Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung einer Pensionszusage gemäß § 8 Abs. 2 BetrAVG steuerbegünstigt
Leitsatz (amtlich)
Die vertraglich nicht vereinbarte Abfindung einer Pensionsverpflichtung nach § 8 Abs.2 BetrAVG beruht auf einer neuen Rechtsgrundlage.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a; BetrAVG § 8 Abs. 2; EStG § 34 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 03.03.1993; Aktenzeichen 14 K 113/91) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit dem 1.Januar 1968 als Arbeitnehmer bei der M-GmbH in K tätig. Mit Schreiben vom 6.Dezember 1977 erhielt er von seiner Arbeitgeberin anläßlich seines "10-jährigen Firmenjubiläums" eine Pensionszusage, die von der Vollendung des 65.Lebensjahres an zur Auszahlung kommen sollte. Es handelte sich um eine Alters- und Witwenpension, die mindestens in der Höhe der Höchstrente der Angestellten-Versicherung monatlich gezahlt werden sollte. Die angekündigte Urkunde über den Inhalt der Pensionszusage wurde dem Kläger nicht ausgehändigt.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete am 27.Mai 1981, nachdem über das Vermögen der M-GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden war. Im Streitjahr erhielt der Kläger von einem Pensions- Sicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) aufgrund der Pensionszusage und der entsprechend bis zum Konkurs gebildeten Rückstellungen nach § 8 Abs.2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) eine Pensionsabfindung in Höhe von 52 259 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Anwendung des § 34 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab, verteilte die Abfindung jedoch gemäß § 34 Abs.3 EStG auf die Jahre 1982 bis 1984. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Pensionsabfindung beruhe nicht auf einer neuen Rechtsgrundlage, da das Recht auf Abgeltung der Pensionsanwartschaft durch eine einmalige Kapitalabfindung durch den nach § 7 Abs.5 Satz 1 BetrAVG an die Stelle des Arbeitgebers getretenen PSVaG aus § 8 Abs.2 i.V.m. § 1 Abs.1 BetrAVG folge. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der Auffassung des FA, bei der Abfindung handele es sich gegenüber den zugesagten Pensionszahlungen nur um eine auf der Grundlage der Pensionszusage beruhende andere Zahlungsart, sei nicht zu folgen. Die M-GmbH habe sich in der Pensionszusage kein Wahlrecht zu einer Kapitalabfindung vorbehalten. In der Zusage sei nur von einer "Alters- und Witwenpension" die Rede, die "monatlich zur Auszahlung gelange". Einen Hinweis, daß die Arbeitgeberin wahlweise auch zur Auszahlung einer Kapitalabfindung habe berechtigt sein sollen, enthalte die Pensionszusage nicht. Die Abfindung sei daher nicht unmittelbar in der Pensionszusage begründet. Die auch ohne besondere Vereinbarung bestehende Möglichkeit, den Pensionsberechtigten bei Insolvenz abzufinden, sei ein Umstand, der nicht den Regelungsgehalt der Pensionszusage betreffe, sondern unabhängig von dieser zum Schutz des Klägers als Pensionsberechtigten gesetzlich geregelt sei. Würde ein Pensionsberechtigter bei Liquidation oder Veräußerung abgefunden, so sei § 24 Nr.1 Buchst.a EStG anwendbar. Bei Konkurs und Anwendung der (Schutz-)Vorschriften des BetrAVG dürfe nichts anderes gelten.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG. Die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung müsse auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruhen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.Februar 1991 XI R 8/87, BFHE 164, 243, BStBl II 1991, 703). Die kapitalisierte Rentenzahlung beruhe nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage, sondern sei von vornherein über § 8 Abs.2 BetrAVG Bestandteil der betrieblichen Pensionszusage gewesen. Der Auffassung des FA stehe auch nicht der Schutzgedanke des § 8 Abs.2 BetrAVG entgegen, denn dieser gelte auch für die gesetzliche Regelung des § 7 Abs.1 BetrAVG, der die ersatzweisen Ansprüche von Versorgungsempfängern gegenüber dem Träger der Insolvenzsicherung auf laufende Versorgungsleistungen regele. Anders als in dem vom FG herangezogenen BFH-Urteil vom 16.April 1980 VI R 86/77 (BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393) liege im Streitfall keine nach Abschluß der Versorgungszusage getroffene zusätzliche Vereinbarung über die Kapitalisierung von Versorgungsbezügen vor. Die kapitalisierte Pensionsabfindung stelle daher nach Auffassung des FA nur eine andere Zahlungsmodalität dar.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tragen vor:
Die Pensionsvereinbarung habe unter der auflösenden Bedingung der Insolvenz des Arbeitgebers gestanden. Mit Eintritt der Bedingung sei für den Kläger eine völlig neue Rechtslage eingetreten.
Das FA halte sich zu sehr an den Wortlaut des BFH-Urteils in BFHE 164, 243, BStBl II 1991, 703, ohne dessen Sinn zu beachten. Der Kläger habe bewußt keine Abfindungsregelung vereinbart; er habe sie nun über § 8 Abs.2 BetrAVG "zudiktiert" erhalten. Es könne nicht nur von einer anderen Zahlungsmodalität gesprochen werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Abfindung auf einer neuen Rechtsgrundlage beruhe.
1. Gemäß § 24 Nr.1 Buchst.a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs.1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen; dementsprechend muß die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 164, 243, BStBl II 1991, 703; vom 10.Juli 1991 X R 79/90, BFHE 165, 75, und vom 27.November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455; BFH-Beschluß vom 14.April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165). Die Abfindung darf sich nicht als die bloße --ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte-- Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen. Die neue (andere) Rechtsgrundlage fehlt daher bei einer bereits ursprünglich --möglicherweise auch nur wahlweise-- vereinbarten Leistung.
2. Eine neue Rechtsgrundlage kann durch eine Vertragsänderung geschaffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 9.Juli 1992 XI R 5/91, BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27). Die neue Rechtsgrundlage kann aber auch durch Erfüllung eines gesetzlich geregelten Tatbestandes (wie z.B. einer unerlaubten Handlung) herbeigeführt werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 14.Oktober 1937 IV A 81/37, RStBl 1937, 1225).
Das FG weist zu Recht darauf hin, daß in der Pensionszusage selbst keine Abfindungsregelung enthalten war. Erst durch den Eintritt des Konkurses und die Anwendung des § 8 Abs.2 BetrAVG wurde die Möglichkeit zur Abfindung begründet. Diese Möglichkeit kann nicht als Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Schuldverhältnisses beurteilt werden. Zwar war die Möglichkeit dazu bereits durch die gesetzliche Regelung in § 8 Abs.2 BetrAVG angelegt; sie ist aber so fernliegend, daß der Zusammenhang mit dem bisherigen Rechtsverhältnis unterbrochen ist und --unter Beachtung von Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung-- die Abfindung nicht als Erfüllungsleistung beurteilt werden kann. Ferner tritt die Kapitalisierung nicht unmittelbar von Gesetzes wegen ein, sondern nach § 8 Abs.2 BetrAVG kann der Träger der Insolvenzsicherung unter den dort genannten Voraussetzungen eine Abfindung zahlen. Ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, steht in seinem Ermessen (vgl. dazu Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 1984, § 8 Rdnr.28; Höfer/Reiners/Wüst, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, Band I: Arbeitsrechtlicher Teil, 3.Aufl. 1992, § 8 Rdnr.3016). Der Träger der Insolvenzsicherung hat das Recht, durch einseitige Willenserklärung die Kapitalisierung durchzusetzen, ohne daß der Begünstigte sich dem widersetzen könnte oder er dem zu irgendeinem Zeitpunkt zugestimmt hätte. In diesem Punkt unterscheidet sich der Streitfall von der (zwingenden) Kapitalisierung nach §§ 69, 70 der Konkursordnung, wobei der Senat offenläßt, ob er dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 9.März 1988 VII 274/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 572) folgen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 64658 |
BStBl II 1994, 167 |
BFHE 172, 338 |
BFHE 1994, 338 |
BB 1994, 1064 |
BB 1994, 1064 (LT) |
BB 1994, 58 |
DB 1994, 194 (LT) |
DStR 1994, 132 (KT) |
HFR 1994, 208-209 (LT) |
StE 1994, 4 (K) |
WPg 1994, 246 (LT) |
StRK, R.34 (LT) |
FR 1994, 89 (KT) |
Information StW 1994, 155 (KT) |
NJW 1994, 1752 |
NJW 1994, 1752 (LT) |
BetrAV 1994, 81-82 (LT1) |
KTS 1994, 196 (S) |
PersF 1994, 868 (LT) |