Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vergleichsmaßstab ortsüblicher Vermietungszeiten bei Ferienwohnungen
Leitsatz (NV)
Ob die "ortsüblichen Vermietungszeiten" aus den Vermietungszeiten der anderen Wohnungen im selben ‐ insgesamt vier Wohnungen umfassenden ‐ Gebäudekomplex abgeleitet werden können, ist zumindest zweifelhaft, aber nicht entscheidungserheblich, wenn das FG aufgrund weiterer Umstände zu der den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Überzeugung gelangt, die Ferienwohnung sei nicht ausschließlich zur Vermietung an wechselnde Feriengäste vorbehalten.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie vermieten mehrere Ferienwohnungen auf der Insel X, u.a. vier Wohnungen in einem Doppelhaus. Diese Wohnungen wurden zunächst von einer GmbH vermietet, mit einer Regelung auch zur Eigennutzung. Nach Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit durch die GmbH vermarkten die Kläger das Objekt selbst. Die Belegungssituation dieser Wohnungen gestaltete sich in den Wohnungen 1, 3 und 4 recht einheitlich auf ziemlich hohem Niveau, in der Wohnung 2 allerdings völlig abweichend davon. Sie wurde im Jahr 2003 (Streitjahr) an 33 Tagen vermietet; der --behauptete-- Leerstand der Wohnung 2 betrug 90,96 %, der der anderen Wohnungen von ca. 42 bis 59 %.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte für die Wohnung 2 mangels Überschusserzielungsabsicht keine (negativen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er meinte, die Kläger nutzten diese Wohnung auch privat, so dass eine Prognose angezeigt sei, die hier negativ ausfalle.
Die Kläger erhoben Klage. Nach der Auskunft des Landesamts für Statistik ergäbe sich für die Insel X eine durchschnittliche Belegung von 79 Tagen, während die Wohnung 2 an 33 Tagen vermietet worden sei. Dies sei aber auf den schlechten Sommer 2002 zurückzuführen. In den übrigen Jahren (ab 2000) sei die Wohnung 2 nicht unterdurchschnittlich belegt gewesen.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es sei --wie es in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1163, veröffentlichten Urteil zur Begründung darlegt-- nicht davon überzeugt, dass die Wohnung 2 ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet worden sei, denn die Insel X sei über viele Jahre Urlaubsziel der Kläger gewesen und auch in der ursprünglich mit der GmbH getroffenen Vereinbarung hätten sich die Kläger die eigene Nutzung vorbehalten. Es sei deshalb nicht denkbar, dass dies im Streitjahr anders gewesen sein solle. Überdies seien bei der Prüfung der ortsüblichen Vermietungszeiten nicht die Werte des Landesamtes zugrunde zu legen, sondern die Vermietungszeiten der Wohnungen im selben Haus. Danach liege eine erhebliche Abweichung vor, die auf eine Selbstnutzung der Kläger schließen lasse.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen und formellen Rechts stützen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es auf die ortsübliche Vermietungszeit an. Diese könne nicht aus den Belegungszeiten der vier Wohnungen der Kläger abgeleitet werden. Denn es obliege ihrer Dispositionsbefugnis, welche der Wohnungen sie in welcher Reihenfolge bis zur Vollauslastung vermieteten.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 10. März 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2005 dahin abzuändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung der Wohnung Nr. 2 in dem Objekt Z-Straße … auf X zu ermitteln sind.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Die Kläger können sich auf mangelnde Sachaufklärung nicht mehr berufen, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) eine entsprechende Rüge unterlassen haben (vgl. die ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2005 VII B 61/04, BFH/NV 2005, 921). Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt überdies nicht vor. Das FG hat nicht gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es nicht durch Vernehmung der Zeugin A geklärt hat, ob die Kläger in deren Wohnung gewohnt hatten. Darauf kam es für das FG ersichtlich nicht an; denn es ging nur darum, ob die Wohnung 2 der Kläger ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet worden war.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das FG die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger in Bezug auf die Wohnung 2 abgelehnt und deshalb die Vermietungstätigkeit nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung unterworfen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden (BFH-Urteile vom 29. August 2007 IX R 48/06, BFH/NV 2008, 34, und vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726). Dagegen ist bei in Eigenregie oder durch Beauftragen eines Dritten ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnungen ohne weitere Prüfung von der Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen auszugehen (z.B. BFH-Urteile vom 15. Februar 2005 IX R 53/03, BFH/NV 2005, 1059, unter 2., und vom 24. August 2006 IX R 15/06, BFHE 215, 112, BStBl II 2007, 256, m.w.N.), es sei denn, das Vermieten unterschreitet die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen --ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind-- erheblich, d.h. mindestens um 25 % (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 57/02, BFHE 208, 151, BStBl II 2005, 388).
b) Im Streitfall hat das FG bereits die Voraussetzungen verneint, unter denen ohne weitere Prüfung von der Einkünfterzielungsabsicht ausgegangen werden kann. Es hat nicht feststellen können, dass die Wohnung 2 nur für die Vermietung ausschließlich an wechselnde Feriengäste zur Verfügung gestanden hat. Seine fehlende Überzeugung leitet das FG aus nachvollziehbaren Erwägungen ab (Widersprüche im Hinblick auf die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, ursprünglich enthaltener Selbstnutzungsvorbehalt). An diese nicht zwingende, aber mögliche Würdigung des FG ist der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
c) Ist danach die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger in Bezug auf die Wohnung 2 durch eine Prognose zu überprüfen, kann dahinstehen, ob diese Rechtsfolge auch deshalb eintritt, weil die Vermietungstätigkeit der Kläger in Bezug auf die Wohnung 2 die ortsübliche Vermietungszeit um mindestens 25 % unterschreitet. Hier ist zumindest zweifelhaft, ob man die ortsüblichen Vermietungszeiten aus den tatsächlichen Verhältnissen in einem Gebäudekomplex ableiten kann. So wie der Begriff "ortsüblich" im Übrigen im Gesetz verwendet wird (z.B. in § 21 Abs. 2 EStG), spricht viel dafür, die individuellen Vermietungszeiten nur mit denen zu vergleichen, die bezogen auf den gesamten Ort im Durchschnitt erzielt werden, wovon der Senat z.B. ausgeht, wenn er auf den örtlichen Mietspiegel abstellt (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2005 IX R 10/05, BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71; BFH-Beschluss vom 11. September 2007 IX B 4/07, BFH/NV 2007, 2291). Der Senat pflichtet der Revision überdies bei, dass es regelmäßig dem Steuerpflichtigen überlassen bleiben muss, welche der von ihm vermieteten Wohnung er in welchem Umfang auslastet. Indes kommt es darauf in einem weiteren Sinne nicht an: Denn abgesehen davon, dass das FG die Typisierungsvoraussetzungen von vornherein verneint hat (vgl. unter b), nützt den Klägern ein Abstellen auf die ortsüblichen Durchschnittsvermietungszeiten bereits deshalb nichts, weil nach ihrem eigenen Vortrag die Belegzeiten der Wohnung 2 weit mehr als 25 % unter der vom Landesamt für Statistik ermittelten durchschnittlichen Vermietungsdauer liegen. Die Berufung der Kläger auf den schlechten Sommer 2002 vermag diese Abweichung nicht zu begründen, denn das würde auch für die anderen Wohnungen gelten. Die auf diese Wohnungen bezogenen Vermietungszeiten verzeichnen aber ebenso wenig wie die in der Beherbergungsstatistik ausgewiesenen Durchschnittswerte gegenüber dem Jahr 2002 einen Abfall (eher sogar einen Zuwachs).
d) Das FG hat die Prognose anhand des BFH-Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 durchgeführt und dabei zutreffend nur auf die Wohnung 2 und ihre Belegungszeiten abgestellt. Das folgt schon daraus, dass im Bereich der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung die Tätigkeit des Steuerpflichtigen objektbezogen ist und damit auch die Einkünfteerzielungsabsicht nur bezogen auf das jeweilige Objekt geprüft werden muss (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2003 IX B 97/03, BFH/NV 2004, 196).
Fundstellen
Haufe-Index 2024799 |
BFH/NV 2008, 1484 |