Leitsatz (amtlich)
Verpachtet ein Verein für Heimatpflege ein Gasthaus, das zu einem von ihm unterhaltenen Freilandmuseum in räumlich engem Zusammenhang steht, so liegt darin allein um dieser räumlichen Verbindung willen noch kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, zumal wenn die Unterhaltung des Freilandmuseums selbst keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; GemV § 6 Abs. 3; GemV § 9 Nr. 8
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte ist ein eingetragener Verein für Heimatpflege und als solcher vom Revisionskläger (FA) als gemeinnützig im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG anerkannt. Er unterhält ein Freilandmuseum, das vom FA als steuerunschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 8 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) und Abschn. 12 KStR angesehen wird. Daneben verpachtete der Verein im Streitjahr 1964 zwei ihm gehörige, in alter Bauweise errichtete Gasthäuser. Während das FA zunächst in der Verpachtung beider Gasthäuser einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins sah, erkannte es im Einspruchsverfahren die Verpachtung des einen als reine Vermögensverwaltung im Sinne von § 6 Abs. 3 GemV an, erhielt jedoch hinsichtlich der Verpachtung des anderen seine Auffassung aufrecht. Dieses liege in unmittelbarer Nähe (10 m) des Freilandmuseums und diene dem Verein dazu, Besucher seines Museums anzuziehen, wie umgekehrt das Museum dem Gasthaus Gäste bringen solle. Die für die Bejahung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erforderliche spekulative Absicht im Sinne des Urteils des RFH VI a 27/37 vom 26. April 1938 (RStBl 1938, 613) sei danach gegeben.
Die Klage des Vereins führte zu seiner Freistellung von der Steuer. Das FG führte aus, zu Unrecht berufe sich das FA auf das RFH-Urteil VI a 27/37 (a. a. O.), das noch zu § 11 Abs. 1 der I. KStDVO ergangen sei. Diese Bestimmung habe den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Vergleich zum Gewerbebetrieb als den umfassenderen definiert, während § 6 GemV für die Verpachtung eine Vermutung dahin begründe, daß sie der Nutzung vorhandenen Vermögens diene. Etwas anderes gelte nur dann, wenn das Pachtverhältnis Umstände aufweise, die ein Eindringen des Verpächters in das allgemeine Wirtschaftsleben erkennen ließen (vgl. Böttcher-Leibrecht, Gemeinnützigkeitsverordnung, Anm. 5 zu § 6). Solche Umstände lägen jedoch im Streitfall nicht vor. Der Verein sei weder nach außen, d. h. im Geschäftsleben, wie ein Gewerbetreibender aufgetreten, noch habe er sich in Ansehung des Gastwirtschaftsbetriebes nach außen hin mit einem für sich bestehenden eigenen Wirkungskreis manifestiert. Auch die Verwaltung des Grundstücks samt Gewerbebetrieb erfordere keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Bürobetrieb (wie das bei der Vermietung oder Verpachtung eines großen Bürohauses mit wechselnden Mietern der Fall sei). Ebensowenig könne von einer spekulativen Absicht des Vereins die Rede sein; denn letztere würde eine entsprechende Vertragsgestaltung, die Ausnützung geschäftlicher Konjunktur bzw. die Übernahme eines bestimmten Betriebsrisikos einschließen.
Das Gericht halte das zitierte RFH-Urteil VI a 27/37, das eine reine Vermögensverwaltung im Hinblick auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der verpachteten Gastwirtschaft mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verneint habe, auf den vorliegenden Fall auch deshalb nicht für anwendbar, weil die den Verein bestimmenden Motive bei der Einrichtung der Gastwirtschaft und selbst das Vorliegen einer spekulativen Absicht im Hinblick auf eine Steigerung der Einnahmen des nahegelegenen Museums die privilegierende Bestimmung des § 6 Abs. 3 GemV nicht beiseite schieben könnten. Die Einnahmen aus Verpachtung eines Gewerbebetriebs seien grundsätzlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und damit solche aus reiner Vermögensverwaltung. Eine beabsichtigte oder tatsächliche Steigerung der Einnahmen des Museums durch die Einrichtung und Verpachtung der Gaststätte müsse zumindest so lange steuerlich unschädlich sein, als auch die Unterhaltung des Museums selbst gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 8 GemV in Verbindung mit Abschn. 12 KStR - wie das im Streitjahr der Fall gewesen sei - steuerunschädlich sei.
Bedenken hinsichtlich der Gemeinnützigkeit könnten sich lediglich aus § 9 des Pachtvertrages vom 7. September 1956 ergeben ("Der Pächter verpflichtet sich, Lieferungsaufträge nur an hiesige Mitglieder des Vereins zu vergeben. Ausnahmen sind mit dem Vorstand zu besprechen"). Wie indes der zweite Vorsitzende des Vereins hierzu in der mündlichen Verhandlung - nach Überzeugung des erkennenden Gerichts glaubhaft - vorgetragen habe, sei diese Bestimmung im Pachtvertrag als Schutzmaßnahme gegen den Vorpächter gedacht gewesen, jedoch aus Vorsichtsgründen nicht konkret gefaßt worden. Dagegen sei mit ihr nicht beabsichtigt gewesen, Vereinsmitgliedern, die als Lieferanten in Betracht kommen könnten, einen Vorteil zu verschaffen. Es erscheine dem Gericht glaubhaft, daß die streitige Klausel niemals praktisch angewendet worden sei. Aber selbst wenn das der Fall gewesen wäre, würde dadurch die bisher anerkannte Gemeinnützigkeit des Vereins nicht berührt werden. Denn einmal sei es weitgehende Praxis - auch der gemeinnützigen Vereine -, ihre Mitglieder bei der Vergabe von Aufträgen stillschweigend zu bevorzugen, ohne daß hieraus nachteilige Folgerungen hinsichtlich der Anerkennung der Gemeinnützigkeit gezogen würden. Zum anderen würde der Verein seine Steuerfreiheit aber auch dann nicht verlieren, wenn er die Gastwirtschaft selbst betreiben und in diesem Zusammenhang die Lieferungsaufträge an seine Mitglieder erteilen würde. In diesem Falle wäre er lediglich mit dem Vermögen und mit den Einkünften des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs steuerpflichtig (§ 6 Abs. 1 GemV). Ein Verein, der keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte, sich mithin in geringerem Maße am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteilige, könne nicht schlechtergestellt werden als ein Verein mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb. Schließlich werde die Rechtsnatur der Verpachtung als einer reinen Vermögensverwaltung durch die genannte Klausel nicht beeinträchtigt.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, zu deren Begründung es ausführt:
Das Gasthaus sei ein Teil des Freilandmuseums. Es sei mit altem Hausrat ausgestattet worden, der mitverpachtet sei. Die gesamte Wirtschaftsführung der Gaststätte müsse nach dem Pachtvertrag auf die Zweckbestimmung des Museums abgestellt werden. Das Bedienungspersonal habe die vorgeschriebene Tracht zu tragen. Speisen und Getränke sowie die Aufmachung im und beim Gasthaus seien dessen Eigenart anzupassen (§ 6 des Pachtvertrages). Die Lieferanten seien dem Pächter ebenso vorgeschrieben wie die Öffnungszeiten (§§ 9 und 14 des Pachtvertrages). Der Verein beschränke sich als Verpächter somit nach dem Pachtvertrag wie auch tatsächlich nicht nur auf die Überlassung der Pachtgegenstände zu Gebrauch oder Nutzung. Er habe sich vielmehr weitgehend in die organisatorischen Fragen des verpachteten Betriebes eingeschaltet und dadurch auf die Geschäftsführung des Pächters eingewirkt, was auch erforderlich sei, damit der Charakter des Gasthauses als Teil des Freilandmuseums erhalten bleibe. Auch den Gästen stelle sich das Gasthaus als Teil des Freilandmuseums dar. Insofern erbringe der Verein gegenüber den Besuchern der Gaststätte eine Leistung, der als Gegenleistung die Pachtzahlung des Pächters gegenüberstehe. Das Pachtverhältnis weise somit Umstände auf, die ein Eindringen des Verpächters in das allgemeine Wirtschaftsleben erkennen ließen und bei dem der Verpächter nach außen hin mit einem eigenen Wirkungskreis auftrete.
Daß die Verpachtung über die reine Vermögensverwaltung hinausgehe, ergebe sich aber auch aus der Höhe der Pacht, die nach dem Umsatz bemessen und insbesondere nach oben hin nicht durch einen festen Betrag begrenzt sei (§ 4 des Pachtvertrages). Dadurch nehme der Verpächter in vollem Umfang am Ergebnis des Pachtunternehmens teil und gehe er mit dieser Form der Beteiligung am geschäftlichen Erfolg des Pächters über die reine Vermögensverwaltung im Sinne von § 6 Abs. 3 GemV erheblich hinaus.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Für die Abgrenzung der reinen Vermögensverwaltung vom wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hat bereits der RFH eine Reihe von Grundsätzen aufgestellt, die im Urteil des BFH I 182/55 U vom 17. Dezember 1957 (BFH 66, 247, BStBl III 1958, 96) wiedergegeben sind. Danach sprechen in der Regel die spekulative Absicht, der häufige, die vermieteten Räume zur Ware machende Wechsel der Mieter, der dadurch bedingte, in kaufmännischer Weise eingerichtete Bürobetrieb, die nicht unbedeutenden Nebenleistungen des Vermieters und die nach außen in Erscheinung tretende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (s. auch BFH-Urteil I 53/60 S vom 17. Januar 1961, BFH 72, 637, BStBl III 1961, 233). Insbesondere die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, wie sie in einer nachhaltigen eigenen Tätigkeit des im übrigen als gemeinnützig anerkannten Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommt, ist nach dem BFH-Urteil I 145/64 vom 8. März 1967 (BFH 88, 240, BStBl III 1967, 373) für die Beurteilung entscheidend.
2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so zeigt der Pachtvertrag in seinen einzelnen Bestimmungen keine Merkmale einer solchen Teilnahme des Vereins am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Das gilt zunächst für die Abstimmung der äußeren Gestaltung des Gasthauses (Bauweise, Inneneinrichtung) sowie seiner Führung (Aufmachung einschließlich Trachtenzwang für Pächter und Bedienungspersonal) auf das Freilandmuseum, dem das Gasthaus nach Bauart und Lage zugeordnet ist. Derartige Auflagen sind im Interesse der Erzielung einer höheren Pacht auch bei anderen Gaststätten besonderen Charakters denkbar. Im Streitfall werden sie darüber hinaus durch den Zweck des Vereins als eines Vereins für Heimatpflege erklärt. Was die Vergebung von Lieferungsaufträgen betrifft, so konnte das FG auf Grund der Beweisaufnahme zu seiner Auffassung gelangen, daß diesem Passus im Vertrag eine praktische Bedeutung nicht zukomme. Und auch die Vereinbarung eines umsatzabhängigen Pachtzinses und die vertragliche Festlegung der Öffnungszeiten, diese im Interesse der Erzielung einer angemessenen Umsatzpacht, bedeuten noch keine Teilnahme des Verpächters am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Der vorliegende Streitfall ist dem mit RFH-Urteil VI a 27/37 entschiedenen nicht vergleichbar, in dem der RFH ausgesprochen hat, daß bei wirtschaftlichem Zusammenhang des verpachteten Betriebsvermögens mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Steuerpflichtigen die Verpachtung dieses Betriebsvermögens den Rahmen der reinen Vermögensverwaltung überschreiten könne. In jenem Fall hatte der Stifter des Denkmals von Anfang an die Errichtung einer Gastwirtschaft in der Nähe des Denkmals gefordert und ihre Lage auf der Burg bestimmt. Wenn im vorliegenden Streitfall der Verein sich entschlossen hat, das Gasthaus zu verpachten, um so sein Vermögen zu nutzen, so ist der damit verbundene Umstand einer Werbung für heimatliches Brauchtum steuerlich unschädlich, selbst wenn diese Werbung als ein weiterer Zweck der Verpachtung beabsichtigt gewesen war. Denn wie die in den Grenzen des Abschn. 12 KStR verbleibende Höhe der Einnahmen aus den Museumsbesuchen erweist, kann dieser durch die Verpachtung bedingten Werbung auch vom Verein selbst nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen worden sein.
Fundstellen
Haufe-Index 68540 |
BStBl II 1969, 441 |
BFHE 1969, 389 |