Leitsatz (amtlich)
1. Schätzungen müssen in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein.
2. Zweifel an einer zutreffenden Reingewinnschätzung können auch Zweifel an der Schätzung der Umsätze bewirken.
3. Das Steuergeheimnis läßt nicht zu, dem Steuerpflichtigen Vergleichsbetriebe, auf die sich das FA zur Begründung der Schätzung berufen hat, namentlich zu benennen. Erforderlich ist jedoch, dem Steuerpflichtigen durch allgemeine Mitteilung über die Heranziehung der Vergleichsbetriebe und die Vergleichszahlen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 4. Das Steuergeheimnis schließt nicht aus, daß das FG an Hand der für die Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten prüft, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen.
Normenkette
AO 1977 §§ 162, 146, 143, 30; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren die Gastwirtschaft "Z", die sie ab 1. Januar 1974 von ihren Eltern gepachtet hatte. Daneben gehörte den Eltern noch die Gaststätte "U", die die Eltern der Klägerin auch nach der Verpachtung der Gaststätte "Z" weiterführten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte bei einer Betriebsprüfung für das Streitjahr 1974 und einer weiteren Betriebsprüfung für das Streitjahr 1975 in dem Unternehmen der Klägerin Mängel der Buchführung fest. So wurden z. B. die Kassenvorgänge nicht täglich, sondern nachträglich im Büro des Steuerberaters erfaßt; Privatentnahmen und -einlagen wurden mit geschätzten Beträgen ohne Belege im Büro des Steuerberaters gebucht; Wareneinkäufe blieben zum Teil ungebucht. Aufgrund dieser Feststellungen kamen der Betriebsprüfer und ihm folgend das FA zu dem Ergebnis, daß die in der Buchführung ausgewiesenen Ergebnisse nicht zutreffen könnten. Zu den erklärten Umsätzen und Gewinnen wurden folgende Hinzuschätzungen vorgenommen:
wegen 1974 1975
1. nichtverbuchter Spirituosen-, Wein- und Sekteinkäufe 53 435 DM 53 323 DM
2. nichtverbuchter Warenhaus-Einkäufe 3 471 DM 2 345 DM
3. nichtverbuchter Weißbiereinkäufe 8 179 DM 8 123 DM
4. Verprobung des gebuchten Wareneinsatzes 53 362 DM 83 020 DM
118 447 DM 146 811 DM.
Um diese geschätzten Beträge erhöhte das FA einerseits die erklärten Umsätze und berücksichtigte andererseits die auf den geschätzten Wareneinsatz entfallenden Vorsteuern. Ferner nahm es entsprechende Gewinnhinzuschätzungen vor; dabei berücksichtigte das FA den geschätzten Wareneinsatz als Aufwand und bildete entsprechende Gewerbesteuerrückstellungen.
Nach der Hinzuschätzung betrug der Rohgewinn 65,7 v. H. (1974) und 64,4 v. H. (1975) des wirtschaftlichen Umsatzes. Nach den Richtsätzen liegt der Rohgewinn in den Streitjahren bei einem Durchschnittssatz von 59 v. H. zwischen 54 v. H. und 64 v. H. des wirtschaftlichen Umsatzes.
Den Hinzuschätzungen liegt im einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Nichtverbuchte Spirituosen-, Wein- und Sekteinkäufe
Die Klägerin verbuchte den Einkauf von Alkohol nicht vollständig. Unstreitig ist dies hinsichtlich der Warenbezüge von der X-Brauerei AG, von der die Klägerin über den gebuchten Wareneingang hinaus Waren im Netto-Einkaufswert von 3 512,50 DM (1974) und 1 455,90 DM (1975) bezog. Darüber hinaus ergaben sich für das FA Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin auch von anderen Firmen Ware erworben hat, ohne diesen Wareneingang zu verbuchen.
Das FA schätzte den ungebucht gebliebenen Wareneinsatz an Spirituosen, Wein und Sekt für die Streitjahre auf je 15 000 DM, wovon 13 500 DM auf Spirituosen (Außer-Haus-Verkauf 2 000 DM, Ausschank 11 500 DM) und 1 500 DM auf Wein und Sekt entfallen.
2. Nichtverbuchte Warenhaus-Einkäufe
Ausweislich ihrer Buchführung hat die Klägerin in der Lebensmittelabteilung der Firma W im Jahre 1974 Waren im Bruttowert von 3 645,69 DM und im Jahre 1975 im Bruttowert von 1 904,30 DM eingekauft. Nach den Ermittlungen des FA bei der Firma W hat die Klägerin darüber hinaus noch für weitere 1 675,47 DM (1974) und 1 489,46 DM (1975) Waren eingekauft.
Das FA erhöhte daraufhin den Wareneinsatz um 1 600 DM (1974) und 1 400 DM (1975), wobei es einen Privatanteil schätzte und die Beträge auf die einzelnen Warenarten entsprechend der Aufgliederung für den gebuchten Teil des Wareneinkaufs aufteilte.
3. Nichtverbuchte Weißbiereinkäufe
Nach ihrer Buchführung hat die Klägerin im Jahre 1974 23 Kästen und im Jahre 1975 34 Kästen Weißbier eingekauft. Nach den Unterlagen der X-Brauerei AG hat die Klägerin dagegen im Jahre 1975 44 Kästen Weißbier erworben. Aufgrund der Betriebsprüfung kam das FA zu der Auffassung, die Klägerin müsse darüber hinaus noch weitere unverbucht gebliebene Weißbiereinkäufe getätigt haben.
Das FA schätzte den Bedarf der Klägerin an Weißbier auf 200 Kästen je Jahr. Ausgehend von einem Einkaufspreis von 14,50 DM je Kasten Weißbier errechnete das FA den unverbucht gebliebenen Weißbiereinsatz mit 2 566,50 DM (1974) und 2 407 DM (1975).
4. Verprobung
Zur Überprüfung der erklärten Betriebseinnahmen verprobte der Prüfer den erklärten Wareneinsatz. Hierbei ging er von einer für den Betrieb "U" ermittelten Preisstaffel aus, wobei er sich auf die Angaben der Klägerin und der Serviererin S stützte, wonach die Preise in beiden Lokalen stets gleich gewesen sind, und auf eine zu Beginn der Prüfung Anfang 1976 vorgefundene Preisliste, die auch im Jahre 1975 schon gegolten hatte. Aufgrund der Verprobung kam das FA zu der Überzeugung, daß die Klägerin allein aufgrund des gebuchten Wareneinsatzes nichtverbuchte Einnahmen in Höhe von 53 362 DM (1974) und 83 020 DM (1975) erzielt haben müsse.
Die Klägerin wandte sich nach erfolglosem Einspruch gegen diese Hinzuschätzungen. Ihre Klage hatte nur zum geringen Teil Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt aus, die Buchführung der Klägerin sei nicht ordnungsmäßig, so daß die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA gerechtfertigt sei. Auch der Höhe nach bestünden gegen die geschätzten Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme des geschätzten Weißbiereinsatzes keine Bedenken. Im einzelnen führt das FG aus:
1. Nichtverbuchte Spirituosen-, Wein- und Sekteinkäufe
Für das Gericht stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß die Klägerin unverbucht gebliebene Einkäufe an Spirituosen, Wein und Sekt getätigt habe.
Das FA habe sich bei seiner Schätzung zusätzlich auf die Ergebnisse der Richtsatzprüfungen bezogen. Das Gericht habe jedoch mit der Klägerin Zweifel daran, ob die für die Richtsatzprüfung herangezogenen Betriebe mit dem Unternehmen der Klägerin vergleichbar seien.
Das FA und der vernommene Richtsatzprüfer R hätten mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis keine konkreten Einzelheiten mitteilen können, die dem FG die Feststellung ermöglicht hätten, welcher der bei der Richtsatzprüfung berücksichtigten Betriebe den Betriebsverhältnissen nach mit dem Unternehmen der Klägerin vergleichbar sei. Die Klägerin habe für ihr Unternehmen keine Besonderheiten aufgezeigt, die im positiven und negativen Sinne außergewöhnliche Betriebsergebnisse erwarten ließen. Verbleibende Zweifel würden dadurch ausgeglichen, daß die Schätzung des FA, wonach der Spirituoseneinsatz der Klägerin 59,95 v. H. (1974) und 47,6 v. H. (1975) betragen habe, nur geringfügig über bzw. unter der Untergrenze liege, die der Richtsatzprüfer für die neun Vergleichsbetriebe mit 51,8 v. H. bei einem Mittelwert von 97,7 v. H. und einer Obergrenze von 182,5 v. H. angegeben habe.
2. Nichtverbuchte Warenhaus-Einkäufe
Gegenüber den unstreitigen Feststellungen des FA wende die Klägerin lediglich ein, die zusätzlich eingekaufte Ware sei ausschließlich für private Zwecke bestimmt gewesen. Diese Behauptung der Klägerin sei unglaubhaft.
3. Unverbuchte Weißbiereinkäufe
Hinsichtlich der Weißbiereinkäufe sei die Schätzung des FA überhöht. Unter Berücksichtigung aller Umstände und ausgehend von der Aussage der Mutter der Klägerin werde der jährliche Weißbiereinsatz auf 60 Kästen geschätzt, woraus sich ein unverbuchter Weißbiereinsatz von 37 Kästen (1974) und 26 Kästen (1975) ergebe.
4. Verprobung
Die Rüge der Klägerin, das FA habe eine Reihe erlösmindernder Faktoren übersehen und sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Wareneinsatz in vollem Umfang zu Umsatz geführt habe, sei unberechtigt. Die Klägerin habe keinerlei konkrete Einwände erhoben, vielmehr lediglich die üblichen Schankverluste bezeichnet. Diese Schankverluste habe das FA bei der Verprobung hinreichend berücksichtigt.
Gegenüber den Prüfungsfeststellungen sei nur der überhöht geschätzte Weißbiereinsatz zu berichtigen.
Danach ergebe sich folgende Steuerfestsetzung:
Einkommensteuer 1974 34 659,00 DM
Einkommensteuer 1975 41 271,00 DM
Gewerbesteuer 1974 16 545,00 DM
Umsatzsteuer 1974 20 701,67 DM
Umsatzsteuer 1975 22 233,99 DM.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der Aufklärungspflicht und Verstoß gegen die Denkgesetze. Das FG habe unzureichend aufgeklärt. Schon ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts sei vom Ergebnis her offensichtlich, daß die Hinzuschätzungen zu Gewinnen führten, die bei kleineren Gastwirtschaften von der Art, wie sie die Klägerin betrieben hatte, nie erreichbar sind. Weder der Vorgänger noch die Nachfolger hätten derartige Gewinne erwirtschaften können. Pflicht des Gerichts wäre es gewesen, unter diesen Umständen die Hinzuschätzungen nach jeder Richtung zu prüfen.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil dahingehend abzuändern, daß die Umsatz- und Einkommensteuer nach Maßgabe des Antrags der Klägerin in der Verhandlung vom 28. Mai 1982 festgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA hält die Rüge mangelnder Sachaufklärung für unbegründet. Der Auffassung der Klägerin, daß die festgesetzten Gewinne nicht erzielbar gewesen seien, müsse widersprochen werden. Die Klägerin sei wiederholt aufgefordert worden, ungebuchte Betriebsausgaben, falls derartige vorhanden sein sollten, anzugeben, damit sie bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden könnten. Sie habe stets verneint, daß sie Betriebsausgaben nicht verbucht habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß das FA befugt war, die Besteuerungsgrundlagen der Klägerin zu schätzen.
Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hat zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Bücher und Aufzeichnungen unvollständig oder formell oder sachlich unrichtig sind (§ 217 Abs. 2 Satz 2 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 162 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Diese Voraussetzungen liegen vor, denn die Klägerin hat die Kasseneinnahmen und -ausgaben nicht täglich festgehalten, Kasseneinlagen und -entnahmen nur mit geschätzten Beträgen ohne Belege nicht zeitgerecht verbucht und den Wareneingang nicht vollständig erfaßt (§§ 162, 146, 143 Abs. 1 AO 1977).
2. Die Schätzung ist ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für ein solches Verfahren von Bedeutung sein können. Auszugehen ist von dem aufgeklärten Sachverhalt. Es bedarf weiterhin der Feststellung, daß eine weitere Sachaufklärung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Erst in diesem Stadium setzen die Schätzungsüberlegungen ein, die aus dem festgestellten Sachverhalt folgern, daß die Besteuerungsgrundlagen in einer wahrscheinlichen Höhe verwirklicht worden sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409 ).
Die durch Schätzung ermittelte Besteuerungsgrundlage enthält einen Unsicherheitsbereich, der vom Wahrscheinlichkeitsgrad der Schätzung abhängig ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Schätzung zutreffend ist, wird um so größer sein, je umfangreicher der zugrunde gelegte gewisse Sachverhalt und je zuverlässiger die angewandte Schätzungsmethode ist. Eine genaue Bestimmung der Besteuerungsgrundlage kann im Schätzungsweg trotz Bemühens um Zuverlässigkeit allenfalls zufällig erreicht werden.
Diese Unschärfe, die jeder Schätzung anhaftet, kann im allgemeinen vernachlässigt werden. Soweit sie sich zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, muß er sie hinnehmen, zumal wenn er den Anlaß für die Schätzung gegeben hat (BFH-Urteil vom 26. April 1983 VIII R 38/82, BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618 ).
Welche Schätzungsmethode dem Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, daß sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen, am besten gerecht wird, ist grundsätzlich eine Frage der Tatsachenfeststellung durch das FG, das eine eigene Schätzungsbefugnis hat (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 162 AO 1977). Das Revisionsgericht ist gebunden, sofern diese Feststellungen nicht auf einem Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel beruhen (§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteile vom 1. Dezember 1967 III 19/65, BFHE 91, 254, BStBl II 1968, 332 ; in BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409 ; vom 18. Oktober 1983 VIII R 190/82, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88 ). In Schätzungsfällen stehen den materiellen Rechtsfehlern Verstöße gegen die angewandte Schätzungsmethode, gegen Denkgesetze und gegen allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsgrundsätze, insbesondere die Unmöglichkeit des Schätzungsergebnisses selbst, gleich.
3. Schätzungen müssen insgesamt in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Die Ausführungen des FG ermöglichen dem Senat nicht die Überprüfung, daß diese Voraussetzungen in vollem Umfang gegeben sind.
Werden die Gewinne laut Schätzung durch das FG in Höhe von 122 319 DM (1974) und 132 674 DM (1975) um die in den Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesenen Provisionen von 3 701 DM (1974) und 1 299 DM (1975) auf 118 618 DM bzw. 131 375 DM gekürzt und zu den wirtschaftlichen Umsätzen laut Schätzung durch das FG von 360 884 DM (1974) und 382 659 DM (1975) ins Verhältnis gesetzt, ergeben sich für 1974 rd. 32,9 v. H. und 1975 rd. 34,3 v. H. Reingewinn. Die Richtsätze für Berlin weisen für den Veranlagungszeitraum 1974 11-19-26 v. H. Reingewinn und für den Veranlagungszeitraum 1975 12-18-26 v. H. Reingewinn aus. Die Schätzungen überschreiten sonach die höchsten Reingewinnrichtsätze erheblich.
Es hätte näherer Ausführungen bedurft, worauf diese ins Gewicht fallenden Unterschiede zurückzuführen sind. Das FG hätte zur Rechtfertigung der Gewinnschätzung darlegen müssen, warum es im Streitfall möglich war, einen erheblich höheren Reingewinn zu erzielen, als es in anderen Gaststätten der Fall ist. Die Zweifel an einer zutreffenden Reingewinnschätzung bewirken auch Zweifel, ob die Höhe der Umsätze richtig geschätzt worden ist.
Das FA hat zwar darauf hingewiesen, daß die Rohgewinnergebnisse bei der Klägerin deswegen höher liegen, weil in deren Betrieb fast ausschließlich nur Getränke zum Verkauf gelangt seien, während in Richtsatzbetrieben die Küchenwarenanteile regelmäßig ein Vielfaches des im Betrieb der Klägerin angesetzten Küchenwarenanteils ausmachen würden. Der Hinweis des FA kann die fehlende Begründung des FG nicht ersetzen.
Zu einer Auseinandersetzung mit den erheblichen Abweichungen gegenüber anderen Betrieben bestand um so mehr Anlaß, als sich das FG im Zusammenhang mit den nichtverbuchten Spirituosen-, Wein- und Sekteinkäufen auf die Richtsätze bezogen hat, die das FA hilfsweise zur Begründung der Schätzung herangezogen hat. Das FG hebt dabei hervor, daß die Klägerin für ihr Unternehmen keine Besonderheiten aufgezeigt habe, die im positiven und negativen Sinne außergewöhnliche Betriebsergebnisse erwarten ließen. Verbleibende Zweifel würden dadurch ausgeglichen, daß die Schätzung des FA nur geringfügig über bzw. unter der Untergrenze liege, die der Richtsatzprüfer angegeben habe. Nicht unbeachtlich ist bei der Beurteilung auch, daß das FA offenbar selbst Zweifel an der Höhe der Reingewinnschätzung hat. Es hat wiederholt, zuletzt in der Revisionserwiderung, für nicht ausgeschlossen gehalten, daß möglicherweise nicht alle Betriebsausgaben der Klägerin bei der Schätzung berücksichtigt worden sind.
4. Der Senat weist für den zweiten Rechtsgang auf folgendes hin:
Das FG ist davon ausgegangen, das FA und der vernommene Richtsatzprüfer R hätten mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis keine konkreten Einzelheiten mitteilen können, die dem FG die Feststellung ermöglicht hätten, welcher der bei der Richtsatzprüfung berücksichtigten Betriebe den Betriebsverhältnissen nach mit dem Unternehmen der Klägerin vergleichbar sei.
Diese Auffassung ist nicht in vollem Umfang zutreffend. Das Steuergeheimnis (§ 30 AO 1977) läßt zwar nicht zu, daß die Vergleichsbetriebe der Klägerin genannt werden. Das Steuergeheimnis schließt aber nicht aus, daß das FG an Hand der für die Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten prüft, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 25. August 1937 VI A 392/37, RStBl 1937, 1109). Außerdem ist es erforderlich, dem Steuerpflichtigen durch allgemeine Mitteilung über die Heranziehung der Vergleichsbetriebe und die Vergleichszahlen Gelegenheit zu geben, zur Frage des Betriebsvergleichs überhaupt und nach Möglichkeit auch zu den Vergleichszahlen Stellung zu nehmen (Urteil in RStBl 1937, 1109).
Das FG wird sich auch dazu äußern müssen, ob die Richtsätze im Hinblick auf die Höhe der geschätzten Umsätze und Gewinne im Streitfall herangezogen werden können (vgl. dazu Urteil in BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88 , unter 2 a).
Fundstellen
BStBl II 1986, 226 |
BFHE 1985, 558 |