Leitsatz (amtlich)
Die Verteilung des Erhaltungsaufwands nach § 82 b Abs. 1 EStDV auf mehrere Jahre kann grundsätzlich nur im Veranlagungsverfahren für das Jahr beantragt werden, in dem der Erhaltungsaufwand geleistet ist.
Normenkette
EStDV § 82b Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Steuerpflichtiger das Verteilungswahlrecht nach § 82 b EStDV für größeren Erhaltungsaufwand bei Wohngebäuden noch im Rahmen der Veranlagung späterer Jahre ausüben kann, wenn das FA für das Jahr der Verausgabung des Erhaltungsaufwands mangels abgegebener Steuererklärung eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen hat, die bestandskräftig geworden ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Steuerbevollmächtigter. Er hat im Jahre 1968 für ein ihm gehöriges Wohngebäude Instandhaltungskosten aufgewendet. Für dieses Jahr hat er keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) hat die Veranlagung für 1968 im Wege der Schätzung durchgeführt. Sie ist bestandskräftig geworden. Auch für das Streitjahr 1969 hat es die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärung geschätzt und den Einspruch dagegen zurückgewiesen. Erst im Klageverfahren reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung 1969 ein und beantragte, den Erhaltungsaufwand gemäß § 82 b EStDV auf fünf Jahre zu verteilen und demgemäß im Streitjahr 1/5 zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen. Das FA folgte der Einkommensteuererklärung und erließ einen Änderungsbescheid nach § 94 der Reichsabgabenordnung (AO), berücksichtigte jedoch diese Werbungskosten nicht, weil der Kläger sie im Jahre 1968 verausgabt habe und die Einkommensteuerveranlagung für 1968 bestandskräftig sei. Der Kläger machte den Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens.
Das FG gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Abweichend von § 11 Abs. 2 EStG könnten größere Aufwendungen für die Erhaltung von privaten Wohngebäuden auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilt werden (§ 82 b Abs. 1 EStDV i. V. m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. r EStG 1960). Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift lägen im Streitfall vor. Der Kläger habe zwar für das Kalenderjahr 1968 von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht, und die auf einer Schätzung des FA beruhende Veranlagung 1968 sei bestandskräftig geworden. Aber im Rahmen der noch nicht bestandskräftigen Veranlagung für das Streitjahr 1969 habe der Kläger nunmehr das Wahlrecht ausgeübt und sich für eine Verteilung auf fünf Jahre entschieden, somit eine bereits für 1968 zu treffende Entscheidung nachgeholt. Dies sei weder durch eine gesetzliche Bestimmung noch durch allgemeine Rechtsgrundsätze untersagt. Auch stehe dem nicht entgegen, daß die Einkommensteuerveranlagung 1968 bestandskräftig sei, denn die Bestandskraft erstrekke sich nur auf den festgesetzten Steuerbetrag, nicht auch auf die Besteuerungsgrundlagen. Das FA habe zudem von den größeren Erhaltungsaufwendungen des Klägers keine Kenntnis gehabt und ohne Trennung von Mieteinnahmen und Werbungskosten die auf das Wohnhaus entfallenden Einkünfte mit null DM angesetzt.
Mit der Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung der §§ 11 EStG, 82 b EStDV und 217 AO. Es führt im wesentlichen aus: Der Kläger hätte den Verteilungsantrag nur bis zur Bestandskraft der Veranlagung 1968 stellen können, da notwendigerweise nindestens ein Teil der Aufwendungen in die Veranlagung 1968 hätte eingehen müssen. Im Rahmen der hier streitigen Einkommensteuerveranlagung 1969 könne ein nunmehr gestellter Verteilungsantrag nicht mehr berücksichtigt werden. Denn die auf einer Schätzung beruhende Veranlagung 1968 sei fiktiv richtig und enthalte mangels anderweitigen Antrags den gesamten Erhaltungsaufwand, der somit abgegolten sei. Es habe auch stillschweigend einen Posten für Erhaltungsaufwand in seine Schätzungserwägungen einbezogen.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Nach § 82 b Abs. 1 Satz 1 EStDV kann ein Steuerpflichtiger größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 EStG auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Daraus ergibt sich, daß der Steuerpflichtige wählen kann, ob er die genannten Aufwendungen im Jahre der Verausgabung voll als Werbungskosten absetzen oder auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen will.
Diese Wahl kann der Steuerpflichtige jedoch grundsätzlich nur im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für das Jahr treffen, in dem ihm der größere Erhaltungsaufwand entstanden ist. Denn § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG schreibt vor, daß Ausgaben für das Kalenderjahr anzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind. Eine Nachholung von Ausgaben in einem späteren Kalenderjahr ist grundsätzlich nicht möglich. Daher ist auch die Ausübung der Wahl nach § 82 b EStDV in einem Veranlagungsverfahren für spätere Jahre grundsätzlich nicht mehr möglich.
Insbesondere darf ein Steuerpflichtiger, dessen Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden, weil er keine Erklärung abgegeben hat, nicht bessergestellt werden als ein Steuerpflichtiger, der Erhaltungsaufwand geltend gemacht hat. Hat dieser von der Wahl der Verteilung auf mehrere Jahre im Veranlagungsverfahren des Jahres, in dem der Aufwand geleistet ist, keinen Gebrauch gemacht, so ist der Erhaltungsaufwand steuerlich entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG behandelt worden, d. h. voll als Werbungskosten berücksichtigt. § 82 b EStDV ist dann nicht mehr anwendbar. Wollte man bei einem Steuerpflichtigen, dessen Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden mußten, die Wahl nach § 82 b EStDV noch in einem späteren Veranlagungsverfahren zulassen, so würde er besser behandelt als der Steuerpflichtige, der die Wahl der Verteilung des Erhaltungsaufwands im Veranlagungsverfahren des Jahres der Leistung unterlassen hat. Ersterer könnte unter Berufung auf § 82 b EStDV dann sogar Erhaltungsaufwand früherer Jahre für spätere Jahre geltend machen, wenn er die Geltendmachung für das Jahr der Leistung vergessen hätte.
Die Grundsätze über die Nachholung von AfA können nicht zu einem anderen Ergebnis führen. AfA können von Herstellungs- oder Anschaffungskosten vorgenommen werden, nicht jedoch vom Erhaltungsaufwand. Die Vorschrift des § 82 b EStDV ändert an dem steuerrechtlichen Charakter des größeren Erhaltungsaufwands nichts und macht diesen nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Es kann offengelassen werden, ob die Ausübung des Wahlrechts nach § 82 b EStDV möglicherweise dann noch für ein späteres Veranlagungsjahr möglich ist, wenn eine Erklärung des Steuerpflichtigen über die Ausübung des Wahlrechts für das Jahr der Entstehung des Erhaltungsaufwands deshalb nicht erfolgt ist, weil die Wahl keine steuerlichen Auswirkungen gezeigt hätte, etwa weil der Steuerpflichtige in diesem Jahr überhaupt keine Einkommensteuer zu zahlen hatte. Denn es ist fraglich, ob in einem solchen Fall von dem Steuerpflichtigen eine Erklärung hinsichtlich der Wahl nach § 82 b EStDV verlangt werden kann. Eine solche Ausnahme kommt jedoch im vorliegenden Streitfall nicht in Betracht, denn ein entsprechender Antrag des Klägers hätte sich auf jeden Fall steuerlich in der Veranlagung 1968 ausgewirkt. Der Kläger hatte auch Gelegenheit, die Wahl nach § 82 b EStDV entweder durch Abgabe der Steuererklärung oder durch eine Erklärung im Einspruchsverfahren gegen den Steuerbescheid 1968 auszuüben. Da auch das FA bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1968, in dem der größere Erhaltungsaufwand entstanden ist, keine abweichende Verteilung des Erhaltungsaufwands vorgenommen hat, ist im Streitfall keine Wahl nach § 82 b EStDV getroffen worden. Die bestandskräftige Schätzung des FA für das Jahr 1968 umfaßt daher entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG den gesamten Erhaltungsaufwand.
Die Entscheidung des FG, das von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war auf die Revision des FA hin aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 72744 |
BStBl II 1978, 367 |
BFHE 1978, 498 |
NJW 1978, 1496 |