Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Der Erbschein hat nach § 2365 BGB die Vermutung der Richtigkeit für sich, solange der Stpfl. nicht seine Unrichtigkeit beweist; durch eine andere Auslegung des Testaments wird der Nachweis für die Unrichtigkeit des Erbscheins nicht geführt.
2. Demnach sind die Steuergerichte in der Regel an eine abschließende Entscheidung der zuständigen Zivilgerichte über erbrechtliche Fragen gebunden, wenn ihnen nicht Tatsachen bekannt sind, die der zivilgerichtlichen Entscheidung entgegenstehen.
Orientierungssatz
Maßgeblichkeit des Erbscheins für die Erbschaftsbesteuerung
Normenkette
BGB § 2365; ErbStG 1951 §§ 7, 15
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer (Bf.) mit dem Tode seiner Adoptivmutter am 30. November 1950 Nacherbe nach seinem am 14. Oktober 1945 verstorbenen Adoptivvater oder ob er schon zum letzteren Zeitpunkt Alleinerbe seines Adoptivvaters geworden ist. Das Finanzamt hat den Bf. unter Abweichung von dem auf Grund landgerichtlicher Beschwerdeentscheidung erteilten, ihn als alleinigen Erben seines Adoptivvaters ausweisenden Erbschein als Nacherben mit dem am Todestag seiner Adoptivmutter vorhandenen, von seinem Adoptivvater herrührenden Nachlaßvermögen zur Erbschaftsteuer herangezogen. Die Sprungberufung des Bf. hat nur teilweise Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf., wie in der Vorinstanz, völlige Freistellung von der Erbschaftsteuer.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Das Finanzgericht hält den vorliegendenfalls seitens des Bf. durch Beschwerde an das Landgericht erwirkten Erbschein für nicht bindend. Es setzt sich damit in Widerspruch zur Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der in den Urteilen III A 288/33 vom 12. Oktober 1933 (Reichsteuerblatt –RStBl– 1933 S. 1160) und III e 12/38 vom 27. Juli 1938 (Slg. Bd. 44 S. 283, RStBl 1938 S. 929) ausgesprochen hat, daß sich die Steuerbehörden in der Regel an die Feststellungen im Erbschein halten können. In der erstgenannten Entscheidung hat der Reichsfinanzhof insbesondere ausgesprochen, daß die Steuergerichte in der Regel an eine abschließende Entscheidung der zuständigen Zivilgerichte über erbrechtliche Prägen gebunden seien, wenn ihnen nicht Tatsachen bekannt seien, die der Richtigkeit dieser zivilgerichtlichen Entscheidung entgegenstünden. Der Erbschein habe nach § 2365 BGB die Vermutung der Richtigkeit für sich, der Steuerpflichtige müsse ihn daher gegen sich gelten lassen, solange er nicht die Unrichtigkeit des Erbscheins beweise; lediglich durch eine andere Auslegung eines Testaments werde der Nachweis für die Unrichtigkeit des Erbscheins nicht geführt. Der erkennende Senat hält an dieser Auffassung fest. Er hat auch seinerseits die Bindung an einen Erbschein, dessen Vermutung nicht widerlegt ist, in einem nichtveröffentlichten Urteil bejaht und in dem zur Veröffentlichung freigegebenen Urteil III 298/56 U vom 27. September 1957 ein Abgehen vom Erbschein nur im Falle des Vorliegens von Tatsachen, die der Richtigkeit des Erbscheins entgegenstehen, in Betracht gezogen. Im vorliegenden Falle beruht die Abweichung von dem Erbschein lediglich auf einer anderen Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments der Adoptiveltern des Bf.; das in der oben erwähnten Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 12. Oktober 1933 bezüglich des Nichtausreichens einer abweichenden Testamentsauslegung zur Widerlegung des Erbscheins Gesagte muß auch für eine abweichende Auslegung durch die Steuerbehörden gelten. Die Erteilung des Erbscheins ist vorliegendenfalls erst auf die vom Bf. eingelegte Beschwerde hin durch das Landgericht angeordnet worden. Es besteht daher um so weniger Veranlassung, von der Entscheidung des Landgerichts abzuweichen, als bei der Entscheidung eines mit drei Berufsrichtern besetzten Gerichts die besonders sachkundige Nachprüfung von Rechtsfragen gewährleistet ist (vgl. das Urteil des erkennenden Senats III 78/51 U vom 14. August 1953 (Slg. Bd. 58 S. 104), Bundessteuerblatt 1953 III S. 331). Schließlich hat sich das Finanzgericht mit der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts überhaupt nicht auseinandergesetzt, also auch nicht dargetan, daß die Beschwerdeentscheidung von unzutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgehe.
Wegen dieser rechtsirrigen Behandlung durch das Finanzgericht unterliegt die angefochtene Entscheidung der Aufhebung. Der erkennende Senat schließt sich auch sachlich der Entscheidung des Landgerichts an.
Der Bf. ist mithin Alleinerbe und nicht Nacherbe seines Vaters geworden. Die Sache wird zur Berichtigung des Erbschaftsteuerbescheids gemäß den vorstehenden Rechtsausführungen an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen