Entscheidungsstichwort (Thema)
Zukünftig bebautes Grundstück als grunderwerbsteuerrechtlich maßgeblicher Gegenstand des Erwerbsvorgangs
Leitsatz (NV)
- Der BFH hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, daß bei objektiv sachlichem Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren, die zukünftige Bebauung des Grundstücks betreffenden Verträgen mit Dritten (einheitlicher) für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung maßgeblicher Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand ist. Zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) gehören in diesen Fällen alle Leistungen des Erwerbers, die dieser an den Grundstücksveräußerer und an Dritte gewährt, um das Eigentum an dem Grundstück in seinem zukünftigen (bebauten) Zustand zu erwerben (Urteile vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331, vom 25. November 1992 II R 67/89, BFHE 169, 533, BStBl II 1993, 308 und vom 11. November 1992 II R 117/89, BFHE 169, 480, BStBl II 1993, 163).
- Eine den Wertungen des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG widersprechende Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer liegt in diesen Fällen nicht vor. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG behandelt nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen steuerbare Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind, enthält jedoch kein Gesetzesgebot, ob und inwieweit in bestimmten Fällen Grunderwerbsteuer zu erheben ist. Es liegen in den Fällen, in denen nach objektiven Maßstäben einheitlicher Gegenstand eines Kaufvertrages das zukünftig bebaute Grundstück ist, keine deckungsgleichen Rechtsvorgänge vor, die sowohl der Grunderwerbsteuer als auch der Umsatzsteuer unterliegen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1, § 19 Abs. 1; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 15 Abs. 2 Nr. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ehemannes. Dieser hatte durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... 1984 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück gekauft. Der Kaufpreis hierfür sollte 29 507 DM betragen. Zeitgleich hiermit war er einem Gesellschaftsvertrag zwischen den übrigen Miteigentümern beigetreten. Hierin verpflichteten sich die Gesellschafter, auf dem Grundstück eine Wohnanlage mit PKW-Einstellplätzen zu errichten. Die Beitrittserklärung wurde für den Ehemann der Klägerin von einer insoweit von ihm bevollmächtigten Treuhänderin abgegeben. Diese war darüber hinaus bevollmächtigt, alle zur Zweckerreichung der gemeinsamen Bauausführung notwendigen Maßnahmen durchzuführen, insbesondere die der Errichtung des Gebäudes dienenden Verträge und weitere Dienstleistungsverträge abzuschließen. Der Ehemann der Klägerin war als Treugeber verpflichtet, der Treuhänderin das für die Bebauung notwendige Kapital zur Verfügung zu stellen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte zunächst durch Bescheid vom 13. Juli 1984 nach einer Gegenleistung von 29 507 DM Grunderwerbsteuer gegen den Ehemann der Klägerin in Höhe von 590 DM fest. Auf Grund einer Betriebsprüfung änderte das FA diesen Bescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte durch Bescheid vom 3. Dezember 1987 gegen den Ehemann der Klägerin nach einer Gegenleistung von 223 515 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 4 770 DM fest. Die Gegenleistung setzte sich wie folgt zusammen:
Grundstückskosten |
29 507,00 DM |
Baukosten |
157 371,87 DM |
wirtschaftliche Baubetreuung |
2 187,00 DM |
Treuhandgebühren |
3 280,70 DM |
Zinsen vom 1. Januar bis 13. Dezember 1984 |
7 726,43 DM |
Mehrwertsteuer |
23 442,82 DM |
Das FA vertrat hierzu die Auffassung, daß der Vorgang insgesamt auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks gerichtet gewesen sei.
Auf die --nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene-- Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1989 mit der Begründung auf, die Bauerrichtungskosten seien nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Nach den gesetzlichen Vorgaben sei nur für den Grundstückskaufvertrag Grunderwerbsteuer zu erheben; der Grunderwerbsteuer unterlägen jedoch nicht die übrigen Verträge, insbesondere der Bauvertrag über das erst nach dem Erwerb des Grund und Bodens hergestellte Gebäude. Das FG folge insoweit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum einheitlichen Leistungsgegenstand nicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von §§ 1 und 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983).
Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Niedersächsischen FG vom 15. September 1998 VII (III) 505/89 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das angefochtene Urteil des FG verstößt gegen § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1983 die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590). Die Grunderwerbsteuer knüpft zwar an einen auf den Eigentumserwerb an einem Grundstück gerichteten Rechtsvorgang (an das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) an. Erfaßt werden soll von der Grunderwerbsteuer aber der tatsächliche Zustand des Grundstücks, der in Durchführung des auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist (z.B. BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357). Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich aus dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft, d.h. aus dem Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung des Veräußerers oder aus mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann auch aus dem Zusammenwirken mehrerer Personen auf der Veräußererseite folgen, wenn die Umstände des Zusammenwirkens ergeben, daß der Erwerber ein bebautes Grundstück erhält (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331). Ist dies der Fall, so gehören alle Aufwendungen des Grundstückserwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die von ihm für die Verschaffung des bebauten Grundstücks gewährt werden. Die Rechtsgrundlage hierfür, deren Vorhandensein vom FG verneint wurde, ist deshalb § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983.
Verfehlt ist deshalb die Auffassung des FG, es sei für die Bestimmung des Gegenstands des Erwerbsvorgangs allein auf den Zustand des Grundstücks im Zeitpunkt des Abschlusses des tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts (Kaufvertrags) bzw. darauf abzustellen, "daß das Gebäude erst nach dem Erwerb des Grund und Bodens hergestellt wird". Denn hierdurch würde die Höhe der Grunderwerbsteuerbelastung von dem zufälligen Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags und der formalen Beschränkung auf diesen und nicht vom objektiven Inhalt der von den Parteien vorgenommenen Sachverhaltsgestaltung abhängig gemacht, aus der sich ergibt, daß trotz einer von der typischen zivilrechtlichen Gestaltung abweichenden --wenn auch zivilrechtlich möglichen-- Gestaltung ein Erfolg eintritt, der dem des Abschlusses eines das bebaute Grundstück umfassenden Grundstückskaufvertrags entspricht. Zur Rechtfertigung dieser Beurteilung hat der Senat im Urteil in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590 auf die Funktion des Steuerrechts hingewiesen, sich als objektives Recht an dem Ziel einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung zu orientieren, damit für auf zivilrechtlich unterschiedlichen Wegen erreichbare gleiche wirtschaftliche Ergebnisse nicht unterschiedliche steuerliche Lasten ausgelöst würden (vgl. auch den Beschluß des BVerfG in BStBl II 1992, 212). Mit der Übertragung zivilrechtlicher Schutzgedanken (§ 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches) auf das Grunderwerbsteuerrecht hat dies --anders als das FG unterstellt-- nichts zu tun.
Die (Gegen-)Leistungen des Erwerbers eines im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbebauten Grundstücks, welches in bebautem Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht worden ist, stellen --soweit sie auf die Bauleistungen entfallen-- auch keine "künftigen Baukosten des Grundstückserwerbers" dar, wie das FG meint. Ist nach der Rechtsprechung des BFH Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück, ist vielmehr die durch die Bebauung herbeigeführte Veränderung des Grundstücks (noch) der Sphäre der Veräußererseite zuzurechnen. Nach den von der Rechtsprechung des BFH zum sogenannten einheitlichen Vertragsgegenstand entwickelten Kriterien sollen an Hand objektiver Merkmale die Fälle, in denen die Bebauung eines im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbebauten Grundstücks auf der alleinigen Initiative des Grundstückserwerbers beruht, von den Fällen abgegrenzt werden, in denen es dem Grundstücksveräußerer bzw. den mit ihm durch Absprachen verbundenen bzw. mit ihm zusammenwirkenden Personen gelungen ist, den Erwerber entweder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen oder durch Herstellung eines objektiven Zusammenhangs zwischen Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag an die geplante Bebauung des Grundstücks zu binden (vgl. BFH-Entscheidungen vom 17. September 1997 II R 24/95, BFHE 183, 265, BStBl II 1997, 776; vom 2. September 1993 II B 71/93, BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48; vom 9. August 1989 II B 73/89, BFH/NV 1990, 594, und vom 13. September 1989 II R 28/87, BFHE 158, 139, BStBl II 1989, 986).
Das FG hat sich in seinem Urteil mit den vom BFH in langjähriger Rechtsprechung entwickelten Kriterien (einheitliches Angebot von Grundstück und Gebäude; Erwerb aus "einer Hand"; Bindung des Erwerbers an die Bebauung; abgestimmtes Verhalten einer Personenmehrheit auf der Veräußererseite), die der Abgrenzung der beiden Fallgruppen gegeneinander dienen, nicht näher auseinandergesetzt. Der erkennende Senat sieht sich deshalb auch nicht veranlaßt, hierzu nochmals im einzelnen Stellung zu nehmen.
b) Es ist nicht erkennbar, daß die Rechtsprechungsgrundsätze zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs zu einer --wie das FG ohne weitere Begründung behauptet-- einseitigen Belastung "schwächerer Steuerbürger" führen. Ein Sachzusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Grundstückserwerbers und den Umständen der Bebauung eines Grundstücks ist nirgendwo belegt und kann nicht als gerichtsbekannt unterstellt werden. Selbst wenn der Befund des FG im Tatsächlichen zuträfe, bleibt bei der Argumentation des FG offen, welche rechtlichen Konsequenzen hieraus bei einer Rechtsverkehrsteuer zu ziehen wären und welche Rechtsgrundlagen hierfür zur Verfügung stünden.
Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich auch weder aus § 13 Abs. 1 noch aus § 19 GrEStG 1983, "daß künftige Bauleistungen grunderwerbsteuerlich nicht belastet werden sollen". Eine nachvollziehbare Begründung enthält das FG-Urteil hierfür nicht. Die Vorschriften sind vielmehr eindeutig, soweit dort von den "an einem Erwerbsvorgang beteiligten Personen", d.h. von solchen Personen gesprochen wird, die an dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft beteiligt sind. Beteiligt hieran sind jedenfalls nicht diejenigen Personen, mit denen ein Grundstückserwerber nur einen Bauerrichtungsvertrag abschließt, und zwar auch dann nicht, wenn auf Grund objektiv sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Abschluß des Gebäudeerrichtungsvertrages als Gegenstand des Erwerbs das bebaute Grundstück anzusehen ist.
c) Der Senat folgt dem FG nicht in der Annahme, § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) stehe der Einbeziehung der Baukosten in die Bemessungsgrundlage entgegen, weil insoweit eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer bestehe, die durch diese Vorschrift gerade verhindert werden solle.
aa) Nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sind Umsätze umsatzsteuerfrei, die unter das GrEStG fallen. Die Vorschrift behandelt danach nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen steuerbare Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind; sie grenzt somit umsatzsteuerpflichtige von den umsatzsteuerfreien Vorgängen ab. Sie enthält jedoch kein Gesetzesgebot, ob und inwieweit in bestimmten Fällen Grunderwerbsteuer zu erheben ist. Vielmehr richtet sich die Frage, ob ein Vorgang grunderwerbsteuerpflichtig ist, allein nach den Regeln des GrEStG, dem insoweit der Vorrang gebührt. Fällt ein bestimmter Vorgang unter das GrEStG, stellt § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nach Wortlaut, Sinn und Zweck und systematischer Stellung (im UStG) keine Rechtsgrundlage dar, von der (vollständigen oder teilweisen) Erhebung der Grunderwerbsteuer abzusehen. Dies ist kein formales Argument, wie das FG meint, sondern folgt aus der eindeutigen Gesetzesanordnung, an die Verwaltung und Gerichte bei der Rechtsanwendung gebunden sind.
bb) Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich aus § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kein allgemeiner Rechtsgedanke, der eine andere grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung derjenigen Erwerbsvorgänge erfordern würde, in denen trotz formaler Trennung des Grundstückskaufvertrages vom --mit einem Dritten abgeschlossenen-- Gebäudeerrichtungsvertrag nach objektiven Maßstäben als einheitlicher Erwerbsgegenstand das bebaute Grundstück anzusehen ist. Eine "den Wertungen des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG widersprechende Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer" liegt in diesen Fällen schon deshalb nicht vor, weil die Sachverhalte, die von der Rechtsprechung des BFH zum "einheitlichen Vertragsgegenstand" erfaßt werden, nicht vergleichbar sind mit dem Erwerb unbebauter Grundstücke, die vom Erwerber später in eigener Regie bebaut werden. Ein Vergleich mit der zutreffenden Vergleichsgruppe "Erwerb eines noch vom Veräußerer zu bebauenden Grundstücks" ergibt vielmehr eine weitgehende Kongruenz in der (Doppel-)Belastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer. Auch wenn die Lieferung eines bebauten Grundstücks wegen § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG beim Veräußerer umsatzsteuerfrei ist, hat dies aufgrund des in § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei steuerfreien Umsätzen vorgesehenen Vorsteuerabzugsverbots zur Folge, daß die (beim Veräußerer) nicht abzugsfähige Umsatzsteuer über den Kaufpreis für das bebaute Grundstück, der kalkulatorisch die nicht abzugsfähige Umsatzsteuer enthält, in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer eingeht. Aus dieser Sicht ist die Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer vom Gesetzgeber sogar beabsichtigt; die Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG, die im Ergebnis lediglich die Wertschöpfung des leistenden Unternehmers erfaßt, ändert hieran im Grundsatz nichts.
Die Einbeziehung der auf die Baukosten entfallenden Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Beschlüsse des BVerfG in BStBl II 1992, 212, und vom 11. Januar 1988 1 BvR 391/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 153) und verstößt auch nicht gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Juli 1986 Rs. 73/85, Umsatzsteuer-Rundschau 1986, 297).
cc) Es trifft im übrigen auch nicht zu, daß in den Fällen, in denen nach objektiven Maßstäben einheitlicher Gegenstand des Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück ist, deckungsgleiche Rechtsvorgänge vorliegen, die sowohl der Grunderwerbsteuer als auch der Umsatzsteuer unterliegen. Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (Urteil vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316) behalten die Einzelleistungen der an der Gebäudeerrichtung beteiligten Unternehmer umsatzsteuerrechtlich auch dann ihre Selbständigkeit, wenn sie grunderwerbsteuerrechtlich als Teil des einheitlichen Erwerbsvorgangs beurteilt werden. Die Einzelleistungen unterliegen als solche nicht der Grunderwerbsteuer. Sie können umsatzsteuerrechtlich weder mit der Grundstückslieferung als einheitliche Leistung zusammengefaßt noch als Nebenleistungen zur Grundstückslieferung qualifiziert werden. Da Gegenstand der Grunderwerbsteuer somit das bebaute Grundstück ist, während Gegenstand der Umsatzsteuer die jeweiligen Leistungen der beteiligten Unternehmer sind, gibt es keine sich i.S. des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG überschneidenden Besteuerungsgegenstände. Die Berücksichtigung der Gebäudeerrichtungskosten einschließlich der Umsatzsteuer im Rahmen der Ermittlung der grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage erfolgt demnach nicht als Gegenleistung für einen grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtserwerb vom Bauhandwerker, sondern als Teil desjenigen, was der Erwerber aufzuwenden hat, um das Grundstück so, wie es zum Gegenstand des steuerpflichtigen Erwerbsvorgangs gemacht worden ist, nämlich im bebauten Zustand, zu erlangen (BFH-Beschluß vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627).
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen für die abschließende Beurteilung nicht aus, was als Gegenstand des Erwerbsvorgangs des verstorbenen Ehemannes der Klägerin anzusehen ist. Hierzu bedarf es der inhaltlichen Feststellung sämtlicher eingegangenen vertraglichen Bindungen sowie der maßgeblichen (Begleit-)Umstände des Zustandekommens dieser Verträge (vgl. BFH-Urteil in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357). Im Streitfall hat das FG nur den Inhalt des Grundstückskaufvertrages festgestellt und die anderen Verträge, die sich im übrigen auch nicht bei den Akten befinden, nicht in Bezug genommen. Es fehlt somit an den notwendigen Beurteilungsgrundlagen.
Fundstellen
Haufe-Index 422703 |
BFH/NV 2000, 349 |