Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergebliche eidesstattliche Versicherung nach §§ 249 Abs. 2, 95 AO 1977, nicht Voraussetzung für eine eidesstattliche Versicherung nach § 284 AO 1977 - Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Ermessensausübung - Rechtswidrigkeit einer Ermessensentscheidung - Revisionsbegründungsfrist als Einmonatsfrist
Leitsatz (amtlich)
Eine auf § 284 AO 1977 gestützte Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Vermögensverzeichnisses ist --bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen-- unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch dann ermessensgerecht, wenn der Vollstreckungsschuldner die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 ohne die Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) freiwillig anbietet. Eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 284 Abs.2 AO 1977 setzt deshalb auch nicht voraus, daß die Finanzbehörde zuvor vergeblich versucht hat, eine eidesstattliche Versicherung nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 ohne die Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zu erhalten.
Orientierungssatz
1. Eine Behörde muß bei der Ausübung ihres Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet und bei der Auslegung und Anwendung der Normen des einfachen Rechts stets zu beachten (vgl. Beschluß des BVerfG vom 9.11.1976 2 BvL 1/76). Der Grundsatz besagt, daß das eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich sein muß, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Das Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann; es ist erforderlich, wenn nicht ein anderes, gleich wirksames, aber weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte gewählt werden können (vgl. Beschluß des BVerfG vom 16.3.1971 1 BvR 52, 665, 754/66; vgl. auch BFH-Beschluß vom 13.8.1985 VII R 28/82).
2. Außer den in § 102 FGO genannten Fällen der Ermessensüberschreitung und des Ermessensfehlgebrauchs kann eine Ermessensentscheidung der Behörde nur dann rechtswidrig sein, wenn die Behörde unbeachtet läßt, daß sich der Ermessensspielraum im konkreten Einzelfall derart verengt hat, daß nur eine Entscheidung richtig sein kann --Ermessensreduzierung auf Null-- (vgl. Literatur).
3. NV: § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist so auszulegen, daß die Revisionsbegründungsfrist eine Einmonatsfrist ist, die sich an den Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision anschließt (vgl. Beschluß des BFH vom 12.7.1972 I R 206/70; Literatur). Diese Auslegung ist in den Fällen von praktischer Bedeutung, in denen das Ende der Revisionsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Die dadurch verursachte Verlängerung der Revisionsfrist bewirkt automatisch eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist).
Normenkette
AO 1977 §§ 5, 95, 249 Abs. 2, § 284; FGO § 102; ZPO § 915; FGO § 120 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) forderte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) auf. Nach erfolgloser Beschwerde hob das Finanzgericht (FG) die Anordnung des FA zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf. Das FG vertrat die Ansicht, die Anordnung sei ermessensmißbräuchlich, weil sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Beim Bestehen mehrerer Möglichkeiten dürfe stets nur die Form eines Eingriffs gewählt werden, die den Vollstreckungsschuldner am wenigsten in seinen Rechten einschränke. Neben dem vom FA eingeschlagenen Weg, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 zu verlangen, habe aber die weniger belastende Möglichkeit bestanden, den Kläger gemäß §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 aufzufordern, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die Richtigkeit an Eides Statt zu versichern. Bei dieser Möglichkeit unterbleibe die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts. Es sei nicht erkennbar, daß die drohende oder erfolgte Eintragung in das Schuldnerverzeichnis die Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers erweitere. Die Vorschrift des § 284 AO 1977 behalte auch eine eigenständige Bedeutung. Denn sie ermögliche die Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung; dies sei bei der Abgabe nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 nicht der Fall.
Das FA macht zur Begründung der vom FG zugelassenen Revision geltend, das FG sei zu Unrecht von einer Wahlmöglichkeit des FA ausgegangen. Eine derartige Möglichkeit bestehe spätestens seit dem AO-Änderungsgesetz 1970 nicht mehr. § 284 AO 1977 sei an die Vorschrift des § 807 der Zivilprozeßordnung (ZPO) völlig angeglichen worden. Der nach Auffassung des FG vorrangig zu wählende Weg nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 würde zu einer Privilegierung des Steuerpflichtigen gegenüber anderen Schuldnern führen. In der Praxis würde entgegen der Annahme des FG auch kein eigener Regelungsbereich des § 284 AO 1977 verbleiben, weil der Steuerschuldner das kleinere Übel ohne Eintragung in das Schuldnerverzeichnis in Kauf nehmen würde. Entgegen der Annahme des FG habe die Praxis gezeigt, daß nicht die Angst vor der Strafbarkeit, sondern vor allem die Angst vor der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis bisher verschlossene Quellen erschließe, so daß es zu einer Ratenzahlung nach § 258 AO 1977 komme.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
++/ Die Revision ist zulässig. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers in der gesetzlichen Frist begründet worden (§ 124 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung wurde dem FA am 15.März 1990 zugestellt. Die Frist für die Einlegung der Revision lief gemäß §§ 120 Abs.1 Satz 1, 54 FGO, § 222 ZPO, § 187 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 17.April 1990 ab. Nach § 120 Abs.1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Diese Vorschrift ist so auszulegen, daß die Revisionsbegründungsfrist eine Einmonatsfrist ist, die sich an den Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision anschließt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.Juli 1972 I R 206/70, BFHE 106, 483, BStBl II 1972, 957; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 120 Rz.20 m.w.N.). Diese Auslegung ist in den Fällen von praktischer Bedeutung, in denen --wie im Streitfall-- das Ende der Revisionsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. Die dadurch verursachte Verlängerung der Revisionsfrist bewirkt automatisch eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist. Die Revisionsbegründungsfrist lief danach am 17.Mai 1990 ab. Die Revisionsbegründung ist am 17.Mai 1990 und damit rechtzeitig eingegangen. Der Kläger beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf die Regelung der Revisionsbegründungsfrist in § 554 Abs.2 Satz 2, 2.Halbsatz ZPO (Beginn mit Einlegung der Revision). Diese Vorschrift stimmt schon nach ihrem Wortlaut mit § 120 Abs.1 Satz 1 FGO nicht überein. /++
Die Revision ist ++/ auch /++ begründet. Die Klage ist unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Aufforderung des FA zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs.2 AO 1977 ist rechtmäßig. Sie ist entgegen der Auffassung des FG nicht ermessensfehlerhaft.
Die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Bekräftigung des vorzulegenden Vermögensverzeichnisses stellt, wie sich aus § 284 Abs.2 Satz 2 AO 1977 ergibt, eine Ermessensentscheidung dar (vgl. Senatsbeschluß vom 9.Mai 1989 VII B 205/88, BFH/NV 1990, 79 m.w.N.). Sie unterliegt deshalb nach § 102 FGO nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Außer in den in § 102 FGO genannten Fällen der Ermessensüberschreitung und des Ermessensfehlgebrauchs kann eine Ermessensentscheidung der Behörde nur dann rechtswidrig sein, wenn die Behörde unbeachtet läßt, daß sich der Ermessensspielraum im konkreten Einzelfall derart verengt hat, daß nur eine bestimmte Entscheidung richtig sein kann - Ermessensreduzierung auf Null (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 284 AO 1977 Tz.4; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 102 Rz.2 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Der Meinung der Vorinstanz, bei der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 sei das Ermessen der Behörde in der Regel in der Weise reduziert, daß die Aufforderung erst dann ermessensgerecht sei, wenn zuvor eine auf §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 gestützte Aufforderung zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und einer Versicherung an Eides Statt erfolglos geblieben sei, vermag der Senat nicht zu folgen.
Zwar bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausgangspunktes des FG, daß die Behörde nicht nur nach § 284 AO 1977, sondern auch nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 die Möglichkeit hat, vom Schuldner ein Vermögensverzeichnis und eine eidesstattliche Versicherung über dessen Richtigkeit und Vollständigkeit entgegenzunehmen (vgl. App, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1989, 148). Doch weder aus der AO 1977 noch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit läßt sich die vom FG angenommene Stufenfolge für ein ermessensgerechtes Vorgehen der Behörde ableiten.
Während § 249 AO 1977 zu den Allgemeinen Vorschriften des sich mit der Vollstreckung befassenden Sechsten Teils der AO 1977 gehört, steht § 284 AO 1977 unter der Überschrift "Vollstreckung in das bewegliche Vermögen". Dies spricht dafür, daß es sich bei § 284 AO 1977 im Rahmen der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen um eine den allgemeinen Vorschriften vorgehende Spezialvorschrift handelt (ebenso: Strunk, Der richtige Weg zur eidesstattlichen Versicherung in der Abgabenordnung, DStZ 1991, 562, 564). Für diese Auffassung kann auch angeführt werden, daß --wie auch das FG zutreffend angenommen hat-- nur bei einer auf § 284 AO 1977 gestützten Aufforderung zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung Zwangsmittel im Falle der Weigerung vorgesehen sind (vgl. § 284 Abs.7 AO 1977 und andererseits § 95 Abs.6 AO 1977).
Für die aus der Gesetzessystematik abgeleitete Annahme, es handele sich bei § 284 AO 1977 (bis 31.Dezember 1976: § 332 AO) um eine Spezialvorschrift für die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit eines Vermögensverzeichnisses, spricht auch die Entstehungsgeschichte. Durch das Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (AOÄG) 1965 vom 15.September 1965 (BStBl I 1965, 643) wurde mit Wirkung ab 1.Januar 1966 in § 332 Abs.4 der Reichsabgabenordnung (AO) die Eintragung in das beim Amtsgericht geführte Schuldnerverzeichnis (§ 915 Abs.1 ZPO) --abweichend von der bisherigen gesetzlichen Regelung des Offenbarungseides in § 325 Abs.2 AO-- für den vor dem FA zu leistenden Offenbarungseid gesetzlich vorgeschrieben. Zur Begründung wurde angeführt, daß eine unterschiedliche Behandlung der vor dem Amtsgericht und vor dem FA geleisteten Offenbarungseide nicht gerechtfertigt sei und das dem Schutz anderer Gläubiger dienende Schuldnerverzeichnis sonst unvollständig und irreführend wäre (vgl. BTDrucks IV/2442 vom 29.Juni 1964 - 8 - 53104-5397/64, S.20).
Somit kann die vom FG angenommene Stufenfolge für ein ermessensgerechtes Vorgehen bei der Aufforderung zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und seiner eidesstattlichen Versicherung selbst unter Berücksichtigung eines evtl. gesetzgeberischen Willens aus der Gesetzessystematik der AO 1977 nicht abgeleitet werden. Die Auffassung des FG und des Klägers würde außerdem zu dem Ergebnis führen, daß der Vollstreckungsschuldner es in der Hand hätte, durch freiwillige Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit den nach § 284 Abs.2 und Abs.6 AO 1977 vorgesehenen Gläubigerschutz zu unterlaufen, obwohl Vollstreckungsmaßnahmen weiterhin aussichtslos bleiben.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt nicht deshalb zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, weil die Erlangung einer eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 95, 249 AO 1977 nicht in das Verfahren einbezogen worden ist (a.A.: App, a.a.O.; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 284 Anm.6; unklar: Hundt-Eßwein, DStZ 1987, 298, 299). Bei Annahme, daß beide Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ist die auf § 284 AO 1977 gestützte Aufforderung gegenüber dem Vorgehen nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 als das wirksamere Mittel zur Aufdeckung sämtlicher Vermögenswerte anzusehen. Sie ist damit ermessensgerecht i.S. von § 5 AO 1977.
Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß eine Behörde bei Ausübung ihres Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen muß. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet und bei der Auslegung und Anwendung der Normen des einfachen Rechts stets zu beachten (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 9.November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Der Grundsatz besagt, daß das eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich sein muß, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Das Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann; es ist erforderlich, wenn nicht ein anderes, gleich wirksames, aber weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte gewählt werden können (vgl. Beschluß des BVerfG vom 16.März 1971 1 BvR 52, 665, 754/66, BVerfGE 30, 292, 316; vgl. auch Senatsbeschluß vom 13.August 1985 VII R 28/82, BFHE 144, 316, 318).
Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur wird das Verlangen der Finanzbehörde nach eidesstattlicher Bekräftigung eines Vermögensverzeichnisses als ermessensfehlerhaft angesehen, wenn sie die Vermögensverhältnisse des Schuldners bereits zuverlässig kennt (vgl. dazu Senatsbeschluß in BFH/NV 1990, 79; FG Berlin, Urteil vom 19.Juni 1979 V 121/79, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1980, 57, 58; Dumke in Schwarz, Abgabenordnung, § 284 Anm.5 und 14; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 284 AO 1977, Anm.27; Zwank in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 284 Rz.7). Dem entspricht die in Abschn.52 Abs.2 zu § 284 AO 1977 ergangene Regelung in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung (Vollstreckungsanweisung) vom 13.Mai 1980 (BStBl I 1980, 112, 128). Danach soll von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung Abstand genommen werden, wenn nach Überzeugung der Vollstreckungsstelle feststeht, daß das vom Vollstreckungsschuldner vorgelegte Vermögensverzeichnis vollständig und wahrheitsgemäß ist.
Vor diesem --das Ermessen bei Anwendung des § 284 AO 1977 einschränkenden-- Hintergrund erscheint eine nicht nur strafbewehrte, sondern auch mit einer Eintragung in das beim Amtsgericht geführte Schuldnerverzeichnis verbundene eidesstattliche Versicherung als das wirksamere und deshalb auch erforderliche Mittel zur Aufdeckung zuvor evtl. verborgener Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners (vgl. auch App, Der Steuerberater 1990, 337, 338). Denn je besser der Vollstreckungsschuldner seine Vermögenswerte verborgen hat, desto geringer ist die Gefahr ihrer Aufdeckung durch die Behörde und mithin die Gefahr einer Bestrafung wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Demgegenüber wirkt sich die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis auf die Kreditwürdigkeit und das geschäftliche Ansehen des Vollstreckungsschuldners mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ aus. Deshalb erscheint entgegen der Auffassung des FG die Erwägung, der Vollstreckungsschuldner werde bislang verborgene Vermögenswerte aufdecken und zur Befriedigung seiner Gläubiger verwenden, wenn eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis drohe, nicht verfehlt.
Ist danach die Aufforderung zur Abgabe einer in das Schuldnerverzeichnis einzutragenden eidesstattlichen Versicherung zur Erreichung des angestrebten Zweckes nicht nur geeignet, sondern unter den zur Auswahl stehenden gesetzlichen Mitteln auch das effektivere, so rechtfertigt dies die Ermessensausübung zugunsten des den Schuldner stärker belastenden Eingriffs. Der Senat hält Effektivitätserwägungen der Verwaltung bei der Ermessensentscheidung entgegen den Einwendungen des Klägers für sachgerecht.
Der Entscheidung für die auf § 284 AO 1977 gestützte Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit dem Ziel der Aufdeckung evtl. verborgener Vermögenswerte kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß der Zweck des nach § 915 Abs.1 ZPO beim Amtsgericht geführten Schuldnerverzeichnisses nicht darin liege, dem Vollstreckungsgläubiger ein Druckmittel an die Hand zu geben. Zwar dient das Schuldnerverzeichnis dem Schutz des Geschäftsverkehrs vor unzuverlässigen Schuldnern (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 48.Aufl., § 915, Anm.1; Beschluß des Landgerichts --LG-- Tübingen vom 26.August 1985 5 T 120/85, Der Deutsche Rechtspfleger --Rpfleger-- 1986, 24, 25; des LG Freiburg vom 29.Januar 1986 8 T 17/86, Rpfleger 1986, 187; vgl. auch Beschluß des BVerfG vom 25.Juli 1988 1 BvR 109/85, Rpfleger 1989, 121, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Schuldnerliste nach § 107 Abs.2 der Konkursordnung --KO-- auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bejaht wird). Sähe man aber wegen dieser Zielrichtung der Schuldnerliste nach § 915 Abs.1 ZPO die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 nur in Fällen als ermessensgerecht an, in denen der Schuldner nicht freiwillig eine Versicherung nach §§ 249 Abs.2, 95 AO 1977 abgibt, so würde dies zu einer --ausweislich der oben angeführten Entstehungsgeschichte und der sich dazu aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Gründe vom Gesetzgeber nicht gewollten-- Benachteiligung des Fiskus gegenüber privaten Gläubigern führen. Denn letzteren stünde weiterhin uneingeschränkt die Möglichkeit offen, eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO mit der Folge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zu verlangen. Den Finanzbehörden wäre das auch bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 284 AO 1977 nicht ohne weiteres gestattet. Der Vollstreckungsschuldner hätte vielmehr die Möglichkeit, zur Vermeidung einer erzwingbaren Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die zu einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis führt, eine freiwillige Versicherung abzugeben, die nicht diese gravierende Konsequenz hat; seine verborgenen Vermögenswerte könnte er dann vorrangig zur Befriedigung privater Gläubiger verwenden, so um die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vollends zu vermeiden.
Fundstellen
Haufe-Index 63725 |
BFH/NV 1992, 10 |
BStBl II 1992, 57 |
BFHE 165, 477 |
BFHE 1992, 477 |
BB 1992, 983 |
BB 1992, 983-984 (LT) |
DStZ 1992, 125 (KT) |
HFR 1992, 103 (LT) |
StE 1992, 8 (K) |
WPg 1992, 156 (S) |
StRK, R.7 (KT) |
Information StW 1992, 112 (T) |
ZfZ 1992, 48 (KT) |