Leitsatz (amtlich)
Auch Gebühren, die ein Rechtsanwalt als Verteidiger in Strafsachen nach den §§ 63 ff. der Gebührenordnung für Rechtsanwälte in Ansatz bringt, sind gesetzlich bemessene Gebühren im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG, soweit sie sich in dem gesetzlich vorgesehenen Rahmen halten.
Normenkette
UStG § 10; UStDB 1951 § 63 (UStDB 1938 § 59); RAGebO §§ 63 ff.
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.), ein Rechtsanwalt, hat in den Jahren 1951 bis 1955 für Gebühren, die er als Verteidiger in Strafsachen nach den §§ 63 ff. der Gebührenordnung für Rechtsanwälte in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 1927 - RAGebO - (RGBl I S. 162 mit den späteren Änderungen, vgl. BGBl 1950 I S. 504) in Ansatz gebracht hat, die darauf entfallende Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt und sie in seinen Umsatzsteuererklärungen nicht als Umsatz angegeben. Das Finanzamt hat auf Grund einer Betriebsprüfung die gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, soweit sie auf Gebühren entfiel, die über den in der RAGebO vorgesehenen Mindestsatz angesetzt waren, zur Umsatzsteuer herangezogen. Es hat eine offene Überwälzung der Umsatzsteuer bei Gebühren über den Mindestsatz als nicht statthaft und daher die Umsatzsteuer als weiteren Teil des Entgelts angesehen.
Der Stpfl. vertritt demgegenüber die Meinung, daß auch Gebühren über den Mindestsatz, soweit sie sich in dem gesetzlich vorgesehenen Rahmen hielten, gesetzlich bemessene Gebühren seien, deren Rahmen zahlenmäßig durch ein Gesetz bestimmt sei.
Nach erfolglosem Einspruch hat die Vorinstanz seiner Berufung stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann der Steuerschuldner die Steuer gesondert anfordern, wenn als Entgelt gesetzlich bemessene Gebühren angesetzt werden. § 63 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 (§ 59 UStDB 1938) nennt als Beispiel einer hiernach zugelassenen offenen Überwälzung der Steuer die Gebühren der Rechtsanwälte nach der Gebührenordnung. Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß dem Wortlaut der angeführten Vorschriften nicht zu entnehmen ist, daß nur die in der Gebührenordnung angegebenen festen Sätze (zum Beispiel § 9 RAGebO), nicht auch die Gebühren, für die die Gebührenordnung einen bestimmten Rahmen vorsieht (zum Beispiel §§ 63 ff. RAGebO), zu den gesetzlich festgesetzten Gebühren rechnen.
Die gegenteilige einschränkende Auslegung, wie sie die Rb. erstrebt, hätte in das Gesetz oder in die UStDB aufgenommen werden müssen. Zwar weist das Finanzamt darauf hin, daß die Rahmensätze für Gebühren in Strafsachen erst durch die Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 21. April 1944 (RGBl I S. 104; vgl. auch die Änderung durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafrechts und des Kostenrechts vom 12. September 1950, BGBl S. 455, 504) eingefügt worden seien, während sie vorher zahlenmäßig bemessen gewesen seien. Doch weist schon Popitz (Umsatzsteuergesetz, 3. Auflage, § 11 Anm. VI 1d S. 805) darauf hin, daß bei Rechtsanwälten nicht bloß die festen und die Gradationsgebühren, sondern auch die Rahmengebühren, wie sie auch damals in verschiedenen Verfahren vorgesehen waren, als gesetzlich bemessene Gebühren zu gelten hätten. Es hätte also nahegelegen, eine etwaige abweichende Auffassung des Gesetzgebers in das UStG 1934, bzw. in die UStDB 1934 und 1938, jedenfalls aber in das UStG 1951 bzw. UStDB 1951 aufzunehmen. Popitz führt zudem aus (a. a. O., Anm. VI 1a S. 804), daß bei Aufnahme der hier streitigen Bestimmung im Mittelpunkt der Erörterung in den Ausschüssen des Reichtstags gerade die Rechtsanwälte gestanden hätten, deren Entgelt in erster Linie in gesetzlich geordneten Gebühren bestehe, die die freie Preiskalkulation ersetzten. Auch Rahmengebühren sind nun sicherlich gesetzlich geordnet und schließen eine freie Preiskalkulation weitgehend aus (vgl. auch § 74 RAGebO, sowie jetzt § 12 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26. Juli 1957, BGBl I S. 907). Da aber nach dem Sinn des § 10 UStG (§ 11 UStG 1926) in erster Linie den freien Berufen geholfen werden sollte, die bei der Einführung unserer heutigen allumfassenden Umsatzsteuer hinsichtlich der Umgrenzung der Umsatzsteuerpflicht wesentlicher Streitpunkt waren, so steht die Auslegung des § 10 UStG durch die Vorinstanz auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift im Einklang.
Hiernach könnte von einer gesetzlich bemessenen Gebühr nur dann nicht gesprochen werden, wenn die Gebühr außerhalb des Rahmensatzes liegt, also wenn eine freie Honorarvereinbarung getroffen worden ist (vgl. auch Beschluß des Sozialgerichts Aurich S 3 B 15/57 vom 3. Oktober 1957, Neue Juristische Wochenschrift 1957 S. 1816).
Fundstellen
Haufe-Index 409444 |
BStBl III 1959, 379 |
BFHE 1960, 314 |
NJW 1959, 1992 |