Leitsatz (amtlich)
Sammelt eine private Stiftung zur nachhaltigen Erfüllung ihres satzungsmäßigen Zwecks Kapital an, so steht ihr insoweit die Steuervergünstigung der Gemeinnützigkeit nur zu, wenn die Mittel in einer besonderen, jederzeit kontrollierbaren und nachprüfbaren Rücklage gebunden sind.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 17; GemV § 5 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine rechtsfähige private Stiftung, war 1938 errichtet worden. Nach § 3 Abs. 1 ihrer im Streitjahr (1967) gültigen Satzung hatte sie den Zweck,
"a) die Gesundheitspflege sowie die Jugendfürsorge der ... Schuljugend, ...
b) andere allgemeine Wohltätigkeiten gegenüber bedürftigen Personen ...".
Von den jeweiligen Erträgnissen der Stiftung war die Hälfte in näher bezeichneter Weise anzulegen, ggf. davon 30 v. H. "zurückzustellen zur Anschaffung von Heimen, die dem Stiftungszweck dienen"; die danach verbleibende Hälfte sollte zu den Stiftungszwecken verwendet werden (§ 3 Nr. 4 der Satzung).
In seinem Testament hatte der 1947 gestorbene Stifter die Klägerin als Alleinerbin seines umfangreichen Vermögens eingesetzt. Das zuständige Stiftungsaufsichtsamt hatte im Juni 1948 der Klägerin genehmigt, die Erbschaft anzunehmen. Aufgrund des Testaments war die Klägerin unter anderem belastet mit einer Rentenzahlung an die Witwe des Stifters bzw. an deren Erben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte die Klägerin wegen Förderung gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke zunächst nicht zur Körperschaftsteuer herangezogen. 1965 waren zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten über die weitere Anerkennung der Steuerbegünstigung entstanden. Das FA hatte für das Jahr 1967 die Besteuerungsgrundlagen geschätzt und die Körperschaftsteuer auf 14 601 DM festgesetzt. In der Einspruchsentscheidung hatte es die Körperschaftsteuer auf 24 597 DM erhöht.
Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte die ausschließliche und unmittelbare Verfolgung gemeinnütziger Zwecke durch die Klägerin. Mit der Kapitalbildung verfolge die Klägerin - neben ihren gemeinnützigen Aufgaben - keinen begünstigten Zweck. Die Überweisung der zweiten Hälfte der Erträgnisse an ... ämter für Aufgaben der Jugendfürsorge erfülle mangels einer eigenen Initiative der Klägerin nicht das Merkmal der Unmittelbarkeit. Die abweichende steuerliche Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts durch das FA im Streitjahr verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Die zwischen den Beteiligten hauptsächlich streitige Frage, ob die Rentenzahlungen an die Witwe des Stifters begünstigungsschädlich seien, brauche daher nicht mehr entschieden zu werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie den Körperschaftsteuerbescheid 1967 in Gestalt der verbösernden Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält das Urteil des FG für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht verneint, daß die Klägerin in dem Streitjahr ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gedient hat. Sie ist deshalb nicht von der Körperschaftsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG befreit.
1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG waren von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienten. Die Voraussetzungen für diese Steuerbefreiungen ergaben sich im einzelnen aus §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und aus der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (Gemeinnützigkeitsverordnung - GemV -) vom 24. Dezember 1953 (BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6), zuletzt geändert durch Art. 5 des Steueränderungsgesetzes 1969 (StÄndG 1969) vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477).
Danach waren gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wurde (§ 17 Abs. 1 StAnpG). Anzunehmen war eine Förderung der Allgemeinheit dann, wenn die Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützte (§ 17 Abs. 2 StAnpG).
2. Die Klägerin hat - wovon auch das FG ausgegangen ist - nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung im Streitjahr nicht ausschließlich gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gedient und ist deshalb nicht von der Körperschaftsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG befreit.
Grundsätzlich schließt die Verfolgung mehrerer steuerbegünstigter Zwecke nebeneinander durch eine und dieselbe Stiftung die steuerliche Vergünstigung nicht aus (vgl. § 5 Nr. 1 GemV sowie Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Dezember 1955 III 99/55 U, BFHE 62, 57, BStBl III 1956, 22). Die einzelnen Tätigkeiten müssen - jede für sich betrachtet - auf die begünstigten Zwecke gerichtet sein: Die Gesamttätigkeit der Stiftung muß diesen Zwecken dienen und sich auf deren Erfüllung beschränken. Dient jedoch eine Stiftung gleichzeitig begünstigten und nichtbegünstigten Zwecken, so muß dies nach dem Ausschließlichkeitsgrundsatz dazu führen, daß die Steuervergünstigung für die gesamte Tätigkeit der Stiftung zu versagen ist. Die Tätigkeit der Stiftung kann nicht in eine steuerfreie und eine steuerpflichtige Betätigung aufgeteilt werden.
Im Ergebnis zutreffend hat das FG die der Klägerin in der Satzung (§ 3) auferlegte und von ihr auch tatsächlich ausgeführte Kapitalbildung und -ansammlung als nicht steuerbegünstigt angesehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) schloß es die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht aus, wenn "eine Stiftung ihre Mittel nicht voll für die Stiftungszwecke verwendet, ja selbst sogar ... für ein ganz bestimmtes gemeinnütziges Ziel ... aufspart, um sie zu einem absehbaren Zeitpunkt für diesen Zweck zu verwenden" (so Urteil vom 22. März 1941 VI a 18/41, RFHE 50, 122 [124], RStBl 1941, 437, mit weiteren Nachweisen aus der früheren Rechtsprechung). Dabei war vorausgesetzt, daß die Mittel zur nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks nur vorübergehend, nämlich "bis zu einem verhältnismäßig nahe gerückten Zeitpunkt" angesammelt, dann aber für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet wurden (vgl. dazu auch § 6 GemV vom 16. Dezember 1941, RStBl 1941, 937). Demgegenüber sieht die (Neu-) Fassung des § 5 Nr. 4 GemV (vgl. § 58 Nr. 6 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zwar keine bestimmte zeitliche Befristung, wohl aber die Zuführung der Mittel zu einer (besonderen) Rücklage vor. Nach dieser Vorschrift werden die Voraussetzungen für die steuerlichen Vergünstigungen nach dem Gemeinnützigkeitsrecht (u. a. ) nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Erträge "ganz oder teilweise einer Rücklage" zugeführt werden, "wenn und so lange dies zur nachhaltigen Erfüllung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke erforderlich ist". Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob ein derartiges Ansammeln von Erträgnissen das einzig geeignete und erforderliche Mittel zur nachhaltigen Erfüllung der Stiftungszwecke war. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Senat mangels einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge der Klägerin binden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), hat die Klägerin die vorgesehenen Mittel ("... bis 30 v. H. dieser Hälfte der Erträgnisse ...") nicht einer Rücklage zugeführt. Sie hat vielmehr die Hälfte der jeweiligen Erträgnisse satzungsgemäß (§ 3 Abs. 4 Buchst. a der Satzung) in der vorgeschriebenen Weise angelegt und dafür insbesondere Wertpapiere erworben. Deren Gegenwert ist zwar in dem vorhandenen Reinvermögen enthalten, nicht aber in einer besonderen Rücklage ausgewiesen, durch die die zweckbestimmten Mittel jederzeit kontrollierbar und nachprüfbar gebunden sind. Damit sind diese Erträgnisse aus dem Stiftungsvermögen einem Zweck zugeführt worden, der nicht als gemeinnützig angesehen und auch nicht als Rücklagenbildung i. S. des § 5 Nr. 4 GemV gewertet werden kann. Diese Mittel dienen auch nicht unmittelbar den in der Satzung aufgeführten gemeinnützigen Zwecken: Die Klägerin hat einen großen Teil ihrer Erträgnisse nicht für die Jugendfürsorge oder für andere allgemeine Wohltätigkeiten gegenüber bedürftigen Personen verwendet und damit durch ihre Tätigkeit diese Zwecke auch nicht ausschließlich verfolgt.
Der Hinweis der Klägerin, mit den angesammelten Mitteln sollten Heime angeschafft werden, die dem Stiftungszweck dienen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Klägerin übersieht, daß die Anschaffung von Wertpapieren usw. nach § 5 Nr. 4 GemV steuerlich (bilanzrechtlich) nicht der Bildung einer - zweckbestimmten - Rücklage gleichgestellt werden kann. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß - wie § 3 Abs. 3 der Satzung ausdrücklich festlegt - für die Erfüllung der Stiftungszwecke "nur die Zinsen des Kapitals ..." verwendet werden dürfen, das Stiftungskapital aber nicht angegriffen werden darf.
Auch der Hinweis der Klägerin auf die (damals noch geplante) Neufassung des § 3 Abs. 4 der Satzung (Verteilung und Verwendung der Erträgnisse) geht fehl. Diese Satzungsänderung kann nur für die Zeiträume gelten, die nach der Änderung liegen. Daß dadurch die "bisherige Satzung und Handhabung" erläutert wird, wie die Klägerin meint, ändert nichts an der anderweitigen satzungsgemäßen und tatsächlichen Behandlung der Erträgnisse durch die Klägerin im Streitjahr.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf Treu und Glauben berufen. Sie räumt selbst ein, daß die Finanzverwaltung für spätere Veranlagungszeiträume nicht an die Beurteilung in früheren Veranlagungszeiträumen gebunden ist. Das ist richtig. Die Frage der Gemeinnützigkeit ist für jede Steuerart und für jeden Vorauszahlungszeitraum (Steuerabschnitt) neu und unabhängig von der früheren Entscheidung zu prüfen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Oktober 1971 III R 52/70, BFHE 104, 85, BStBl II 1972, 204, jeweils am Ende). Der Gang der Verhandlungen zwischen den Beteiligten über die Bedenken des FA bezüglich der Gemeinnützigkeit der Klägerin hat darauf keinen Einfluß. Es war Sache der Klägerin, die Bestimmungen in ihrer Satzung und ihre tatsächliche Geschäftsführung so zu gestalten, daß sie die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erfüllte.
3. Bei dieser Rechtsauffassung des Senats kann es unentschieden bleiben, ob die Klägerin durch die Hingabe eines Teils ihrer Erträgnisse an ... ämter ihre satzungsmäßigen, gemeinnützigen Zwecke unmittelbar erfüllt hat, und ob sich die Rentenzahlungen an die Witwe des Stifters als der erstrebten Steuerbefreiung schädlich erweisen.
Fundstellen
BStBl II 1979, 496 |
BFHE 1979, 360 |