Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsgruppenreise von Gerichtsreferendaren
Leitsatz (NV)
Eine von Gerichtsreferendaren in eigener Verantwortung organisierte Auslandsgruppenreise führt jedenfalls dann nicht zu Werbungskosten, wenn neben einem berufsorientierten Programm reichlich Zeit für die Verfolgung touristischer Interessen verbleibt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat vom 8. bis 14. Mai 1982 mit Mitgliedern seiner Gerichtsreferendararbeitsgemeinschaft eine Studienreise nach Budapest unternommen. Die hierfür als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) weder im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 noch in der Einspruchsentscheidung zum Abzug zugelassen.
Den Aufwendungen lag nach der vom Finanzgericht (FG) gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den eingereichten Unterlagen habe die Reise u. a. folgendes Programm gehabt:
Montag, 10. Mai abends Gespräch mit Studenten der juristischen Fakultät der Universität Budapest,
Dienstag, 11. Mai vormittags Besuch der Ausstellung des ungarischen Innenministeriums über Aufklärung und Verhütung von Straftaten, nachmittags Besuch der Deutschen Botschaft mit Referat über diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland und konsularische Tätigkeit der Botschaft,
Mittwoch, 12. Mai vormittags Besuch beim Verband ungarischer Juristen mit Referat des Generalsekretärs über ungarisches Recht, nachmittags Empfang beim Dekan der juristischen Fakultät mit Referat über ungarisches Recht und juristische Ausbildung,
Donnerstag, 13. Mai vormittags Burgführung von Rechtsanwalt Dr. X mit Gespräch über Geschichte und derzeitige politische Lage Ungarns.
Der Ausbildungsleiter beim Landgericht habe bestätigt, daß der Kläger vom 8. bis 14. Mai 1982 an einer Studienreise der Referendararbeitsgemeinschaft . . . beim Landgericht nach Budapest teilgenommen habe; außerdem sei die Veranstaltung vom Justizministerium Baden-Württemberg durch Erlaß vom 6. Juli 1982 2221 a - PA/1130 genehmigt und gemäß A VI 2 b der Ausbildungsvorschriften des Justizministeriums - AVdJM - vom 31. März 1982 mit einem Zuschuß zu den Reisekosten in Höhe von 35 DM pro Teilnehmer gefördert worden sei.
Auf Anfrage des Berichterstatters des FG hat der Ausbildungsleiter noch mitgeteilt, das Programm der Studienreise sei vermutlich im wesentlichen von der Sprecherin der Referendararbeitsgemeinschaft ausgearbeitet worden. An der Reise habe kein Ausbilder teilgenommen. Es habe auch keine Teilnahmeverpflichtung bestanden. Die Höhe des Zuschusses, der im Bereich des üblichen gelegen habe, habe sich nach Dauer, Kosten und Fortbildungswert der Reise gerichtet.
Mit der Klage wurde vorgetragen, die Anreise sei am 8. Mai erfolgt. Die 900 km lange Strecke sei auf direktem Weg, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, ohne weitere Aufenthalte zurückgelegt worden. Man sei am selben Tag zwischen 19.00 und 20.00 Uhr in Budapest angekommen. Am 10. Mai habe im wesentlichen die organisatorische Vorbereitung der weiteren Veranstaltungen vorgenommen werden müssen. Die Veranstaltung mit den Studenten der juristischen Fakultät habe erst etwa gegen 19.00 Uhr begonnen, da sich die Kollegen in Examensvorbereitungen befunden hätten. Da das Reisebüro Hotelzimmer in Budapest nur bis zum 13. Mai habe buchen können, sei man in den Nachmittagsstunden dieses Tages in das ca. zwei Stunden entfernte Z gefahren, von wo die Heimreise angetreten worden sei. Bei der Studienreise habe es sich um eine ,,ausbildungsförderliche Veranstaltung" i. S. von Teil A VI 2 b der AVdJM vom 1. Juli 1977 (Die Justiz 1977, 321) gehandelt, die integrierter Bestandteil des Vorbereitungsdienstes gewesen sei. Während dieser Zeit hätten zwar die üblichen Dienstgeschäfte geruht, die beamtenrechtlichen Dienstpflichten, insbesondere zur Teilnahme an den einzelnen Veranstaltungen hätten jedoch weiterbestanden. Es habe keine private, sondern eine dienstliche Fortbildungsreise vorgelegen, die auch inhaltlich dem Ausbildungsziel entsprochen habe. Zu letzterem gehörten auch die Materien Rechtsvergleichung und internationales Recht. Über den sachlichen Inhalt der einzelnen Veranstaltungen gefertigte Gedächtnisprotokolle, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, wurden dem FG vorgelegt.Die Klage hatte Erfolg. Das FG war der Ansicht, die Studienreise sei nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen. Der hinreichend fachliche Bezug der besuchten Veranstaltungen ergebe sich aus dem weitgefaßten Ausbildungsziel des § 27 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung der Landesregierung über die Ausbildung und Prüfung der Juristen vom 16. Dezember 1981 - JAPrO - (Gesetzblatt Baden-Württemberg 1982, 3), wonach der Vorbereitungsdienst u. a. dazu diene, daß der Rechtsreferendar den inneren Zusammenhang der Rechtsordnung erkenne und das Recht mit Verständnis für wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Fragen anzuwenden wisse. Als Ausbildungsstationen sehe § 29 Abs. 1 Nr. 6 g JAPrO auch die Zuweisung zu einer ausländischen Stelle vor. Danach gehörten auch rechtsvergleichende Studien und die Unterrichtung über die Tätigkeit der deutschen Auslandsvertretungen zu den konkret berufsbezogenen Wissensgebieten eines Rechtsreferendars. Die vorgelegten Protokolle hätten erkennen lassen, daß sich die Reiseteilnehmer eingehend mit dem ungarischen Recht einschließlich der Ausbildung und Tätigkeit ungarischer Juristen befaßt hätten. Das gelte auch für die Diskussion mit ungarischen Studenten, den Empfang beim Dekan der juristischen Fakultät und den Besuch beim Generalsekretär des Verbandes ungarischer Juristen sowie der Ausstellung im Innenministerium. Hinzu komme, daß der Aufenthalt in Ungarn gemäß Teil A VI 2 b AVdJM integraler Bestandteil des Vorbereitungsdienstes gewesen sei und daß die Reise vom Ausbildungsleiter genehmigt und vom Justizministerium nachträglich gebilligt und bezuschußt worden sei.
Der überwiegend beruflichen Veranlassung der Reise stehe nicht entgegen, daß am 10. Mai nur eine vier- bis fünfstündige berufsbezogene Veranstaltung und am 13. Mai die Besichtigung der Burg von Buda mit geschichtlichen und soziologischen Ausführungen stattgefunden habe.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Es ist der Ansicht, die streitigen Aufwendungen seien nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, da die Reise auch allgemein touristischen Interessen gedient habe. Dies ergebe sich bereits daraus, daß Sonntag, der 9. Mai, und Montag, der 10. Mai, tagsüber zur freien Verfügung gestanden hätten und der 13. Mai mit einer Besichtigung der Burg von Buda belegt gewesen sei. Demnach seien von einer sechstägigen Studienreise nur zwei Tage ganztägig zu Informationen genutzt worden, wobei diese im wesentlichen ebenfalls nur der Förderung der allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und geographischen Bildung gedient hätten. In einem vergleichbaren Fall, einer 17tägigen USA-Reise von Gerichtsreferendaren, habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 80/78 - nicht veröffentlicht (NV) - entschieden, daß dem Besuch der deutschen Botschaft nur allgemeinbildender Charakter beizumessen sei. Gleiches müsse im Streitfall für den Besuch der deutschen Botschaft, der Ausstellung des Innenministeriums über Aufklärung und Verhütung von Straftaten und des Verbandes ungarischer Juristen sowie für den Empfang beim Dekan der juristischen Fakultät der Universität Budapest gelten.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
In Übereinstimmung mit der überzeugenden Würdigung durch das FG sei ein schädliches Privatinteresse an der Reise zu verneinen. Insbesondere habe das FG zu Recht dem Umstand kein entscheidendes Gewicht beigemessen, daß die Veranstaltung im Rahmen der historischen Bezüge auch eine Besichtigung der Burg von Buda eingeschlossen habe. Eine derartige Begehung weise zwar bei isolierter Betrachtungsweise keine Berufsbezogenzeit auf. Jedoch sei die Besichtigung nicht touristisch motiviert gewesen, sondern von Rechtsanwalt Dr. X initiiert und in seinen Vortrag zur Veranschaulichung eingebettet gewesen. Auch sei in Betracht zu ziehen, daß die im einzelnen abgehaltenen Veranstaltungen vorab fest eingeplant gewesen seien, ihre Realisierung jedoch vor Ort zum Teil auf organisatorische Schwierigkeiten gestoßen sei. Daß die Veranstaltungen die Aufenthaltszeit nicht vollständig und nicht gleichmäßig abgedeckt hätten, habe daher nur auf Zufälligkeit beruht und erlaube keine allzu weit gehenden Rückschlüsse auf die Frage der beruflichen Veranlassung der Studienreise, insbesondere keine Rückschlüsse etwa auf ein ,,Freihalten" von Zeiten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Zu den nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigenden Werbungskosten gehören auch Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden (Fortbildungskosten). Hierzu können die Kosten für die Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise zählen, sofern es sich nicht um sog. gemischte Aufwendungen handelt, die nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbar sind. Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der privaten Lebensführung angehören können, führen nur dann zu Werbungskosten, wenn die Reisen zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werden, also die Verfolgung privater Interessen, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1990 IV R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92, und vom 27. März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991, 575, jeweils m. w. N.).
2. Die Würdigung des FG, daß die streitige Auslandsreise so gut wie ausschließlich beruflichen Zwecken gedient habe, ist mit den getroffenen Feststellungen nicht vereinbar.
a) Der Reise lag kein unmittelbarer beruflicher Anlaß wie beispielsweise das Halten eines Vortrags auf einem Fachkongreß oder die Durchführung eines Forschungsauftrags zugrunde. Sie wurde vielmehr lediglich zu allgemeinen beruflichen Informationszwecken unternommen. Der vom FG angesprochenen Möglichkeit eines Referendars, einen Teil der Ausbildung bei einer ausländischen Stelle bzw. einem ausländischen Rechtsanwalt abzuleisten, kommt im Streitfall keine Bedeutung zu, da hiervon nicht Gebrauch gemacht worden ist.
Auch der Hinweis des FG auf das weit gefaßte Ausbildungsziel bei Gerichtsreferendaren rechtfertigt nicht die Annahme einer so gut wie ausschließlich beruflichen Veranlassung der Reise. Der Senat hat im nicht veröffentlichten Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 80/78 (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. September 1990 VI R 110/87, BFH/NV 1991, 232 zur Polenreise von Rechtsreferendaren) die Würdigung des FG nicht beanstandet, daß der anläßlich einer USA-Reise erfolgte Besuch einer Stadtverwaltung, des Kapitols, des Supreme Court und der deutschen Botschaft nicht den speziellen beruflichen Bedürfnissen eines Gerichtsreferendars, sondern der Erweiterung dessen Allgemeinbildung gedient habe. Ob Vergleichbares im Streitfall angenommen werden kann, ist fraglich, da nähere Feststellungen zur Ausgestaltung der vom FG als berufsspezifisch angesehenen Veranstaltungen fehlen. Mit dem Inhalt der diesbezüglichen Protokolle hat sich das FG nicht auseinandergesetzt. Hierzu bestand indessen Veranlassung, weil die Niederschrift über den Erfahrungsaustausch mit ungarischen Studenten, über den Gegenstand der Ausstellung im Innenministerium sowie über die Ausführungen in der deutschen Botschaft und beim Verband ungarischer Juristen, im wesentlichen soziologische und politische Informationen wiedergeben, während sich Erkenntnisse über das Rechtssystem in Ungarn nur vereinzelt finden.
b) Ob das FG die betreffenden Veranstaltungen zu Recht als berufsspezifisch angesehen hat, kann jedoch dahinstehen, da sich ein nicht lediglich untergeordnetes Privatinteresse an der Reise bereits aus anderen Gründen ergibt. Den Teilnehmern standen neben dem An- und Abreisetag fünf Aufenthaltstage zur Verfügung. Während dieser Zeit haben ,,Fachveranstaltungen" an zwei Tagen - ggf. zusätzlich einer Abendveranstaltung mit ungarischen Studenten - stattgefunden. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, daß der berufliche Teil der Reise bei weitem überwogen haben soll. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Kläger ebenso wie am Tag der Besichtigung der Burg Buda auch die beiden anderen freien Tage zu nicht beruflichen Zwecken nutzen konnte und genutzt hat.
Fundstellen
BFH/NV 1992, 240 |
NWB 1993, 361 |