Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Wahlrecht nach § 82b EStDV für Aufwendungen, die in einem hinsichtlich der Höhe der Einkünfte bestandskräftigen Feststellungsbescheid vollständig berücksichtigt sind
Leitsatz (NV)
1. Das Wahlrecht nach § 82b EStDV ist dann nicht mehr gegeben, wenn die Erhaltungsaufwendungen im Jahr ihrer Entstehung bestandskräftig nach der Grundregel des § 11 Abs. 2 EStG abgezogen worden sind.
2. Die Aufwendungen sind auch dann nach § 11 Abs. 2 EStG abgezogen, wenn sie bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im festgestellten Gesamtüberschuß berücksichtigt sind und der Feststellungsbescheid nur hinsichtlich der Verteilung, nicht aber hinsichtlich der Höhe des Gesamtüberschusses angefochten ist.
3. Die nachträgliche Ausübung des Wahlrechts ist keine neue Tatsache i.S. von § 173 AO 1977, sondern eine Verfahrenshandlung. Sie kann nur dann zu einer Änderung nach § 173 AO 1977 führen, wenn sie zur Berücksichtigung sonstiger nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel erforderlich ist.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2; EStDV § 82b; AO 1977 § 157 Abs. 2, §§ 173, 182 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren in den Streitjahren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses mit ideellen Miteigentumsanteilen von 6/10 (Klägerin zu 1) und 4/10 (Kläger zu 2). In ihren Feststellungserklärungen für die Streitjahre machten sie Erhaltungsaufwendungen geltend, die sie abweichend von ihren Miteigentumsanteilen verteilten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung des Gesamtbetrages der erklärten Erhaltungsaufwendungen fest, rechnete die Einkünfte aber abweichend von den Feststellungserklärungen den Klägern nach ihren Miteigentumsanteilen zu. Einspruch und Klage wegen der Verteilung der Einkünfte blieben erfolglos. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluß vom 22.Juni 1990 als unbegründet zurückgewiesen.
Nachdem die Kläger diese Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hatten, beantragten sie ,,namens der Grundstücksgemeinschaft" beim FA, die Erhaltungsaufwendungen nach § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf fünf Jahre zu verteilen und die Feststellungsbescheide für die Streitjahre entsprechend zu ändern. Das FA lehnte dies ab. Gegen die Ablehnung legten die Kläger Einspruch ein. Nachdem das FA darauf hingewiesen hatte, daß Antrag und Einspruch, weil im Namen der Grundstücksgemeinschaft erhoben, unzulässig seien und eine Umdeutung nicht in Betracht komme, vertraten die Kläger mit Schreiben vom 13. Oktober 1989 die Auffassung, sie selbst seien im Wege der Umdeutung als Antragsteller und Einspruchsführer anzusehen; in demselben Schreiben stellten sie hilfsweise erneut den Antrag nach § 82b EStDV ,,für X und Y.S. als Beteiligte der Grundstücksgemeinschaft S. ". Das FA teilte dem Kläger telefonisch mit, daß über den nochmals gestellten Antrag zu entscheiden sein werde und deshalb den Klägern durch eine Rücknahme des Einspruchs keine rechtlichen Nachteile entstünden. Daraufhin nahmen die Kläger den Einspruch zurück. Den erneuten Antrag vom 13. Oktober 1989 lehnte das FA ebenfalls ab. Den dagegen eingelegten Einspruch (Betreff: Grundstücksgemeinschaft X und Y.S. ) verwarf das FA als unzulässig, weil er von der nicht einspruchsbefugten Grundstücksgemeinschaft eingelegt worden sei und nicht in einen von den Klägern erhobenen Einspruch umgedeutet werden könne. Im übrigen sei der Einspruch offensichtlich unbegründet.
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Der erneute, unter dem 13. Oktober 1989 gestellte Antrag sei unzulässig. Für ihn bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil es sich um eine Wiederholung des ursprünglich gestellten Antrags handele, der erfolglos geblieben sei. Die Kläger könnten ihren Antrag nicht nach Belieben wiederholen. Schließlich habe das FA den Antrag vom 13. Oktober 1989 auch zu Recht abgelehnt. Die Kläger hätten ihr Wahlrecht nach § 82b EStDV nicht mehr ausüben können, weil die Feststellungsbescheide hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bereits bestandskräftig gewesen seien. Im ursprünglichen Klageverfahren sei lediglich die Verteilung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf die Kläger streitig gewesen. Die Höhe der festgestellten Einkünfte sei dagegen unstreitig gewesen, so daß insoweit Teilbestandskraft eingetreten sei.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, daß ohne die Nachholung des Antrags nach § 82b EStDV Gestaltungsmöglichkeiten abgeschnitten würden, die erst nach Klageerhebung erkannt und für sinnvoll erachtet worden seien. Die Teilbestandskraft der Feststellungsbescheide könne nicht Gestaltungsrechte ausschließen, welche die Höhe der festgestellten Einkünfte insgesamt unberührt ließen und die Einkünfte lediglich auf fünf Jahre verteilten.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 1990 und der Ablehnungsverfügung vom 12. Dezember 1989 das FA zu verpflichten, die Feststellungsbescheide 1982 bis 1984 entsprechend dem Antrag nach § 82b EStDV zu ändern.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht eine Verteilung der Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV abgelehnt.
1. Allerdings hat das FG seine Entscheidung zu Unrecht auch darauf gestützt, daß für den erneuten Antrag vom 13. Oktober 1989 kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden habe. Dieser Antrag bedeutete keine beliebige Wiederholung des ursprünglichen Antrags, sondern diente dazu, den formalen Bedenken des FA hinsichtlich der Bezeichnung der Antragsteller Rechnung zu tragen und den nach Auffassung des FA unzulässigen ersten Antrag durch einen neuen zulässigen Antrag zu ersetzen. Über den erneuten Antrag hat das FA eine Sachentscheidung in Aussicht gestellt und damit die Kläger zur Rücknahme des Einspruchs veranlaßt. Vor diesem Hintergrund kann dem Antrag vom 13. Oktober 1989 das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.
2. Materiell-rechtlich hat das FG zutreffend entschieden, daß die Kläger im Streitfall ihr Wahlrecht nach § 82b EStDV nicht mehr ausüben konnten, weil die Feststellungsbescheide hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bestandskräftig geworden waren.
a) Nach § 82b EStDV kann ein Steuerpflichtiger größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Daraus ergibt sich, daß der Steuerpflichtige für das Jahr der Entstehung dieser Aufwendungen wählen kann, ob er sie in diesem Jahr voll als Werbungskosten absetzen oder auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen will (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1977 VIII R 6/75, BFHE 123, 498, BStBl II 1978, 96, und vom 26. Oktober 1977 VIII R 111/74, BFHE 124, 498, BStBl II 1978, 367). Eine Verteilung nach § 82b EStDV ist danach jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Aufwendungen bereits im Jahr ihrer Entstehung nach der Grundregel des § 11 Abs. 2 EStG abgezogen worden sind und die Veranlagung dieses Jahres bestandskräftig geworden ist. Eine Änderung der bestandskräftigen Veranlagung ist dann nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) möglich. Die nachträgliche Ausübung des Wahlrechts selbst ist jedoch keine neue Tatsache i.S. des § 173 AO 1977, sondern eine Verfahrenshandlung (BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, 535, BStBl II 1985, 117; a.A. Woerner/ Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., S. 89). Sie kann nur dann zu einer Änderung nach § 173 AO 1977 führen, wenn sie zur Berücksichtung sonstiger nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel erforderlich ist (vgl. BFH in BFHE 141, 532, 535f., BStBl II 1985, 117, m.w.N.).
b) Entsprechendes gilt, wenn bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Steuerpflichtige im Jahr der Entstehung der Erhaltungsaufwendungen nur die Verteilung, nicht aber die Höhe des festgestellten Gesamtüberschusses anficht. Auch dann sind die Erhaltungsaufwendungen, wenn sie im Gesamtüberschuß berücksichtigt sind, bestandskräftig nach der Grundregel des § 11 Abs. 2 EStG abgezogen worden, so daß eine Verteilung nach § 82b EStDV nicht mehr in Betracht kommt. Denn der festgestellte Gesamtüberschuß ist eine selbständige Besteuerungsgrundlage i.S. von § 157 Abs. 2, § 182 Abs. 1 AO 1977, die gesondert bestandskräftig wird, wenn der Steuerpflichtige den Feststellungsbescheid nur wegen anderer Punkte angreift (Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890).
3. Im Streitfall scheidet die Verteilung nach § 82b EStDV aus, weil die Erhaltungsaufwendungen der Streitjahre erklärungsgemäß in voller Höhe im jeweils festgestellten Gesamtüberschuß berücksichtigt und damit nach § 11 Abs. 2 EStG abgezogen worden sind. Die Kläger haben die Feststellungsbescheide insoweit bestandskräftig werden lassen und nur hinsichtlich der Verteilung der Einkünfte angefochten. Anhaltspunkte dafür, daß die während der Anhängigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nachgeholte Ausübung des Wahlrechts gemäß § 82b EStDV auf Grund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen i.S. von § 173 AO 1977 geboten gewesen sein könnte, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vorbringen der Kläger.
4. Da eine Verteilung nach § 82b EStDV im Streitfall schon aus den vorgenannten Gründen ausscheidet, kann offen bleiben, ob das Wahlrecht für das Jahr der Entstehung der Aufwendungen spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG als Tatsacheninstanz hätte geltend gemacht werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 418795 |
BFH/NV 1993, 467 |