Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Schätzung des gemeinen Werts von GmbH-Anteilen können künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung stiller Reserven bei Betriebsgrundstücken und beim Wertpapierbesitz nicht berücksichtigt werden.

2. Bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1959 ist der versicherungsmathematische Ausgangswert der Pensionsanwartschaften nach Maßgabe des § 4 BewV-Pensionsrückstellungen (BGBl I 1961, 1295; BStBl I 1961, 582) grundsätzlich um Abschläge von 75 % bzw. bei Zusagen an Rentner auf Hinterbliebenenversorgung um Abschläge von 37,5 % zu mindern.

 

Normenkette

BewG in der vor dem BewG 1965 gültigen Fassung § 13 Abs. 2; BewDV in der zum 1. Januar 1960 gültigen Fassung § 53 a; BewV-Pensionsrückstellungen § 4

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Klägerin) ist eine GmbH mit einem voll eingezahlten Stammkapital. Ihre alleinige Gesellschafterin ist eine GmbH.

Das Finanzamt (FA) – Beklagter – stellte den gemeinen Wert der Geschäftsanteile der Steuerpflichtigen zum 31. Dezember 1959 nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien – VStR – 1960) je 100 DM Stammkapital fest. Es ging bei der Ermittlung des Vermögenswerts der Gesellschaft vom Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1960 aus. In diesem Einheitswert waren die Betriebsgrundstücke mit Einheitswetten, die Wertpapiere mit den Steuerkurswerten und die Pensionsanwartschaften berücksichtigt. Für die Wertermittlung der Geschäftsanteile erhöhte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens wegen des Realwerts der Betriebsgrundstücke.

Die Steuerpflichtige begehrte mit der Sprungklage, den gemeinen Wert der Anteile je 100 DM Stammkapital herabzusetzen. Sie meint, das Gesamtvermögen sei um die künftige ertragsteuerliche Belastung der bei der Anteilsbewertung aufgedeckten stillen Reserven ihres Grundvermögens zu mindern. Das abgezinste Ertragssteuerrisiko betrage beim Körperschaftsteuersatz von 51 % und einer Gewerbesteuerbelastung von 6 % unter Berücksichtigung eines 20prozentigen Aufschlags wegen der Besteuerung von Grundstücksveräußerungsgewinnen X DM. Zu berücksichtigen sei auch die künftige ertragsteuerliche Belastung, die auf die stillen Reserven ihres Wertpapierbesitzes (Steuerkurswert ./. Buchwert) entfielen; denn die Wertpapiere seien eine Liquidationsreserve, die sie in den nächsten Jahren auflösen müsse. Ihre Alleingesellschafterin habe bisher die Anlageinvestitionen durch Darlehen zwischenfinanziert. Die Tilgung der Darlehen und künftige Investitionen würden in den nächsten 8 bis 10 Jahren zwangsläufig zur Veräußerung des Wertpapierbesitzes führen. Der vom FA ermittelte Vermögenswert erfasse außerdem nicht die tatsächliche wirtschaftliche Last der Pensionsanwartschaften. In der Steuerbilanz habe sie hierfür nach versicherungsmathematischen Grundsätzen eine Rückstellung gebildet. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens seien die Pensionsanwartschaften dagegen nach der Verordnung über den Abzug von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens – BewV-Pensionsrückstellungen – vom 15. August 1961 (BGBl I 1961, 1295, BStBl I 1961, 582) angesetzt worden. Der Betrag sei bei der Anteilsbewertung um 30 % des Steuerbilanzwerts zu erhöhen.

Das Finanzgericht (FG) setzte den gemeinen Wert der Anteile je 100 DM Stammkapital herab. Es führte aus: Würden bei der Anteilsbewertung stille Reserven aufgedeckt, so sei die hierauf entfallende ertragsteuerliche Belastung mit zu berücksichtigen. Der künftige Steuerbetrag sei nach dem voraussichtlichen Fälligkeitstermin abzuzinsen, da er das Vermögen am Stichtag nur mit dem sog. Gegenwartswert belaste. Ein Abschlag für Steuern aus Grundstücksveräußerungsgewinnen sei dagegen nicht gerechtfertigt, weil eine Veräußerung der Grundstücke nicht abzusehen sei. Die Steuerpflichtige habe glaubhaft dargetan, daß ihr Wertpapierbesitz eine Liquiditätsreserve und keine Daueranlage auf weite Sicht sei. In den Jahren 1960 bis 1964 habe sie jedoch durch Wertpapierverkäufe nur geringe Beträge an stillen Reserven aufgedeckt. Es sei daher anzunehmen, daß sich die stillen Reserven des Wertpapierbestandes nicht in 8 bis 10 Jahren, sondern erst im Laufe von 30 Jahren auflösen werden. Der Gegenwartswert der hierauf ruhenden Steuerlast betrage dementsprechend weniger. Der Schuldposten für Pensionsanwartschaften sei bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens um Pauschabschläge von 75 % und 37,5 % vom versicherungsmathematischen Ausgangswert gekürzt worden. Die Abschläge seien in dieser Höhe unbegründet. Nach den Ausführungen von Heubeck in Der Betrieb 1957 s. 928 – DB 1957, 928 – und 1958, 373 sei wegen des Zinsunterschiedes von 3,5 % zu 5,5 % nur ein Abschlag von 25 % gerechtfertigt. Die Pensionsanwartschaften seien daher bei der Anteilsbewertung dementsprechend anzusetzen.

Das FA beantragt mit der Rechtsbeschwerde, das Urteil des FG aufzuheben. Es ist der Ansicht, daß die künftige steuerliche Belastung bei Auflösung stiller Reserven nicht bei der Anteilsbewertung zu berücksichtigen sei. Die Vorentscheidung lasse deutlich erkennen, wie schwierig der Gegenwartswert einer etwaigen künftigen ertragsteuerlichen Belastung, insbesondere bei der Auflösung von stillen Reserven des Wertpapierbestandes, zu schätzen sei. Zweifelhaft könne auch sein, nach welchem Körperschaftsteuersatz die Belastung zu berechnen sei. Das FG gehe von einem Körperschaftsteuersatz von 51 % aus. Die Steuerpflichtige habe in den vergangenen Jahren jedoch erhebliche Ausschüttungen vorgenommen; hierfür komme ein Körperschaftsteuersatz von nur 15 % in Betracht, Die Rückstellungen für Pensionsanwartschaften seien bei der Anteilsbewertung nicht zu erhöhen. Die Vorentscheidung beruhe offensichtlich auf der irrigen Auffassung, der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 74 S. 42 – BFH 74, 42 –, BStBl III 1962, 19) nicht nur das Gesetz der großen Zahl, sondern auch den Globalabschlag von 50 % wegen Pensionsvorbehalte und sonstiger Unsicherheiten aufgegeben. Dies treffe aber nicht zu. Rückstellungen für Pensionsanwartschaften könnten nur nach Maßgabe der VStR berücksichtigt werden; das gelte auch für die Anteilsbewertung.

Die Steuerpflichtige hält die Revision für unzulässig, da die Revisionsschrift keinen bestimmten Antrag enthalte und nicht die verletzte Rechtsnorm bezeichne. Sachlich tritt sie den Ausführungen des FG bei und beantragt, das Gericht möge durch einen Sachverständigen feststellen lassen, daß im Rahmen der Unternehmensbewertung nach der herrschenden betriebswirtschaftlichen Auffassung, insbesondere aber nach der bestehenden Gutachterpraxis, die latente Ertragsteuerlast für stille Reserven bei der Substanzwertermittlung berücksichtigt werde. Bei der betriebswirtschaftlich exakten Unternehmensbewertung brauche die Ertragsteuerlast keine Steuerschuld im Sinne einer echten Verbindlichkeit zu sein. Sie sei eine wirtschaftliche Folge der Steuergesetze. Sie bestehe bei stillen Reserven entgegen der Auffassung des BFH (Urteile III 247/63 vom 16. Dezember 1966, DB 1968, 999, und III 263/63 vom 9. September 1966, BFH 87, 108, BStBl III 1967, 43) zumindest teilweise völlig unabhängig von einer evtl. späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter. Die zivilrechtliche Rechtsprechung gehe bei der Feststellung von Abfindungsguthaben ebenfalls von betriebswirtschaftlichen Bewertungsverfahren aus. Der BFH verkenne, daß sich die stillen Reserven bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zwangsläufig durch Abnutzung und Wertverschleiß von selbst auflösten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist zulässig und auch begründet.

I.

Nach § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen die vor Inkrafttreten der FGO ergangenen Entscheidungen nach den bis dahin gültigen Vorschriften der AO a. F. Eine Entscheidung ist im Sinne dieser Bestimmung zu dem Zeitpunkt „ergangen”, in dem sie verkündet oder den Beteiligten zugestellt wurde (BFH-Beschluß III B 10/66 vom 23. Februar 1967, BFH 88, 109, BStBl III 1967, 293). Das FG hat im Streitfall das Urteil am 29. November 1965 dem FA zugestellt. Die vom FA am 22. Dezember 1965 eingelegte Rechtsbeschwerde war nach den damals gültigen Vorschriften der AO zulässig. Sie hätte zwar nach §§ 249 Abs. 3, 289 Abs. 1 AO a. F. eine Begründung enthalten, die angefochtene Entscheidung bezeichnen und angeben sollen, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt werde. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften machte das Rechtsmittel aber nicht unzulässig. Das FA hat im übrigen die Rechtsbeschwerde begründet und ausdrücklich die Aufhebung der Vorentscheidung begehrt. Die Rechtsbeschwerde war somit zulässig. Sie ist nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln.

II.

Künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung von stillen Reserven des Grundvermögens und des Wertpapierbesitzes können bei der Ermittlung des gemeinen Werts von GmbH-Anteilen nicht berücksichtigt werden.

GmbH-Anteile sind nach § 13 Abs. 2 Satz 1 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 gültigen Fassung (BewG) mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Läßt sich dieser – wie im Streitfall – nicht aus Verkäufen ableiten, so ist er nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Das FA hat im Streitfall den gemeinen Wert der Anteile zu Recht nach den Grundsätzen des sog. Stuttgarter Verfahrens (Abschn. 76 ff. VStR 1960) ermittelt. Es ist dabei zutreffend vom Einheitswert des Betriebsvermögens am 1. Januar 1960 ausgegangen. Den Einheitswert des Betriebsvermögens hat das FA sodann nach Abschn. 77 Abs. 3 VStR 1960 um einen Zuschlag in Höhe des Unterschieds zwischen den Einheitswerten und den Buchwerten der Grundstücke bzw. bei den schon vor dem 21. Juni 1948 vorhandenen Grundstücken um 100 % des Einheitswertbetrags erhöht. In dem so ermittelten Gesamtvermögen sind mithin die zum 1. Januar 1960 vorhandenen sog. stillen Reserven des Wertpapierbesitzes, d. h. der Unterschied zwischen dem bilanzsteuerlichen Buchwert und den Börsenkurswerten, in vollem Umfang und die stillen Reserven des Grundvermögens insoweit erfaßt, als der doppelte Einheitswertbetrag den Buchwert der am 21. Juni 1948 schon vorhandenen Grundstücke übersteigt. Soweit das FA die Buchwerte zugrunde gelegt hat, sind bei der Anteilsbewertung keine stillen Reserven berücksichtigt worden.

Der Senat hat in den Urteilen III 359/61 vom 15. Oktober 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 153 – HFR 1965, 153 –) und III 263/63 (a. a. O.) bei der Ermittlung des Gesamtvermögens im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung der bei der Anteilsbewertung berücksichtigten stillen Reserven der Betriebsgrundstücke nicht zum Abzug zugelassen. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Ob und wann stille Reserven des betrieblichen Grundvermögens aufgedeckt werden, ist zum Bewertungsstichtag ebenso ungewiß wie die Höhe der dann vorhandenen stillen Reserven, da sich der wirtschaftliche Wert der Grundstücke inzwischen durch die allgemeine Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt erheblich geändert haben kann. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß die Gesellschaft stets die Möglichkeit hat, die Aufdeckung der Reserven bei Grundstücksverkäufen oder bei der Liquidation zu einem ihr genehmen Zeitpunkt in einer steuerlich möglichst neutralen Form vorzunehmen. Bis dahin können sich die am Bewertungsstichtag vorhandenen sogenannten stillen Reserven u. U. schon ohne ertragsteuerliche Auswirkung durch Minderung des Grundstückswerts auf Grund der Preisentwicklung oder vorzeitig schneller technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung der Betriebsgebäude ganz oder teilweise wieder aufgelöst haben. Stille Reserven, die wegen zu hoher, durch den Wertverzehr der Betriebsgebäude nicht gedeckter Abschreibungen entstanden sind (wie z. B. durch Sonderabschreibungen nach §§ 7 b und 7 e EStG), können allerdings in späteren Jahren automatisch zu einer ertragsteuerlichen Belastung führen, wenn die dann noch zulässige Absetzung für Abnutzung (AfA) den jährlichen Wertverzehr der Gebäude nicht mehr ausgleicht. Ein Abzug der künftigen steuerlichen Belastung ist jedoch nach dem Grundsatzurteil des Senats III R 135/67 vom 18. Dezember 1968 (BFH 95, 266) auch bei solchen sogenannten „kurzzeitigen Steuervorteilen” nicht zulässig. Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen.

Künftige Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerschulden wegen Auflösung von stillen Reserven des Wertpapierbesitzes können bei der Anteilsbewertung ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Denn diese Belastung ist am Bewertungsstichtag ebenfalls ungewiß. Sie wird in der Regel erst eintreten, wenn die Wertpapiere veräußert werden oder wenn die Gesellschaft liquidiert wird. Sinken bis dahin die Börsenkurse, so lösen sich die Mehrwerte auch hier ohne ertragsteuerliche Auswirkung ganz oder teilweise auf. Solche Ungewissen künftigen Ereignisse müssen bei der Stichtagsbewertung von nichtnotierten Aktien und Anteilen außer Betracht bleiben.

Diese Grundsätze sind auch im Streitfall bei den stillen Reserven des Grundvermögens und des Wertpapierbesitzes maßgebend. Die Steuerpflichtige sieht ihren Wertpapierbesitz als Liquidationsreserve an, die sie in den nächsten Jahren zur Rückzahlung der Darlehen ihrer Alleingesellschafterin und zu künftigen Anlageinvestitionen auflösen müsse. Wann, in welchem Umfang und zu welchen Preisen sie die Wertpapiere veräußern wird, ist jedoch zum Bewertungsstichtag nicht zu übersehen. Dies hängt u. a. von der Konzernpolitik der Alleingesellschafterin, von den Börsenkurswerten, von der wirtschaftlichen Entwicklung der Steuerpflichtigen und von den flüssigen Mitteln ab, die zur Darlehnsrückzahlung und zur Anschaffung neuer Anlagegüter zur Verfügung stehen. Das FG hat zur Beurteilung der künftigen Entwicklung Wertpapierverkäufe der Jahre 1960 bis 1964 herangezogen. Dem tritt der Senat schon deshalb nicht bei, weil die Berücksichtigung von Wertpapierverkäufen in den auf den Feststellungszeitpunkt folgenden vier Jahren mit dem steuerlichen Grundsatz der Stichtagsbewertung unvereinbar ist. Wie ungewiß und willkürlich eine solche Schätzung ist, zeigt sich im Streitfall besonders deutlich in der Tatsache, daß die Steuerpflichtige von dem Verkauf aller Wertpapiere in acht bis zehn Jahren und das FG von Verkäufen in einem Zeitraum von 30 Jahren ausgeht. Hätte das FG der Schätzung nur die Wertpapierverkäufe der Jahre 1960 bis 1964 zugrunde gelegt, so würde sich die Liquidationsreserve erst in 47 Jahren auflösen.

Zu den von der Steuerpflichtigen auch in diesem Verfahren erhobenen Einwendungen hat der Senat in den genannten Urteilen III 263/63 und III R 135/67 bereits eingehend Stellung genommen. Künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung stiller Reserven können nicht deshalb in die Anteilsbewertung miteinbezogen werden, weil sie in der betriebswirtschaftlich-kaufmännischen Unternehmensbewertung und in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung bei Festsetzung einer angemessenen Abfindung für ausscheidende Gesellschafter bisweilen, bzw. mehr oder weniger mitberücksichtigt werden. Die Steuerpflichtige übersieht, daß die steuerliche Anteilsbewertung teilweise von anderen Grundsätzen getragen wird. Die Anteilsbewertung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG richtet sich gemäß den Ausführungen des Senats im o. g. Urteil III R 135/67 in erster Linie nach dem steuerrechtlichen Grundsatz der Stichtagsbewertung. Nach dem auch für die Anteilsbewertung maßgebenden § 53 a BewDV in der zum 1. Januar 1960 gültigen Fassung sind künftige Ungewisse Steuerschulden keine zum Feststellungszeitpunkt abziehbaren Lasten. Die Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren ist zudem – im Gegensatz zur betriebswirtschaftlich-kaufmännischen Unternehmensbewertung und zu den Methoden der zivilgerichtlichen Feststellung von Abfindungsvergütungen – ein grobes Schätzungsverfahren, das aus Gründen der Praktikabilität oft auf eine genaue Wertermittlung des Gesamtvermögens verzichten muß. So hat das FA insbesondere im Streitfall nach Abschn. 77 Abs. 3 VStR 1960 den Wert der bebauten und unbebauten Grundstücke nur global mit den Buchwerten bzw. dem doppelten Einheitswert erfaßt. Diese Beträge dürften bei den ständig gestiegenen Grundstückspreisen noch unter den tatsächlichen Verkehrswerten liegen. Die Anhörung eines Sachverständigen über Fragen der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung ist daher für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung.

Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird entgegen der Ansicht des FG nicht dadurch verletzt, daß die Steuerpflichtige bei der Anteilsbewertung ebenso behandelt wird wie andere Unternehmen mit gleichen Wirtschaftsgütern, deren Bilanzen keine stillen Reserven enthalten. Der gemeine Wert der Gesellschaftsanteile ist bei der Steuerpflichtigen wegen einer evtl. künftigen ertragsteuerlichen Belastung bei Auflösung von stillen Reserven des Grundvermögens und des Wertpapierbesitzes nicht geringer als bei anderen Unternehmen zu veranschlagen. Denn diese Belastung ist – wie oben dargelegt – zeitlich ungewiß und der Höhe nach unbestimmt. Sie ist außerdem auch nur einer von vielen Faktoren, die die künftigen Erträge der Gesellschaft beeinflussen können.

III.

Das FG meint, der versicherungsmathematische Ausgangswert der Pensionsverpflichtungen sei bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1959 nur um einen Abschlag von 25 % wegen des Zinsunterschiedes von 3,5 % zu 5,5 % zu kürzen. Dieser Ansicht tritt der Senat nicht bei.

Rückstellungen für Pensionsanwartschaften sind bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1960 nach Maßgabe der BewV-Pensionsrückstellungen zu berücksichtigen. Sie sind nach dem versicherungsmathematischen Barwert der von den Pensionsanwärtern bis zum Bewertungsstichtag erdienten Rentenanteile zu berechnen. Dieser Barwert ist nach § 4 dieser Verordnung bei Pensionszusagen mit Vorbehalten an aktive Berechtigte um einen Abschlag von 75 % und bei Zusagen an Rentner auf Hinterbliebenenversorgung um einen Abschlag von 37,5 % zu mindern. Nach dem Urteil des Senats III 163/65 vom 28. Juni 1968 (BFH 93, 167, BStBl II 1968, 706) bestehen gegen die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift keine Bedenken. Der obige Globalabschlag von 75 % beruht auf der Rechtsprechung des Senats. Wie der Senat insbesondere im Urteil III 255/56 S vom 24. Januar 1958 (BFH 66, 376, BStBl III 1958, 146) hervorgehoben hat, ist der versicherungsmathematische Barwert um 25 % zu kürzen, weil er von einem Zinsfuß von 3,5 %, das Bewertungsrecht hingegen von einem Zinsfuß von 5,5 % ausgeht. Der weitere Abschlag von 50 % gilt global die Unsicherheiten ab, die sich aus Vorbehalten in der Pensionszusage, aus dem eigenkapitalähnlichen Charakter der Rückstellungsbeträge und aus dem Risiko der Entlassung von Arbeitnehmern wegen Abschwächung der Konjunktur, wegen Ausfuhrrückgangs oder aus sonstigen wirtschaftlichen Veränderungen ergeben können. An den Abschlägen hat der Senat trotz kritischer Stellungnahmen in der Literatur und in der Rechtsprechung der FG festgehalten; er hat seine Ansicht auch im Urteil III 125/61 S (a. a. O.) nicht aufgegeben (vgl. Urteil des Senats III 209/65 vom 28. Juni 1968, BFH 93, 171, BStBl II 1968, 708). § 4 BewV-Pensionsrückstellungen hat diese Regelung auch für die Betriebe mit weniger als 100 Pensionszusagen übernommen.

Das FA hat im Streitfall die Pensionsanwartschaften mit ihren versicherungsmathematischen Ausgangswerten bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1960 erfaßt und diese Werte zutreffend um die Abschläge nach § 4 BewV-Pensionsrückstellungen gekürzt. Die Beträge hat es auch der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1959 zugrunde gelegt. Streitig ist, ob der Abschlag von 50 % wegen der oben erwähnten Unsicherheiten bei der Anteilsbewertung zu berücksichtigen ist. Die Unsicherheiten auf Grund der Vorbehalte in den Zusagen, dem eigenkapitalähnlichen Charakter der Rückstellungsbeträge und dem Risiko einer betrieblich bedingten Entlassung von Arbeitnehmern bestehen bei der Anteilsbewertung in gleicher Weise wie bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Der Senat hat den Abschlag bei der Einheitsbewertung griffsweise auf 50 % des Barwerts geschätzt, weil diese bei der versicherungsmathematischen Berechnung des Ausgangswerts nicht berücksichtigten Umstände das Maß der künftigen Pensionsbelastung im erheblichen Umfang mindernd beeinflussen (vgl. Urteil des Senats III 209/65, a. a. O.). Diese Erwägungen gelten auch für die Anteilsbewertung. Der obige Barwert der Pensionsanwartschaften ist deshalb zur Ermittlung des gemeinen Werts der Gesellschaftsanteile ebenfalls um die Abschläge nach § 4 BewV-Pensionsrückstellungen zu mindern. Das genaue Gewicht der Unsicherheiten läßt sich nicht im einzelnen feststellen; es kann nur mehr oder weniger grob geschätzt werden. Gründe, die eine niedrigere Schätzung der künftigen Pensionsbelastungen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Pensionsanwartschaften sind in beiden Verfahren, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens und bei der Anteilsbewertung, mit dem Teilwert anzusetzen. Dieser richtet sich nach den gleichen Grundsätzen, nämlich nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Pensionslast. Er kann nur grob geschätzt werden, da – wie dargelegt – das Gewicht der Unsicherheiten im Rahmen der steuerlichen Bewertung nicht genau ermittelt werden kann. Ersetzt man den Globalabschlag von 50 % bei der Einheitsbewertung und Anteilsbewertung durch einen niedrigeren Abschlag, so ist auch dieser Abschlag eine Schätzung, die zumindest ebenso ungewiß ist wie die bisherige Schätzung. Eingehende Untersuchungen über die Höhe des im Einzelfall angemessenen Risikoabschlags sind im Rahmen des sogenannten Stuttgarter Verfahrens ebenfalls nicht möglich. Dieses Verfahren ist – wie oben bereits erwähnt – ein grobes Schätzungsverfahren. Der hiernach ermittelte gemeine Wert der Anteile kann daher nach dem genannten Urteil des Senats III R 135/67 nur ein Annäherungswert sein. Gewisse Unebenheiten und Härten müssen von den Steuerpflichtigen in Kauf genommen werden.

Der Gesetzgeber hat in dem durch das Steueränderungsgesetz vom 13. Juli 1961 in das BewG eingefügten § 62 a (vgl. auch § 104 BewG 1965) die Pensionsverpflichtungen für die Stichtage nach dem 1. Januar 1961 im größeren Umfang zum Abzug zugelassen. Diese Vorschrift ist jedoch nicht auf den Streitfall anwendbar, da sie nicht auf frühere Bewertungsstichtage zurückbezogen werden kann.

Das Urteil des FG wird aufgehoben, weil es den übrigen Grundsätzen nicht entspricht. Die Anteilsbewertung des FA ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klage der Steuerpflichtigen wird deshalb als unbegründet abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514520

BFHE 1969, 273

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