswohnungen nur in Höhe von 25 v.H. der Aufwendungen
Leitsatz (NV)
Wird ein Gebäude im Rahmen eines Sanierungskonzepts durch bauliche Maßnahmen in der Weise umgestaltet, dass die Geschossflächen insgesamt 20 Eigentumswohnungen statt zuvor 10 Wohnungen umfassen, kann für die jeweilige Eigentumswohnung eine Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz nur in Höhe von 25 v.H. in Anspruch genommen werden; ob die durchgeführten Baumaßnahmen bautechnisch zu einem Neubau hinsichtlich des Gesamtgebäudes geführt haben, ist dabei ohne Bedeutung (Anschluss an BFH-Urteil vom 7. November 2006 IX R 19/05, BFH/NV 2007, 810).
Normenkette
FördG § 3 S. 2 Nr. 3, § 4 Abs. 2 S. 2; HGB § 255 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) in den Streitjahren 1998 und 1999 zu gewähren sind.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sowie die Beigeladenen beteiligten sich im Jahre 1998 an einer Bauherrengemeinschaft (BHG) zur Sanierung eines Wohnhauses in Sachsen; nach dem in jenem Jahr geschlossenen notariellen Vertrag erwarben sie jeweils von der "X" GmbH (GmbH) einen Miteigentumsanteil an dem mit dem Wohnhaus bebauten Grundstück, verbunden mit Sondereigentum jeweils an einer noch zu schaffenden Wohneinheit. Anschließend wurde das Gebäude entsprechend dem im Vertrag in Bezug genommenen Sanierungskonzept umfassend modernisiert. Dabei wurde unter Abbruch und Ergänzung von Zwischenwänden das bisher 10 Wohnungen umfassende Gebäude in diejenigen 20 Wohnungen aufgeteilt, die die Kläger sowie die Beigeladenen jeweils erworben hatten.
In den Feststellungserklärungen für die Streitjahre begehrte die GmbH als Empfangsbevollmächtigte der BHG auf die jeweils den Klägern zuzurechnenden Sanierungskosten eine Sonderabschreibung (Sonder-AfA) gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG in Höhe von bis zu 40 v.H. der Bemessungsgrundlage sowie die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG.
Aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) jedoch davon aus, dass die Sonder-AfA nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 3 Satz 1 FördG lediglich in Höhe von 25 v.H. der Bemessungsgrundlage zu gewähren sei, weil die bisherige Gebäudesubstanz eine so tiefgreifende Umgestaltung und Veränderung erfahren habe, dass die eingefügten neuen Teile dem Gesamtgebäude das Gepräge gäben und die verwendeten Altteile bedeutungs- und wertmäßig untergeordnet erschienen. Nach der Neuaufteilung der Nutzflächen seien aus den bisher 10 Wohnungen nunmehr 20 Wohnungen geschaffen und damit bei objektiver Betrachtung ein anderes Wirtschaftsgut hergestellt worden.
Der gegen die entsprechend geänderten Feststellungsbescheide erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 330 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG.
Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Zweckbestimmung des Gebäudes als Wohnhaus habe sich im Streitfall nicht geändert. Da nach den Feststellungen des FG alle Wohnungen einschließlich derjenigen im Dachgeschoss bereits vor Beginn der Baumaßnahmen vorhanden gewesen seien, könne das FA auch nicht geltend machen, für die Feststellung eines anderen Wirtschaftsguts aufgrund der Umbauten sei auf die einzelne Wohnung abzustellen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FG auf den Streitfall § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG angewendet und auf dieser Grundlage die Sonder-AfA nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Satz 3 der Vorschrift mit 40 v.H. der Bemessungsgrundlage angesetzt.
1. Steuerpflichtige, die begünstigte Investitionen im Fördergebiet durchführen, sind zur Vornahme von Sonderabschreibungen nach § 4 FördG berechtigt. Jedoch ist § 4 FördG kein selbständiger Begünstigungstatbestand; vielmehr regelt die Norm lediglich die Bemessungsgrundlage für Sonderabschreibungen, setzt also die Erfüllung der Tatbestände der §§ 1 bis 3 FördG voraus (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758).
Nach § 3 Satz 1 FördG sind sowohl die Anschaffung und Herstellung als auch Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgut begünstigt. Die erhöhte Sonderabschreibung von 40 v.H. kann der Steuerpflichtige nur für Modernisierungsmaßnahmen oder nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgut in Anspruch nehmen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FördG). Schafft er ein solches Wirtschaftsgut an oder stellt er es her, können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten lediglich in Höhe von 25 v.H. bei der Sonder-AfA gemäß § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG berücksichtigt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 FördG).
a) Nach dem für das Fördergebietsgesetz ebenso wie für das Eigenheimzulagengesetz und die frühere Wohneigentumsförderung in § 10e des Einkommensteuergesetzes geltenden Begriff der Anschaffung in § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB-- (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 X R 34/04, BFH/NV 2006, 40) gehören zu den Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Liegt eine Herstellung vor, gehören zu den Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
b) Ist ein Anschaffungsvorgang zu bejahen, können angesichts der damit verbundenen Zuordnung des Aufwands zu den Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB keine Modernisierungsmaßnahmen oder nachträgliche Herstellungsarbeiten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG vorliegen.
Entsprechendes gilt, wenn Wohnungen durch die neuen Eigentümer selbst geschaffen (i.S. des § 255 Abs. 2 HGB "hergestellt") werden. Auch dann können die entsprechenden Aufwendungen entgegen der Ansicht der Kläger nicht als "nachträgliche Herstellungskosten" oder "Modernierungsaufwendungen" angesehen werden, weil es sich dann nicht um nachträgliche, sondern um erstmalige Herstellungsaufwendungen handelt. Eine erstmalige Herstellung einer Wohnung ist nämlich gegeben, wenn eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung nicht nur rechtlich, sondern tatsächlich --durch Baumaßnahmen-- geschaffen wird (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1992 IX R 62/88, BFHE 169, 380, BStBl II 1993, 188; vom 23. November 2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543; vom 9. Juni 2005 IX R 30/04, BFH/NV 2005, 1795, zur fehlenden Herstellung bei allein rechtlicher Schaffung von Wohneinheiten). Ob die zur Neuschaffung von Wohnungen führenden Baumaßnahmen in einem Haus mit mehreren Wohneinheiten aufgrund ihrer bautechnisch prägenden Wirkung als Neubau des Gesamtobjekts anzusehen sind, ist dabei ohne Bedeutung, weil Grundlage der gebotenen bautechnischen Betrachtung nicht das Sanierungsobjekt als Ganzes, sondern die jeweilige Eigentumswohnung als selbständiges Wirtschaftsgut ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 IX R 37/04, BFH/NV 2006, 1067; vom 7. November 2006 IX R 19/05, BFH/NV 2007, 810, zum Umbau eines Studentenwohnheims in Eigentumswohnungen).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht die Voraussetzungen einer erhöhten Sonder-AfA von 40 v.H. der Bemessungsgrundlage unter Annahme von Modernisierungsmaßnahmen oder nachträglichen Herstellungsarbeiten an einem abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgut i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FördG bejaht.
Die Kläger und Beigeladenen haben ausweislich der von ihnen abgeschlossenen Verträge jeweils "einen Miteigentumsanteil an dem mit dem Wohnhaus bebauten Grundstück, verbunden mit Sondereigentum an einer noch zu schaffenden Wohneinheit" erworben, so dass Erwerbsgegenstand für jeden von ihnen die im Rahmen der Baumaßnahmen noch herzustellende und nach dem Wohnungseigentumsgesetz rechtlich zu schaffende wirtschaftliche Einheit war.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn davon auszugehen wäre, dass die Kläger und Beigeladenen ihre jeweiligen Wohnungen hergestellt hätten. Denn nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde das Gebäude durch die Baumaßnahmen in der Weise umgestaltet, dass aus den früher im Gebäude vorhandenen 10 Wohnungen durch Neuaufteilung der jeweiligen Geschossflächen 20 neue Wohnungen geschaffen wurden. Diese jeweils durch bauliche Maßnahmen neu zu erstellenden Eigentumswohnungen --und nicht die früheren Wohnungen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1795)-- waren Gegenstand des für jede Wohnung geschlossenen Vertrags über die Beteiligung des jeweiligen Erwerbers/Bauherrn an der BHG.
Danach haben die Kläger und Beigeladenen entsprechend den angefochtenen Feststellungsbescheiden gemäß § 3 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 FördG für die erstellten Eigentumswohnungen --ungeachtet des Anteils an dem ggf. nur sanierten, nicht aber bautechnisch neu erstellten Gemeinschaftseigentum-- nur Anspruch auf eine Sonder-AfA in Höhe von 25 v.H. der Bemessungsgrundlage (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1067).
Fundstellen
Haufe-Index 1957468 |
BFH/NV 2008, 762 |
HFR 2008, 816 |