Entscheidungsstichwort (Thema)
(Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb einer ausländischen Personenhandelsgesellschaft für Zwecke des Progressionsvorbehalts)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb einer ausländischen Personenhandelsgesellschaft, die über keine Betriebsstätte im Inland verfügt, ist gemäß § 4 Abs.1 EStG zu ermitteln, soweit er für Zwecke des Progressionsvorbehaltes von Bedeutung ist.
2. Bei der Ermittlung des Gewinns können Rücklagen und Abschreibungen nicht berücksichtigt werden, soweit es für sie an einer Rechtsgrundlage im deutschen Steuerrecht fehlt.
3. Die Höhe der Gewerbesteuerrückstellung bestimmt sich nach dem maßgebenden ausländischen Gewerbesteuerrecht, das auf den ausländischen Gewinnermittlungsvorschriften aufbaut.
Normenkette
EStG 1977 § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 4, §§ 6-7, 32b Abs. 1 Nr. 2; AO 1977 § 180 Abs. 5; DBA AUT Art. 15 Abs. 3
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG, einer gewerblich tätigen Personenhandelsgesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in S.
Für Zwecke der Feststellung von Einkünften gemäß § 180 Abs.5 der Abgabenordnung (AO 1977), die nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4.Oktober 1954 ―DBA-Österreich― (BGBl II 1955, 750; BStBl I 1955, 370) von der Bemessungsgrundlage ausgenommen, jedoch bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind, erklärten die Kläger für 1977 folgende Gewinnanteile, die sie aus ihrer Beteiligung an der X-GmbH & Co. KG erzielt hatten:
Bilanzgewinn per 31.Januar 1977 148 847 ÖS
zzgl. Abfertigungsrücklage 95 343 ÖS
zzgl. Vorzeitige Abschreibung 98 511 ÖS
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Zwischenbetrag 342 701 ÖS
abzgl. Rückstellung für höhere
österreichische Gewerbesteuer 30 000 ÖS
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berichtigter Gewinn 312 691 ÖS
umgerechnet in DM 43 964 DM
Gewinnanteil des Klägers zu 1.
(67,5 v.H.) 29 675 DM
Gewinnanteil des Klägers zu 2.
(20 v.H.) 8 750 DM.
Bei der Rückstellung für österreichische Gewerbesteuer handelt es sich um den Mehrbetrag, der in Österreich an Gewerbesteuer mehr zu zahlen gewesen wäre, wenn auch dort der Gewinn nach deutschem Steuerrecht hätte ermittelt werden müssen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) behandelte die o.g. Gewinnanteile der Kläger gemäß Art.15 Abs.1 i.V.m. Art.4 Abs.1 DBA-Österreich als in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) steuerfrei. Er zog sie jedoch bei der Ermittlung des Steuertarifs gemäß Art.15 Abs.3 DBA-Österreich heran. Deshalb stellte er durch Feststellungsbescheid vom 6.März 1983 die Gewinnanteile gemäß § 180 Abs.5 AO 1977 ―abweichend von der Erklärung der Kläger mit 32 523 DM (Kläger zu 1.) bzw. 9 636 DM (Kläger zu 2.)― fest. Die festgestellten Beträge ergeben sich bei der Umrechnung des berichtigten Gewinns in Höhe von 342 701 ÖS in DM, wenn man die von den Klägern angesetzte Gewerbesteuerrückstellung außer Ansatz läßt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Sprungklage der Kläger statt.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4 Abs.1, 32b Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Art.15 Abs.3 DBA-Österreich.
Es beantragt, das Urteil des FG München vom 19.Dezember 1989 7 K 7093/83 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Gewinnanteile der Kläger aus ihren Beteiligungen an der X-GmbH & Co. KG in der Bundesrepublik gemäß Art.15 Abs.1 i.V.m. Art.4 Abs.1 DBA-Österreich steuerbefreit sind.
2. Art.15 Abs.3 DBA-Österreich unterwirft die nach Art.15 Abs.1 DBA-Österreich steuerfreien Einkünfte jedoch dem sog. Progressionsvorbehalt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30.Mai 1990 I R 179/86, BFHE 161, 84, BStBl II 1990, 907, m.w.N.). Die steuerfreien und dem Progressionsvorbehalt unterworfenen Einkünfte müssen deshalb auch betragsmäßig identisch sein (BFH-Entscheidung vom 13.September 1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57 unter II.6). Die Bundesrepublik kann aber nur die nach den einschlägigen deutschen Vorschriften ermittelten Einkünfte von der inländischen Besteuerung freistellen, weil nur insoweit eine sachliche Steuerpflicht besteht. Deshalb folgt aus dem Sinnzusammenhang und der Wirkungsweise des Art.15 Abs.1 DBA-Österreich, daß unter den Einkünften i.S. des Art.15 Abs.3 DBA-Österreich aus der Sicht der Bundesrepublik nur die nach deutschem Steuerrecht ermittelten zu verstehen sind.
3. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Gewinn aus Gewerbebetrieb einer ausländischen Personenhandelsgesellschaft, die über keine Betriebsstätte im Inland verfügt, gemäß § 4 Abs.1 EStG zu ermitteln ist, soweit er für Zwecke des Progressionsvorbehaltes heranzuziehen ist (vgl. BFH in BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57, unter II.5.b). Dabei sind sowohl die materiellen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (vgl. BFH-Urteile vom 18.Februar 1966 VI 326/65, BFHE 85, 535, BStBl III 1966, 496; vom 8.November 1979 IV R 145/77, BFHE 129, 260, BStBl II 1980, 146; vom 20.November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398; Lang, DStJG 1981, 45 ff., 60 ff.) als auch die vorrangig anzuwendenden steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu beachten (§ 5 Abs.4 EStG 1977). Zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung zählt, daß Rücklagen als Passivposten mit Eigenkapitalcharakter zu behandeln sind, die in der Regel den Gewinn im steuerlichen Sinne nicht mindern dürfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn eine sog. steuerfreie Rücklage gesetzlich zugelassen ist. Zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung gehört ferner, daß Rückstellungen nur für ungewisse Verbindlichkeiten oder für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften oder für bestimmte, in dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr unterlassene Aufwendungen gebildet werden dürfen. Zu den vorrangig zu beachtenden steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften gehören §§ 6, 7 und 7a EStG 1977. Danach sind Sonderabschreibungen grundsätzlich unzulässig. Sie können ausnahmsweise angesetzt werden, wenn auf Grund steuerrechtlicher Vorschriften eine Rechtsgrundlage besteht.
Hiervon ausgehend hat das FG bei der Ermittlung des Gewinns der X-GmbH & Co. KG zutreffend weder eine Abfertigungsrücklage noch eine vorzeitige Abschreibung gewinnmindernd berücksichtigt. Für die entsprechenden Ansätze fehlt es im deutschen Steuerrecht an einer Rechtsgrundlage. Dem FG ist allerdings nicht in dessen Auffassung zu folgen, wonach die Nichtberücksichtigung der Abfertigungsrücklage und der vorzeitigen Abschreibungen sich als "fiktive" Gewinnerhöhung für Zwecke des Progressionsvorbehaltes darstellt. Richtigerweise beträgt der nach deutschem Steuerrecht von der X-GmbH & Co. KG im Wirtschaftsjahr 1976/77 erwirtschaftete Gewinn 48 182 DM. Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts handelt es sich bei diesem Betrag weder um einen fingierten noch um einen "fiktiv" erhöhten, sondern um den tatsächlich erzielten Gewinn. Aus diesem Gewinn sind die Gewinnanteile der Kläger abzuleiten.
4. Zu Unrecht hat das FG den Gewinn der X-GmbH & Co. KG um eine Rückstellung für Gewerbesteuer gemindert. Der Ansatz einer solchen Rückstellung kann nur unter dem Gesichtspunkt einer Schuldrückstellung in Betracht gezogen werden. Dies hätte jedoch die Feststellung einer Verbindlichkeit der X-GmbH & Co. KG vorausgesetzt, die nach Entstehung, Grund und/oder Höhe ungewiß war. Das FG ist jedoch davon ausgegangen, daß gerade wegen der abweichenden österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften eine entsprechende Gewerbesteuerschuld mit Sicherheit nicht bestand. Dies schließt den Ansatz einer Schuldrückstellung aus. Dem steht weder das Imparitätsprinzip noch das als Teil des Realisationsprinzips verstandene Periodisierungsprinzip entgegen.
Zwar mag die nach österreichischem Recht gebildete Abfertigungsrücklage irgendwann aufgelöst werden müssen. Auch mag die vorzeitige Abschreibung nach österreichischem Recht dazu führen, daß in den Folgejahren ein geringerer Abschreibungsaufwand entsteht. Beide (hier unterstellten) Rechtsfolgen sind geeignet, die nach österreichischem Recht für spätere Jahre zu ermittelnden Gewinne zu erhöhen, was auch eine höhere Gewerbesteuerschuld auslösen kann. Diese höhere Gewerbesteuerschuld entsteht jedoch erst in den späteren Erhebungszeiträumen. Sie kann auch im Sinne ihrer wirtschaftlichen Verursachung nur den späteren Erhebungszeiträumen zugeordnet werden. Damit kann für sie zum Ende des Wirtschaftsjahres 1976/77 noch keine Rückstellung gebildet werden. Dies belegt nicht zuletzt § 274 des Handelsgesetzbuches (HGB) n.F. Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn für die Belastung mit künftigem Steueraufwand eine Schuldrückstellung gebildet werden könnte.
Entgegen der Auffassung des FG besteht auch keine Wechselwirkung zwischen der Höhe des nach deutschem Steuerrecht zu ermittelnden Gewinns und der Höhe der Gewerbesteuerrückstellung. Die Gewerbesteuer wird nur gegenüber den österreichischen Finanzbehörden geschuldet. Ihre Höhe bestimmt sich deshalb nach dem österreichischen Gewerbesteuerrecht. Die Höhe der Gewerbesteuerrückstellung bestimmt sich nach der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der X-GmbH & Co. KG. Den Wahrscheinlichkeitsüberlegungen muß deshalb ebenfalls das österreichische Gewerbesteuerrecht zugrunde gelegt werden. Entsprechendes gilt auch im umgekehrten Fall, wenn der nach österreichischem Steuerrecht zu ermittelnde Gewinn höher als der nach deutschem Steuerrecht ermittelte sein sollte. Es ist deshalb unzutreffend, wenn das FG von Konsequenzen spricht, die "das deutsche Steuerrecht für diesen Fall vorsehe". Das deutsche Steuerrecht sieht für den gewerblichen Gewinn, den eine ausländische Personengesellschaft im Ausland erzielt, keine gewerbesteuerlichen Konsequenzen vor. Dies muß auch auf die zu bildende Gewerbesteuerrückstellung durchschlagen.
5. Das FG ist in entscheidungserheblicher Weise von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb kann seine Entscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der angefochtene Feststellungsbescheid vom 6.März 1983 ist rechtmäßig. Die Klage ist deshalb unbegründet. Sie war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63540 |
BFH/NV 1992, 4 |
BStBl II 1992, 94 |
BFHE 165, 197 |
BFHE 1992, 197 |
BB 1991, 2265 |
BB 1991, 2289 (L) |
DB 1991, 2575-2576 (LT) |
DStR 1991, 1584 (KT) |
HFR 1992, 47 (LT) |
StE 1991, 399 (K) |