Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung der Tarifnrn. 30.01 und 30.03 Gem.ZT voneinander.
Normenkette
Gem.ZT: Tarifnrn. 30.01; Gem.ZT: Tarifnrn. 30.03; Erläuterungen zum Gem.ZT: zur Tarifnr. 30.03; Brüsseler Erläuterungen: zur Tarifnr. 30.03
Tatbestand
Die Klägerin beantragte eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über die von ihr als Human-Fibrinogen …(2 g) bezeichnete Ware mit Ursprungsland Schweden. Es handelt sich nach Angaben der Klägerin um eine Trockensubstanz, bestehend aus 2 g Fibrinogen, human, Gehalt an koagulierbarem Protein mindestens 90 %, 1 g Natriumchlorid, ca. 0,2 g Natriumzitrat, ca. 0,5 g Natriumazetat. Der ph-Wert nach Lösung in 100 ml aqua destillata wird mit 6,5 angegeben. Die Ware soll als Arzneimangel bei Fibrinogenmangel dienen und in Infusionsflaschen à 2 g Fibrinogen eingeführt werden. Eine Handelspackung beinhaltet eine Infusionsflasche à 2 g Fibrinogen, eine Flasche à 100 ml aqua destillata, einen Überführungsschlauch, einen Luftfilter, ein Infusionsbesteck. Letzteres wird aber nicht eingeführt, sondern der Ware erst im Inland beigefügt.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Ware in ihrer vZTA vom 8. April 1969 als Arzneiware in Aufmachung für den Einzelverkauf der Tarifstelle 30.03-B-2-b des Zolltarifs (ZT) zu. Der Einspruch, mit dem die Klägerin Zuweisung der Ware zur Tarif stelle 30.01-B oder 30.01-A begehrte, hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage wird erneut beantragt, die Ware – offensichtlich unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und der vZTA – der Tarifstelle 30.01-B oder 30.01-A zuzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, Human-Fibrinogen … (2 g) als Trockensubstanz sei unbestritten als ein Auszug von Drüsen und anderen Organen anzusehen. Das Produkt werde aus menschlichem Blut durch Fraktionierung gewonnen. In der Tarifnr. 30.01 werde ausdrücklich ausgeführt, daß Drüsen und andere Organe zu organotherapeutischen Zwecken dieser Tarifnummer zuzuordnen seien. Der Gesetzgeber habe also mit der Schaffung der Tarifnr. 30.01, die nummernmäßig der Tarifnr. 30.03 vorgehe, absichtlich die Produkte, die zu organotherapeutischen Zwecken bestimmt seien, aus der Tarifnr. 30.03 herausgelöst und der Tarifnr. 30.01 zugewiesen. Der Begriff „organotherapeutische Zwecke” umfasse eine bestimmte Gruppe von Arzneimitteln, und zwar solche, die aus menschlichen Drüsen und Organen gewonnen würden. Aus den Erläuterungen zum Deutschen Zolltarif (DZT), Kap. 30, Tarifnr. 30.01 I (2) zu B. 2, sei zu entnehmen, daß Erzeugnisse aus Fibrinogen zur Tarifnr. 30.01 gehörten, wenn sie zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken zubereitet seien. Der Gesetzgeber habe bei den Tarifnrn. 30.01 und 30.03 ausdrücklich zwischen normalen Arzneiwaren und Arzneimitteln zu organotherapeutischen Zwecken unterschieden. Der Tarifnr. 30.01 habe der Gesetzgeber die Produkte zu organotherapeutischen Zwecken zugeordnet und auf eine Aufteilung in die beiden Gruppen wie bei der Tarifnr. 30.03 – „nicht in Aufmachung für den Einzelverkauf” und „in Aufmachung für den Einzelverkauf” – verzichtet. Es bestehe weder Raum noch Grund, gegen den klaren Wortlaut des ZT auch für die Tarifnr. 30.01 eine Unterscheidung in diese beiden Gruppen vorzunehmen, da mit der Tarifnr. 30.01 eine selbständig zu beurteilende Gruppe angesprochen sei.
Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen und bezieht sich zur Begründung auf ihre Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die OFD hat das Human-Fibrinogen … (2 g) als Arzneiware in Aufmachung für den Einzelverkauf der Tarifstelle 30.03-B-II-b des Gemeinsamen Zolltarifs (Gem.ZT) zugewiesen. Es handelt sich bei dem Trockenpulver unbestritten um ein Präparat, das aus Menschenblut gewonnen und als Arzneimittel bei Fibrinogenmangel verwendet werden soll. Drüsen und andere Organe zu organotherapeutischen Zwecken, getrocknet, auch als Pulver, sind in der Tarifnr. 30.01 aufgeführt. Erzeugnisse zu therapeutischen Zwecken fallen aber auch dann nicht unter die Tarifnr. 30.01, wenn sie „Arzneiwaren” im Sinne der Tarifnr. 30.03 darstellen. Nach der Vorschrift 1 zu Kap. 30 Gem.ZT sind „Arzneiwaren” im Sinne der Tarifnr. 30.03:
- Erzeugnisse, die zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken gemischt worden sind;
- zu den gleichen Zwecken geeignete ungemischte Erzeugnisse, die dosiert oder für den Einzelverkauf zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken aufgemacht sind.
Soweit Waren also für therapeutische oder prophylaktische Zwecke gemischt wurden, fallen sie nicht unter die Tarifnr. 30.01. Das gleiche gilt, soweit Waren ungemischt, aber dosiert für den Einzelverkauf zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken aufgemacht sind. Für die letzteren Waren ergibt sich dies eindeutig auch aus der Vorschrift zu Abschn. VI Gem.ZT, wo gesagt ist, daß vorbehaltlich der – im Streitfall nicht in Betracht kommenden – Vorschrift 1 Waren, die wegen ihrer Dosierung oder wegen ihrer Aufmachung für den Einzelverkauf zur Tarifnr. 30.03 gehören, dieser Tarifnummer zuzuweisen sind, auch wenn andere Tarifnummern des ZT in Betracht kommen.
Die Zusammensetzung der in Rede stehenden Ware könnte darauf hindeuten, daß es sich um ein gemischtes Erzeugnis im Sinne der Vorschrift 1 a zu Kap. 30 Gem.ZT handelt. Der Senat kann jedoch dahingestellt sein lassen, ob es sich im Streitfalle um ein gemischtes oder ungemischtes Erzeugnis handelt. Daß die Ware therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken dient, ergibt sich einmal aus dem in dem Antrag auf Erteilung der vZTA angegebenen Verwendungszweck als Arzneimittel und der Gebrauchsanweisung, die der Ware im Inland beigefügt wird, zum anderen auch aus der Beschriftung der Verpackung und des Inhalts, wo gesagt ist, daß die hergestellte Lösung zur intravenösen Infusion dient. Außerdem deutet schon das Wort „Fibrinogen” auf die therapeutische oder prophylaktische Verwendung hin. Ist das Erzeugnis zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken gemischt worden, so fällt es ohne Rücksicht darauf, ob es dosiert ist oder für den Einzelverkauf zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken aufgemacht ist, unter die Tarifnr. 30.03. Ist es aber ein ungemischtes Erzeugnis, so fällt es unter die Tarifnr. 30.03, weil es sowohl dosiert als auch für den Einzelverkauf zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken aufgemacht ist.
Die Begriffe „dosiert” und „für den Einzelverkauf zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken aufgemacht”, sind im Gem.ZT nicht erläutert. Es kann dahingestellt bleiben, in welcher Form und wann die Erläuterungen zum Gem.ZT zu Nr. 30.03 ergangen sind und ob sie gemäß Art. 189 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) für die Bundesrepublik Deutschland (BRD) verbindlich sind. Denn diese Erläuterungen verweisen wegen der Begriffe „dosiert” und „für den Einzelverkauf aufgemacht” auf die Erläuterungen zu Nr. 30.03 des Brüsseler Zolltarifschemas.
Nach den Brüsseler Erläuterungen, die nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) Rs 14/70 vom 8. Dezember 1970 (Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 1970 S. 1001 – Slg. EGH 1970, 1001 –) beim Fehlen einschlägiger von der Gemeinschaft erlassener Bestimmungen maßgebliche Erkenntnismittel für die Auslegung der Positionen des Gem.ZT sind, bedeutet „dosiert”, daß die Ware gleichmäßig in denjenigen Mengen abgeteilt ist, in denen sie gebraucht werden soll (s. Brüsseler Erläuterungen zu 30.03 Abs. B, Buchst. a). Im Streitfalle kann kein Zweifel sein, daß die Ware dosiert ist. Wie aus dem bei den Akten befindlichen Prospekt, der Gebrauchsanweisung und der Warenprobe ersichtlich ist, sind die Trockensubstanz und das Lösungswasser mengenmäßig aufeinander abgestimmt. Die fertige Lösung ist für den einmaligen Gebrauch vorgesehen und innerhalb von vier Stunden zu verwenden. Insbesondere ist deutlich gesagt, daß die Lösung 2 g Fibrinogen, human, enthält.
Für den Begriff „für den Einzelverkauf zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken aufgemacht” ist den Brüsseler Erläuterungen zu 30.03 Abs. B, Buchst. b) zu entnehmen, daß eine Aufmachung für den Einzelverkauf vorliegen muß, die in irgendeiner Weise die therapeutische oder prophylaktische Verwendung der Erzeugnisse erkennen läßt, z. B. durch Angabe der Beschwerden, gegen die sie gebraucht werden sollen, der Anwendungsweise oder der jeweils einzunehmenden Menge. Diese Angaben können, wie es dort weiter heißt, auf der inneren oder äußeren Umschließung, den beigefügten Drucksachen oder in irgendeiner anderen Weise angebracht sein.
Die Art der Verpackung in einem Karton mit aufgeklebtem Inhaltsverzeichnis zeigt die Aufmachung des Erzeugnisses für den Einzelverkauf. Daß im Inland erst das Infusionsbesteck beigefügt wird, spricht nicht gegen diese Auffassung, denn es ist nicht behauptet worden, daß nur das später beigefügte Infusionsbesteck für die vorliegende Arzneiware verwendbar wäre. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Ware, so wie sie eingeführt wird, nach dem Deutschen Arzneimittelgesetz nicht in den Verkehr gebracht werden kann, weil ihr noch eine Gebrauchsanweisung beigefügt werden muß. Entscheidend kann nur sein, ob zolltariflich eine Aufmachung für den Einzelverkauf vorliegt. Das ist der Fall. Aus der Aufmachung der Ware, so wie sie eingeführt wird, ist zwar nicht ersichtlich, gegen welche Beschwerden sie gebraucht werden soll, da die Gebrauchsanweisung erst im Inland beigefügt wird. Es ist aber sowohl auf der Verpackung als auch auf der Flasche mit der Trockensubstanz die Anwendungsweise angegeben, nämlich daß die Lösung zur intravenösen Infusion dient. Hieraus ist aber die therapeutische oder prophylaktische Verwendung erkennbar. Innerhalb der Tarifnr. 30.03 ist die Ware, da sie für den Einzelverkauf aufgemacht ist, der Stelle B – II – b zuzuweisen.
Der erkennende Senat hält im Hinblick auf die Brüsseler Erläuterungen die Rechtslage für geklärt und eine Vorlage an den EGH gemäß Art. 177 EWGV nicht für geboten.
Da nach alledem das Human-Fibrinogen … (2 g) zutreffend der Tarifstelle 30.03-B-II-b zugewiesen worden ist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514641 |
BFHE 1972, 385 |