Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Abzug des nicht verbrauchten Betrags einer Großspende durch den Erben
Leitsatz (NV)
Der Erbe kann den nicht verbrauchten Betrag einer Großspende des Erblassers nicht als eigene Spende abziehen.
Normenkette
EStG § 10b Abs. 1 S. 3, § 10d
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob der Kläger eine Großspende, soweit sie sich beim Spender (Erblasser) bis zu dessen Tod einkommensteuerlich nicht ausgewirkt hat, als Erbe bei der eigenen Einkommensteuer abziehen kann.
Die Kläger erzielten im Streitjahr (2000) jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen, der Kläger darüber hinaus Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt und sonstige Einkünfte als Betreuer des am … 2000 verstorbenen Erblassers, der die Kläger zu je einhalb als Alleinerben eingesetzt hatte. Der Erblasser hatte 1998 eine als Sonderausgabe nach § 10b Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbare Spende an die Stiftung S (zu mildtätigen Zwecken) in Höhe von 182 600 DM (in Einzelbeträgen von 160 000 DM, 20 000 DM und 2 600 DM) geleistet. Das für den Erblasser zuständige Finanzamt … hatte diese Spende, da sie mehr als 50 000 DM betrug (Großspende), gemäß § 10b Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG (in der für 1998 bis 2000 geltenden Fassung) bei dessen Einkommensteuerveranlagungen wie folgt abgezogen:
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger, den vom Erblasser nicht verbrauchten Betrag der Großspende, den sie mit 165 195 DM bezifferten, gemäß § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG als vortragsfähig zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 6. September 2002 mit der Begründung ab, eine Übertragung der Großspende auf den Kläger als Rechtsnachfolger sei nicht möglich. Der Gesamtrechtsnachfolger trete materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ein. Höchstpersönliche Verhältnisse oder Umstände, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft seien, seien von der Zurechnung ausgeschlossen. Da der Spendenabzug vom Vorliegen einer persönlichen Eigenschaft des Steuerpflichtigen abhänge, komme insoweit eine Zurechnung bei dem Rechtsnachfolger nicht in Betracht (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. September 1993 X R 107/91, BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874).
Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2002); das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1606 veröffentlicht. Der Übergang nicht ausgeschöpfter Großspendenbeträge auf den Erben scheitere bereits an der fehlenden Identität mit dem Erblasser. Insoweit kämen, entgegen der Auffassung der Kläger, in jedem Fall die vom BFH im Urteil in BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874 aufgestellten personenbezogenen Kriterien für den Spendenabzug zum Tragen. Der BFH leite aus dem in § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmal "zur Förderung" ab, dass als abziehbare Spenden nur solche Ausgaben in Betracht kämen, die der Steuerpflichtige selbst unentgeltlich, freiwillig und "um der Sache willen" (in Spendenmotivation) gegeben habe.
Mit der Revision machen die Kläger geltend:
1. Das FG habe sich nicht auf die Entscheidung in BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874 berufen dürfen. In dem dort entschiedenen Fall habe erst der Steuerpflichtige in Erfüllung einer Vermächtnisverpflichtung den Tatbestand einer Spendenzahlung verwirklicht. Im Streitfall habe hingegen bereits der Erblasser mit der periodenübergreifenden Verteilung gemeindienlicher Ausgaben den entsprechenden Tatbestand nach § 10b Abs. 1 Satz 4 EStG erfüllt mit der Folge, dass hinsichtlich des bereits vom Erblasser verwirklichten Tatbestandes Gesamtrechtsnachfolge eingetreten sei. Für die Beurteilung dieser Frage komme es nicht darauf an, dass weder § 10d EStG noch § 10b EStG eine Erbregelung enthielten, vielmehr gelte allgemeines Steuerrecht, insbesondere § 45 der Abgabenordnung (AO).
2. Der Große Senat des BFH habe mit seinem Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04 (BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608) die über 40 Jahre währende Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs gemäß § 10d EStG geändert. Der Große Senat des BFH sei selbst der Auffassung, dass es einer Vertrauensschutzregelung für Altfälle bedürfe und wolle die Rechtsprechung erst mit Wirkung für die Zukunft angewendet wissen. Der Vertrauensschutz werde durch die Rechtsfolgebetrachtung ausgelöst (Gesamtrechtsnachfolge) und nicht durch die Anwendung dieser Rechtsbetrachtung auf ein einzelnes Besteuerungsmerkmal. Ob es sich dabei um einen Verlustvortrag oder einen nicht ausgeschöpften Großspendenbetrag handele, sei bei dieser Rechtsfolge unerheblich, so dass auch im vorliegenden Fall die Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung der Vorentscheidungen den verbliebenen Teil der Großspende mit 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte gemäß § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG als Sonderausgabe abzuziehen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zutreffend weise das FG darauf hin, dass --wenn schon ein Erbe, der aus eigenen Mitteln und in eigener Person in Erfüllung eines Vermächtnisses Ausgaben tätige, keinen Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen könne-- die erst recht für einen Erben gelte, der selbst keinerlei Ausgaben geleistet habe. Diese Auffassung berücksichtige die grundsätzliche Systematik des Sonderausgabenabzugs, wonach nur der abzugsberechtigt sei, der selbst Aufwendungen (d.h. Zahlungen) geleistet habe und damit wirtschaftlich belastet gewesen sei. Diese Voraussetzung treffe auf die Kläger nicht zu.
Der Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 bestätige diese Auffassung und sei uneingeschränkt auf nicht ausgeschöpfte Großspendenbeträge zu übertragen. Für eine Vertrauensschutzregelung sei in diesen Fällen kein Raum, da gerade keine höchstrichterliche Rechtsprechung bestanden habe, die einen Vertrauensschutz habe auslösen können.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen.
1. § 10b Abs. 1 EStG hat in der für den Veranlagungszeitraum 1998, in dem die Spende geleistet worden ist, maßgeblichen Fassung folgenden Inhalt: "Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Für wissenschaftliche, mildtätige und als besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert. Überschreitet eine Einzelzuwendung von mindestens 50 000 Deutsche Mark zur Förderung wissenschaftlicher, mildtätiger oder als besonders förderungswürdig anerkannter kultureller Zwecke diese Höchstsätze, ist sie im Rahmen der Höchstsätze im Veranlagungszeitraum der Zuwendung, in den zwei vorangegangenen und in den fünf folgenden Veranlagungszeiträumen abzuziehen. § 10d gilt entsprechend."
Danach können sog. Großspenden unter Anwendung des § 10d EStG gemäß § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG zurück- und dann vorgetragen werden.
2. Diese Möglichkeit besteht aber nur für den Spender. Der Erbe des Spenders kommt nicht in den Genuss des von diesem --dem Erblasser-- vorgenommen Spendenabzugs. Der X. Senat hat in der Entscheidung in BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874 aus dem Merkmal in § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG "zur Förderung …" abgeleitet, dass eine Spende um der Sache willen gegeben werden müsse; die Spendenmotivation müsse im Vordergrund stehen. Ein Spendenabzug sei deshalb bereits dann ausgeschlossen, wenn die Zuwendungen an den Empfänger unmittelbar und ursächlich mit einem von einem Dritten gewährten Vorteil zusammenhingen.
Im Streitfall hat der Kläger die entsprechende Zahlung selbst nicht geleistet, so dass ein Spendenabzug erst recht nicht in Betracht kommen kann. Dem Kläger fehlt nicht nur --wie im Fall der vermächtnisweisen Zuwendung eines zu spendenden Betrags-- die Spendenmotivation, sondern er war an der Spende gänzlich unbeteiligt; die geltend gemachten Beträge entstammen nicht seinem Vermögen (dazu auch BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 X R 75/94, BFHE 181, 472, BStBl II 1997, 239; Schneider/ Krammer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10b Rz 82; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10b EStG Rz 16; Seithel, Finanz-Rundschau 1967, 378, 379); der Kläger will lediglich den nicht ausgeschöpften Sonderausgabenabzug des Erblassers für sich in Anspruch nehmen.
3. Eine solche Übertragung der Abzugsmöglichkeit entspricht nicht dem Wesen des höchstpersönlichen Spendenabzugs und kann auch nicht über den Aspekt der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 45 AO gerechtfertigt werden, da nach § 45 Abs. 1 AO höchstpersönliche Umstände, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verbunden sind, nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 45 AO Rz 25; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 45 AO Rz 12).
Für den persönlichen Spendenabzug wird diese Auffassung ausdrücklich in der EStG-Literatur geteilt (siehe Steiner in Lademann, EStG, § 10b Rz 153; Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl., § 10b Rz 66). Die (freiwillige) Zuwendungsentscheidung ist eine persönliche Entschließung des Erblassers; höchstpersönliche Verhältnisse oder Umstände, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft sind, können dem Rechtsnachfolger nicht zugerechnet werden (so Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rz B 714).
4. Der Umstand, dass der Erbe hinsichtlich des allgemeinen Verlustabzugs nach § 10d EStG prinzipiell nicht in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten kann (dazu Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608), dass aber aus Vertrauensschutzgründen die bisherige Rechtsprechung auf Erbfälle anzuwenden sei, die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung des Beschlusses in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 eingetreten seien, kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen; es gibt und gab keine Rechtsprechung, nach der der Abzug von Großspenden vom Erben fortgesetzt werden kann.
5. Dementsprechend kann auch der Verweis in § 10b Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 10d EStG nicht die Notwendigkeit einer Übergangsregelung rechtfertigen. Für den Bereich der Übertragung des Spendenabzugs besteht eben keine Vertrauensgrundlage, die durch eine "jahrzehntelange, von allen befassten Senaten des BFH (mit-)getragene Rechtsprechung sowie eine entsprechende ständige Verwaltungspraxis geschaffen wurde und auf deren Aufrechterhaltung mit Wirkung für die Vergangenheit" der betroffene Steuerbürger sich verlassen durfte.
Fundstellen
Haufe-Index 2102424 |
BFH/NV 2009, 375 |
DStRE 2009, 339 |