Leitsatz (amtlich)
Behält sich ein Elternteil bei der Übertragung seines Betriebs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Kinder an mitübertragenem Grundbesitz für sich und seinen Ehepartner den Nießbrauch vor, so ist die Verpachtung an die Kinder in Ausübung des Nießbrauchs steuerlich grundsätzlich anzuerkennen. Eine ungewöhnlich hohe Gegenleistung der Kinder führt jedoch zur Annahme einer Versorgungsabrede. Als Gegenleistung ist die Gesamtheit der vereinbarten Aufwendungen anzusehen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; StAnpG § 1 Abs. 3
Tatbestand
Die beiden alleinigen Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer OHG - übernahmen nach dem notariellen Vertrag vom 29. Dezember 1966 Grundbesitz und das gesamte am 1. Januar 1967 vorhandene Betriebsvermögen des Unternehmens ihres Vaters im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu gleichen Anteilen. An demselben Tage schlossen sie einen Gesellschaftsvertrag, mit dem sie die Klägerin errichteten, um den Betrieb der bisherigen Einzelfirma ihres Vaters fortzuführen.
Die wesentlichen Vereinbarungen des Übergabevertrags sind: Der Vater behält für sich und seine Ehefrau ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz.
Der Grundbesitz wird für die Lebenszeit der Nießbrauchsberechtigten, und zwar bis zum Tode des Längstlebenden, an die Söhne zur Fortführung des Betriebs verpachtet. Der Pachtzins beträgt monatlich 1 650 DM und erhöht sich nach Freigabe der von den Eltern bewohnten Räume auf 1 800 DM. Die Parteien können für die Zukunft eine Änderung des Pachtzinses verlangen; Grundlage für eine Änderung ist das Endgehalt eines Regierungsrates der Besoldungsstufe A 13 in der 13. Dienstaltersstufe nach dem Besoldungsgesetz für das Land Niedersachsen.
Die Pächter tragen alle auf das Pachtobjekt entfallenden Steuern und Abgaben sowie sämtliche Reparaturund Instandhaltungskosten. Sie tragen auch die Gefahr des zufälligen Untergangs.
Die Pächter stellen die Nießbrauchsberechtigten von allen sich aus der Berechtigung ergebenden Verpflichtungen ausdrücklich frei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte die Pachtzahlungen bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für die Jahre 1967 und 1968 nicht als Betriebsausgaben der Klägerin an.
Die gegen die Feststellungsbescheide vom 12. September 1969 erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus, nach dem Gesamtbild des zwischen den Eltern und ihren Söhnen geregelten Verhältnisses, auf das es nach dem Urteil des BFH vom 30. November 1967 IV 39/65 (BFHE 91, 86, BStBl II 1968, 265) ankomme, sei der hier in Betracht kommende Teil des notariellen Vertrages vom 29. Dezember 1966 nur seiner äußeren Form nach ein Pachtvertrag, in Wirklichkeit aber ein privater Versorgungsvertrag. Dafür spreche nicht nur die Anpassung der Pachtzahlungen an das Gehalt eines Regierungsrates statt an den wahren Wert des übergebenen Vermögens, sondern auch der Umstand, daß der Pachtvertrag auf die Lebenszeit der Nießbrauchsberechtigten abgeschlossen sei. Bei dem Kündigungsrecht der Eltern, das auf unpünktliche und unvollständige Zahlung des Pachtzinses, Zahlungsunfähigkeit, Vergleichsverfahren oder Konkurs der Söhne beschränkt sei, handele es sich um eine Vereinbarung, die unter fremden Dritten nicht üblich sei. Äußerst ungewöhnlich für einen Pachtvertrag sei auch die vereinbarte Verpflichtung der Pächter, an jedem Jahresende Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung beim Verpächter einzureichen. Gegen die Annahme eines Pachtvertrages spreche ferner die hinsichtlich der Steuern und Abgaben, der Reparatur- und Instandhaltungsaufwendungen sowie der Gefahr des zufälligen Unterganges getroffene Regelung, die in den §§ 581 ff. BGB keine Stütze finde. Die Klägerin könne schließlich nicht mit Erfolg für ein Pachtverhältnis anführen, der bisherige Firmeninhaber habe sich weitgehende Einflußmöglichkeiten vorbehalten; denn das Recht, in die Geschäftsführung einzugreifen, sei ihm nicht eingeräumt worden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie trägt vor, das FG habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es die Annahme eines Pachtvertrages abgelehnt habe, ohne die Vertragsparteien zu dem Vertrage zu hören. Hätte es dies getan, so hätte es festgestellt, daß der Pachtvertrag ernsthaft gewollt sei. Der Vater habe nämlich durch den Vorbehalt des Nießbrauchs in Verbindung mit dem Pachtvertrag erreichen wollen, daß die Söhne das Unternehmen frühzeitig selbständig führten, er aber die Möglichkeit behalte, notfalls korrigierend auf den Betrieb einzuwirken. Aus diesem Grunde arbeite der Vater - in eingeschränktem Umfang auch die Mutter - immer noch im Betriebe mit. Im Gegensatz zu einem Rentenvertrag habe der Pachtvertrag die Möglichkeit geboten, im Falle der Mißwirtschaft eine Kündigung des Pachtvertrages aus wichtigem Grunde vorzunehmen oder eine Räumung gemäß § 6 Satz 2 des Vertrages zu verlangen.
In materieller Hinsicht rügt die Klägerin Verstöße gegen die §§ 581 ff. BGB und die Grundsätze über die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs. Der Nießbrauch sei ernsthaft gewollt gewesen und tatsächlich vollzogen worden, an seiner steuerlichen Anerkennung könne mithin kein Zweifel bestehen. Das FG habe diese Frage zu Unrecht überhaupt nicht geprüft. Sei aber der Nießbrauch wirksam bestellt worden, so müßten grundsätzlich auch die Pachtzahlungen - als Ertrag des Nießbrauchs - steuerlich anerkannt werden. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz enthalte der Pachtvertrag auch keine besonders eindeutig gegen die Qualifikation als Pachtzahlungen sprechende Bestimmungen. Das FG sei von unzutreffenden Erfahrungssätzen über den Inhalt des Pachtvertrages ausgegangen. Die in der Begründung angeführten einzelnen Bestimmungen enthielten keine für einen Pachtvertrag ungewöhnlichen Vereinbarungen. Dies ergebe sich zum Teil aus der Lebenserfahrung, zum Teil bereits aus einzelnen Vorschriften über den Pachtvertrag im BGB, das nur typische Lebenssachverhalte ausdrücklich regele.
Die Klägerin beantragt, die angefochtenen Feststellungsbescheide unter Aufhebung der Vorentscheidung dahin zu ändern, daß sich der Gewinn für 1967 um 19 170 DM und für 1968 um 20 520 DM vermindert, und hilfsweise, den Rechtsstreit an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen die Klageabweisung nicht.
I.
1. Zu Recht rügt die Klägerin, daß das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Nießbrauch zugunsten beider Elternteile wirksam bestellt worden ist. Vermögensübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge liegen zwar grundsätzlich auf außerbetrieblichem Gebiet (BFH-Urteil vom 23. Januar 1964 IV 8/62 U, BFHE 79, 516, BStBl III 1964, 422). Das schließt aber nicht aus, daß ein Nießbrauch zugunsten des übertragenden Teils bestellt werden kann. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist, daß der Nießbrauch ernstlich gewollt und bürgerlich-rechtlich einwandfrei bestellt ist; ferner muß er tatsächlich ausgeübt werden (BFH-Urteile vom 21. Februar 1967 VI 263/65, BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311, und IV 39/65). Der Nießbrauch kann dadurch ausgeübt werden, daß der belastete Gegenstand verpachtet wird. Die Verpachtung kann auch an den Eigentümer erfolgen (BFH-Urteile vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683; vom 17. Januar 1975 III R 114/73, BFHE 114, 573, BStBl II 1975, 402).
Gemäß §§ 873, 874 BGB wird der Nießbrauch durch Einigung über die Rechtsänderung und Eintragung in das Grundbuch bestellt. Das FG hätte feststellen müssen, ob beide Voraussetzungen erfüllt sind. Der BFH ist nicht befugt, die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Auch hinsichtlich der Beurteilung des Pachtvertrages entspricht die Vorentscheidung nicht der neueren Rechtsprechung des BFH. Der III. Senat des BFH hat im Urteil III R 114/73 entschieden, daß weder die Vereinbarung der Vertragsdauer auf die Lebenszeit beider Elternteile, noch die Koppelung des Pachtzinses an die Besoldung eines Beamten noch die Abwälzung der Steuern und Abgaben sowie der Reparatur- und Instandhaltungskosten auf die Pächter der steuerlichen Anerkennung des Pachtvertrages entgegenstehen müssen. Der erkennende Senat folgt dem III. Senat darin, daß die vorstehenden Merkmale den Versorgungscharakter des Vertragswerks nicht schon so in den Vordergrund treten lassen, daß die bürgerlich-rechtlich gewählte Form des Pachtvertrages beiseite geschoben werden könnte. Dabei mißt er dem Umstand besondere Bedeutung bei, daß der Pachtvertrag für die Nießbrauchsberechtigten die Möglichkeit vorsah, den Grundbesitz - wenn auch nur unter den vereinbarten außerordentlichen Umständen - wieder an sich zu ziehen, von einer endgültigen Übertragung mithin noch nicht gesprochen werden kann.
3. Ist danach für den Fall wirksamer Nießbrauchsbestellung grundsätzlich auch der in Ausübung des Nießbrauchs abgeschlossene Pachtvertrag steuerlich anzuerkennen, so bedarf doch die Höhe der vereinbarten Gegenleistung einer Überprüfung. Eine ungewöhnlich hohe Gegenleistung der Pächter kann dem Vertrag gemäß § 1 Abs. 3 StAnpG insgesamt den Charakter einer Versorgungsabrede geben (vgl. BFH-Urteile III R 114/73 und VI R 299/67).
Um beurteilen zu können, ob die vereinbarten Leistungen angemessen sind, ist zunächst festzustellen, was Gegenstand des Pachtvertrages ist. Die Vorentscheidung enthält schon keine ausdrücklichen Feststellungen dazu, welche Grundstücke im einzelnen verpachtet wurden und wie groß diese sind. Da der Betrieb im übrigen unentgeltlich übergeben wurde, ist bei der Angemessenheitsprüfung auch zu klären, inwieweit Betriebsanlagen von der Grundstücksverpachtung umfaßt wurden. Dabei bedarf es der Feststellung, welche Betriebsanlagen vorhanden waren und - erforderlichenfalls - auch, in welchem Verhältnis diese zu den verpachteten Grundstükken standen. Mit dem Gegenstand der Pacht sind die Aufwendungen der Pächter zu vergleichen. Dabei sind neben dem Pachtzins die anstelle der Nießbraucher bzw. Verpächter übernommenen Verpflichtungen zu berücksichtigen. Zur Gesamtheit der vertraglich vereinbarten Aufwendungen gehören deshalb außer dem Pachtzins auch die auf das Pachtobjekt entfallenden Steuern und Abgaben, die gemäß §§ 581, 546 BGB an sich vom Verpächter zu tragen sind, die Reparatur- und Instandhaltungskosten, soweit sie entgegen der in den §§ 581 ff. BGB getroffenen Regelung von den Pächtern übernommen wurden, sowie schließlich der Wert der den Nießbrauchern als solchen obliegenden Verpflichtungen, die ebenfalls den Pächtern überbürdet wurden.
4. Die vorstehenden Rechtsgrundsätze, die das FG bei seiner erneuten Entscheidung beachten wird, verstoßen nicht gegen das BFH-Urteil IV 39/65. In jenem Fall trat der Versorgungscharakter der Abrede dadurch hervor, daß für die Zeit nach dem Tode eines Elternteils eine Herabsetzung des Pachtzinses vorgesehen war. Danach ergab sich bereits aus dem Vertragstext, daß die Bedürfnisse der Eltern, nicht der Wert des Pachtgegenstandes die Höhe der Gegenleistung bestimmten. Der Streitfall weist eine derartige Besonderheit nicht auf. Der Pachtzins war hier dem ersten Anschein nach vom Wert des Pachtgegenstandes abhängig. Denn der vereinbarte Pachtzins wurde unabhängig vom Tode eines Elternteils geschuldet. Auch sollte er sich noch erhöhen, wenn die Eltern die auf dem verpachteten Grundbesitz bewohnten Räume freimachten.
Fundstellen
Haufe-Index 71895 |
BStBl II 1976, 537 |
BFHE 1977, 44 |