Leitsatz (amtlich)
1. Gehören zu den wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens nicht eigentumsfähige Güter, so setzt die Steuervergünstigung bei der Geschäftsveräußerung im ganzen voraus, daß der Unternehmer seine Rechte an diesen Gütern in vollem Umfang auf den Erwerber überträgt.
2. Eine. Geschäftsveräußerung im ganzen liegt nicht vor, wenn zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens ein Pachtrecht gehört und der Unternehmer mit der Kündigung oder der vereinbarten Beendigung des Pachtverhältnisses sein Umlaufvermögen dem Verpächter überträgt.
Normenkette
UStDB 1951 § 85; AO § 116
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) unterhält einen Betrieb in N. Sie schloß mit einer AG in B einen Betriebsüberlassungsvertrag, der sie gegen Entgelt u. a. berechtigte, das gesamte Anlagevermögen der AG, bestehend aus Grundstücken, Werksgebäuden, Maschinen und sonstigen Einrichtungen, zu nutzen. Die Steuerpflichtige kündigte diesen Vertrag zum 31. Dezember 1957, überließ der AG mit Wirkung vom 1. Januar 1958 die Pachtgegenstände und veräußerte ihr das in der Betriebstätte B vorhandene Umlaufvermögen, darunter bearbeitete Materialien und fertige Arbeiten zum Preise von ... DM. Sie begehrt dafür den Steuersatz von 1 v. H. nach § 85 UStDB 1951 mit der Begründung, es handle sich um eine Veräußerung des in der Gliederung ihres Unternehmens gesondert geführten Betriebs in B.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) versagte im Steuerbescheid und in der Einspruchsentscheidung den ermäßigten Steuersatz nach § 85 UStDB 1951.
Auch die Berufung blieb erfolglos. Das FG ist davon ausgegangen, daß die Betriebstätte B zwar ein im Rahmen des Unternehmens der Steuerpflichtigen gesondert geführter Betrieb gewesen sei, daß aber die Übertragung des Umlaufvermögens an die AG bei einem Herstellungsbetrieb nicht als Übereignung der wesentlichen Grundlagen des Unternehmens angesehen werden könne, weil dazu insbesondere die Fabrikationsstätten, Maschinen und sonstige Einrichtungen gehörten. Diese habe die Steuerpflichtige als Pächterin nicht an die AG als Eigentümerin und Verpächterin übereignen können.
Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde (§§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO) rügt die Steuerpflichtige unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zu §§ 85 UStDB 1951 und 116 AO unrichtige Rechtsanwendung.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist § 85 UStDB 1951, soweit er hier in Betracht kommt, nur anwendbar, wenn der Veräußerer einen in der Gliederung seines Unternehmens gesondert geführten Betrieb im ganzen an den Erwerber übereignet, wobei der Begriff Übereignung im bürgerlich-rechtlichen Sinne auszulegen ist (Urteil des BFH V 52/60 vom 24. Januar 1963, HFR 1964, 220). Die Vorinstanz ist auch mit Recht davon ausgegangen, daß bei einem Fabrikationsbetrieb die Betriebsgrundstücke mit den Maschinen und sonstigen der Fertigung dienenden Anlagen die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens bilden, an denen nach dem Wortlaut des § 85 UStDB 1951 das Eigentum übertragen werden muß, während eine Gebrauchsüberlassung durch den Veräußerer nicht ausreicht, um die Voraussetzungen des § 85 UStDB zu erfüllen (BFH-Urteil V 290/61 U vom 23. Juli 1964, BFH 80, 172, BStBl III 1964, 536).
Grundsätzlich muß also der Veräußerer dem Erwerber an allen wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs das Eigentum verschaffen. Diese Voraussetzung findet selbstverständlich dort ihre Grenzen, wo zu den Grundlagen des Unternehmens Güter gehören, die keine Sachen i. S. des § 90 BGB und somit nicht eigentumsfähig nach §§ 903 ff. BGB sind. Dazu gehören z. B. Gebrauchs- und Nutzungsrechte an Sachen, Forderungen, Dienstverträge, Geschäftsbeziehungen usw. Deshalb hat der Senat in den Urteilen V 52/60 vom 24. Januar 1963 (a. a. O.) und V 227/61 vom 14. Mai 1964 (HFR 1964, 470) dahin erkannt, daß bei Betrieben, die in gepachteten Räumen und mit gepachteten Maschinen unterhalten werden, das Pachtrecht zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens gehört. Dieses Pachtrecht muß der Veräußerer auf den Erwerber übertragen, indem er ihm die Möglichkeit verschafft, mit dem Verpächter einen Pachtvertrag abzuschließen, so daß der Erwerber die dem bisherigen Betrieb dienenden Räume usw. unverändert nutzen kann. Im Urteil V 214/62 vom 11. Februar 1965 (Der Betriebs-Berater 1966 S. 1438) ist dazu ergänzend ausgeführt worden, daß der Veräußerer seine Rechtsstellung gegenüber den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens in einer umfassenden und vollständigen Weise an den Erwerber übertragen muß.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Steuerpflichtige hat ihre Rechte aus dem Betriebsüberlassungsvertrag nicht auf die AG übertragen. Sie gab vielmehr durch die Kündigung zum 31. Dezember 1957 ihre bisherige Rechtsstellung an den Grundstücken, Werksgebäuden, Maschinen und sonstigen Einrichtungen ab 1. Januar 1958 auf. Diese Aufgabe von Pachtrechten gegenüber der Eigentümerin und Verpächterin ist einer Übertragung von Rechten auf diese nicht gleichzusetzen. Umsatzsteuerrechtlich bedeutungslos ist, daß die AG nach der Beendigung des Pachtverhältnisses und Rückgabe der Gegenstände die Möglichkeit hatte, diese wieder selbst zu nutzen. Für die Anwendung des § 85 UStDB 1951 sind nicht entscheidend die tatsächlichen Verhältnisse bei dem "Erwerber". Maßgebend sind vielmehr die eine Geschäftsübereignung darstellenden Handlungen des "Veräußerers", an denen es hier - wie oben ausgeführt - fehlt.
Das FG hat, entgegen der Meinung der Steuerpflichtigen, die von ihm angeführten Urteile des BFH richtig gewürdigt und angewendet. Der Senat hält eine Erweiterung seiner - die wirtschaftlichen Belange weitgehend berücksichtigenden - bisherigen Rechtsprechung zur Übertragung von Pachtrechten im Rahmen einer Geschäftsveräußerung gemäß §§ 85 UStDB 1951 und 116 AO nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes nicht für vertretbar. Er neigt sogar zu einer Einschränkung der in den nicht amtlich veröffentlichten Urteilen V 52/60 vom 24. Januar 1963 und V 227/61 vom 14. Mai 1964 (a. a. O.) aufgestellten Grundsätze, um den Kreis der nach § 116 AO Haftenden, dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, zu beschränken (vgl. dazu Urteil des BFH V 214/62 vom 11. Februar 1965, a. a. O.).
Irrig ist die Ansicht der Steuerpflichtigen, sie sei während der Pachtzeit wirtschaftliche Eigentümerin des gepachteten Betriebs gewesen und das Pachtrecht müßte deshalb im Rahmen der "Geschäftsveräußerung" an den Verpächter nach den Grundsätzen behandelt werden, die der Senat für Fälle der Sicherungsübereignung aufgestellt hat. Zwar hat im gegebenen Fall wie auch bei den vom BFH früher entschiedenen Sachverhalten der Eigentümer dem Unternehmer eine besonders starke Besitzstellung eingeräumt. Im Gegensatz zu den in früheren Urteilen behandelten Rechtsbeziehungen (vgl. z. B. BFH-Urteil V 240/64 vom 20. Juli 1967, BFH 89, 466, BStBl III 1967, 684) ist aber nach der Natur eines Pachtvertrags dem Pächter das eigentumsähnliche Herrschaftsverhältnis hinsichtlich des Pachtgegenstandes gerade insoweit versagt, als dessen Veräußerung in Frage steht. Dem Pächter kann demnach weder rechtlich noch wirtschaftlich eine eigentumsähnliche Stellung zuerkannt werden.
Fundstellen
BStBl II 1969, 303 |
BFHE 1969, 61 |