Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksverkäufer
Leitsatz (amtlich)
Die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstandes "bebautes Grundstück" setzt voraus, dass entweder der Veräußerer selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender Dritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d.h. das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. Beim Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksverkäufer kann deshalb nur dann das mit dem Bausatzhaus bebaute Grundstück einheitlicher Erwerbsgegenstand sein, wenn der Grundstücksveräußerer auch zur Aufstellung und Montage der Bausatzteile auf dem Grundstück verpflichtet ist.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2, 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) beabsichtigten, auf einem ihnen zum Kauf angebotenen Grundstück in A ein Bausatzhaus in Blockhausbauweise zu errichten. Hierzu kauften sie durch Vertrag vom 20. Juni 1995 von der F-GmbH einen Hausbausatz zu einem Preis von 169 500 DM. Nach Abschnitt 4 des Vertrages sollte die Lieferung als erfüllt gelten, wenn der Blockhaus-Holzteilebausatz an der frei befahrbaren Baustelle, auf dem Transportfahrzeug liegend, angeliefert wurde. Die Entladung wie auch die Montage des Bausatzhauses auf dem Grundstück waren Aufgabe der Kläger. Nach dem "Leistungsverzeichnis", das dem Kaufvertrag beigefügt war, hatte die F-GmbH die Baugenehmigungsunterlagen nebst Statik und Ausführungsplänen anzufertigen, den Wärmeschutznachweis zu erbringen sowie Montagepläne und eine Aufbauanleitung in Bild und Text zu liefern. Ferner hatte die F-GmbH für 32 Stunden einen "Richtmeister" für die fachliche Anleitung der Kläger bei der Errichtung des Rohbaus zu stellen. In der hierzu als "Dienstverschaffungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung verpflichteten sich die Kläger, "den fachlichen Anordnungen des Instrukteurs unbedingt Folge zu leisten", ansonsten könne dieser seine Tätigkeit sofort beenden; auch Gewährleistungsansprüche seien in diesem Fall ausgeschlossen.
Am 21. Juni 1995 schlossen die Kläger mit der B-GmbH i.G. einen Grundstückskaufvertrag ab. Dieser kam jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten bei der Verkäuferin nicht zur Durchführung. In der im Jahre 1998 durchgeführten Zwangsversteigerung erwarb die F-GmbH das Grundstück und veräußerte dieses durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 5. Juli 1999 zu einem Kaufpreis von 87 210 DM an die Kläger. Nach § 6 dieses Vertrages waren die Kläger verpflichtet, auf dem erworbenen Grundstück ein Fertigteilhaus der F-GmbH zu errichten. Ansonsten sollte die F-GmbH vom Grundstückskaufvertrag zurücktreten können.
Die Errichtung des Rohbaus (Montage der Hausbauteile) nahmen die Kläger mit Hilfe eines von ihnen beauftragten Krandienstes und zahlreicher Helfer (Verwandte, Freunde) nach den Anweisungen des Richtmeisters vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah in dem Grundstückskaufvertrag und dem Blockhauslieferungsvertrag "ein einheitliches Vertragswerk" und setzte durch zwei getrennte Bescheide vom 15. September 1999 ausgehend von einer (Gesamt-)Gegenleistung von 256 710 DM (Grundstückskaufpreis: 87 210 DM zuzüglich Gebäudepreis: 169 500 DM) Grunderwerbsteuer gegen die Kläger in Höhe von jeweils 4 492 DM fest.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Kläger gegen die Einbeziehung des Kaufpreises für den Hausbausatz in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage wandten, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 794 veröffentlicht ist, folgte der Rechtsauffassung des FA, dass als Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Kläger nicht nur das unbebaute, sondern das mit dem Fertighaus der F-GmbH bebaute Grundstück anzusehen sei. Die Kläger seien bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks mit dem bei der F-GmbH bereits bestellten Haus gebunden gewesen. Gegenstand des Kaufvertrages hinsichtlich des Hausbausatzes sei nicht nur die Lieferung der für die Rohbauerstellung notwendigen Baumaterialien gewesen; vielmehr habe der Vertrag darauf abgezielt, den Klägern das Grundstück bebaut zu verschaffen; denn die F-GmbH habe wesentliche, nämlich die planerisch-organisatorischen Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes zu erbringen gehabt. So habe sie neben der Lieferung der erforderlichen Baumaterialien sämtliche Pläne und Aufbauanleitungen erstellt und den Richtmeister als Bauleiter eingesetzt und die Einweisungen vornehmen lassen.
Mit der Revision rügen die Kläger fehlerhafte Anwendung von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das FG habe nicht berücksichtigt, dass sie das Haus selbst und mit Hilfe von Drittunternehmern sowie Freunden, Verwandten und Bekannten errichtet hätten.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG des Landes Brandenburg vom 10. Dezember 2002 3 K 149/01 aufzuheben und unter Abänderung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 15. September 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 15. Dezember 2000 die Grunderwerbsteuer auf jeweils 1 526 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der festgesetzten Steuer in dem von den Klägern beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass im Streitfall als einheitlicher Erwerbsgegenstand das von den Klägern erworbene Grundstück einschließlich der Bebauung mit dem von der F-GmbH gelieferten Fertigteilhaus anzusehen ist.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34). Dieser bestimmt sich nicht nur nach dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet. Vielmehr können auch weitere Verträge ggf. mit anderen Vertragspartnern einzubeziehen sein. Bei einer solchen Mehrheit von Verträgen ist ein Grundstück in bebautem Zustand Erwerbsgegenstand, wenn zwischen ihnen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt: BFH-Urteil vom 30. April 2003 II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446).
Ist das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages tatsächlich unbebaut, kann es der Erwerber nur dann von der Veräußererseite als "bebaut" erhalten, wenn nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Veräußerer selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender Dritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d.h. das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. Dies erfordert neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags auch den Abschluss eines Bauvertrages mit der Veräußererseite; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (z.B. BFH-Urteile vom 21. April 1999 II R 29/98, BFH/NV 1999, 1507; in BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34; vom 27. Oktober 1999 II R 20/99, BFH/NV 2000, 349, und in BFH/NV 2003, 1446). In diesem Sinne ist auch die Einschränkung zu verstehen, dass die erforderliche Bindung des Erwerbers an das "Ob" und das "Wie" einer konkreten Bebauung der Veräußererseite gegenüber bestehen muss. Die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstandes "bebautes Grundstück" setzt deshalb voraus, dass der Erwerber mit dem Erwerb des Eigentumsverschaffungsanspruchs Rechtsbeziehungen auch hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks (durch die Veräußererseite) eingegangen ist (so bereits BFH-Urteil vom 9. November 1999 II R 54/98, BFHE 189, 557, BStBl II 2000, 143). Ist jedoch die Veräußererseite nicht zu einer Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks, d.h. zu seiner Bebauung, verpflichtet, ist ―abgesehen von dem Fall der Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung― die vom Erwerber geschuldete Vergütung aus solchen Verträgen, die die Veräußererseite lediglich zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem vom Erwerber selbst herzustellenden Gebäude, zur Lieferung beweglicher Gegenstände (z.B. Baumaterialien) oder zur Bereitstellung von Planungsunterlagen (vgl. BFH-Urteile vom 25. November 1992 II R 67/89, BFHE 169, 533, BStBl II 1993, 308; vom 17. Juni 1998 II R 35/96, BFH/NV 1998, 1527, und in BFHE 189, 557, BStBl II 2000, 143) verpflichten, nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung für den Erwerb des (bebauten) Grundstücks hinzuzurechnen. Auf die Frage, ob das Grundstück sowie die Dienst- und Sachleistungen von der Veräußererseite einheitlich angeboten wurden, kommt es beim Fehlen einer Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite ebenso wenig an wie darauf, ob die Verträge in einem objektiv engen sachlichen Zusammenhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebunden war. Beim Erwerb eines Hausbausatzes vom Grundstücksverkäufer kann somit nur dann das mit dem Bausatzhaus bebaute Grundstück einheitlicher Erwerbsgegenstand sein, wenn der Grundstücksverkäufer auch zur Aufstellung und Montage der Bausatzteile auf dem Grundstück verpflichtet ist.
b) Dies hat das FG verkannt, soweit es die Lieferung des Bausatzhauses sowie die "planerisch-organisatorischen Arbeiten" der F-GmbH für die Annahme hat ausreichen lassen, dass die Kläger das Grundstück bebaut erhalten haben. Die neben der Übereignungspflicht vereinbarten ―und im Streitfall mit dieser sogar rechtlich verknüpften― Lieferungs- und Dienstleistungspflichten der F-GmbH dienten zwar im weitesten Sinne dem Zweck der Errichtung des Bausatzhauses auf dem von den Klägern erworbenen Grundstück, verpflichteten die F-GmbH aber nicht zur Aufstellung und Montage der Bausatzteile auf dem Grundstück. Deren Leistungspflichten beschränkten sich vielmehr auf die Bauplanung, die Herstellung und Lieferung der Bausatzteile sowie die Gestellung eines Instrukteurs (Richtmeisters) zur Einweisung und Beratung der Kläger bei der Errichtung des Rohbaus. Die Zusammensetzung der Bausatzteile zu einem Haus und die Herstellung einer festen Verbindung mit dem Grundstück lag allein im Verantwortungsbereich der Kläger. Dass die Kläger hierbei von einem Instrukteur der F-GmbH unterstützt und beraten wurden und ihnen von der F-GmbH auch eine Bauanleitung zur Verfügung gestellt wurde, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn daraus ergibt sich nicht, dass die F-GmbH das Haus auf dem Grundstück der Kläger zu errichten hatte; anders als vom FG angenommen hatte die F-GmbH die Aufstellung des Gebäudes auf dem Grundstück der Kläger nicht zu erbringen. Dementsprechend war ihre Haftung auch beschränkt auf die Fehlerfreiheit der angelieferten Bausatzteile, der von ihr erarbeiteten Montagepläne sowie der von ihrem Instrukteur erteilten Anweisungen.
2. Die Sache ist spruchreif.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist Gegenstand des Erwerbs der Kläger das unbebaute Grundstück. Dementsprechend ist der Kaufpreis für das Bausatzhaus nicht Teil der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung. Soweit das FG diesen bei der Ermittlung der Gegenleistung berücksichtigt hat, waren die angefochtenen Steuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen zu ändern. Die jeweils auf die Kläger entfallende Steuer ist danach wie folgt zu berechnen:
87 210 DM x 3,5 v.H. = 3 052 DM : 2 = 1 526 DM
Dies entspricht einem Betrag von 780,23 € je Kläger.
Fundstellen
Haufe-Index 1305872 |
BFH/NV 2005, 473 |
BStBl II 2005, 220 |
BFHE 2005, 51 |
BFHE 208, 51 |
BB 2005, 370 |
DB 2005, 481 |
DStRE 2005, 357 |
DStZ 2005, 137 |
HFR 2005, 439 |