Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufnahme eines die Einheitswertfeststellung betreffenden Finanzprozesses nach Konkurseröffnung
Leitsatz (NV)
1. Der über die Rechtmäßigkeit eines Einheitswertfeststellungsbescheides geführte Finanzprozeß ist als Abwehrprozeß ein Passivprozeß i. S. der §§ 10 ff. KO.
2. Der Einheitswertbescheid ist ein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 AO 1977, mit dem abweichend von § 157 Abs. 2 AO 1977 gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden.
3. Die aus der Steuerfestsetzung herausgelöste gesonderte Feststellung von Be
steuerungsgrundlagen ist der erste Schritt zur Festsetzung der Steuern, für die der Einheitswertbescheid von Bedeutung ist.
Normenkette
AO 1977 § 157 Abs. 2, § 171 Abs. 10, §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 155; KO § 10 Abs. 1; ZPO § 239 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Eigentümer des unbebauten Grundstücks X waren am 1. Januar 1974 die Klin. und Revisionsklin. zu 1 und A je zu ideellen Hälftebruchteilen. A hat seinen Miteigentumsanteil nach dem 1. Januar 1974, aber vor dem 1. Januar 1978, auf den im Jahr 1980 verstorbenen B übertragen.
Auf den 1. Januar 1974 hatte das FA den Einheitswert auf . . . DM für das unbebaute Grundstück festgestellt und ihn der Klin. zu 1 und A zu je 1/2 zugerechnet. Mit Bescheid vom 10. Februar 1978 nahm das FA eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1978 vor. Es stellte den Wert nunmehr auf . . . DM fest. Zurechnung und Artfeststellung blieben unverändert. Nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens haben die Klin. zu 1 und A Klage erhoben und begehrt, den Wertfortschreibungsbescheid aufzuheben. Nachdem das FA mit Bescheid vom 8. März 1982 eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1978 dahingehend vorgenommen hatte, daß es den Einheitswert wie bisher der Klin. zu 1 zur Hälfte und nunmehr B zur anderen Hälfte zurechnete, teilte der Prozeßbevollmächtigte der Klin. zu 1 und des A mit Schriftsatz vom 17. März 1982 mit, die Klage sei zu ändern, an die Stelle des ausscheidenden bisherigen Beteiligten A träten nunmehr die Testamentsvollstrecker nach B. Gleichzeitig wurde Vollmacht der Testamentsvollstrecker vorgelegt und beantragt, den Zurechnungsfortschreibungsbescheid
zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Über den Nachlaß des verstorbenen B ist anschließend das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluß vom 4. Oktober 1982 Rechtsanwalt C (der Revisionskl. zu 2) zum Konkursverwalter bestellt worden. Das FA hat mit Schriftsatz vom 23. November 1982 darum gebeten, den Konkursverwalter zur Aufnahme des Verfahrens zu veranlassen oder nach § 239 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO zu verfahren. Das FG hat den Konkursverwalter zur Aufnahme des Rechtsstreits aufgefordert und ihn zur mündlichen Verhandlung geladen. Da der Konkursverwalter zum Termin nicht erschienen war, hat das FG den Prozeß fortgesetzt und mit Urteil vom 14. Dezember 1982 ,,in dem Rechtsstreit . . . 2. des Rechtsanwalts C . . . als Konkursverwalter für den Nachlaß des im Jahr 1980 verstorbenen B" die Klagen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision, mit der dessen Aufhebung sowie weiter beantragt wird, nach dem Klageantrag zu erkennen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt - wenn auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft angenommen hat, es handle sich um einen Aktivprozeß des Konkursverwalters, und deshalb das Verfahren gegen den Revisionskläger zu 2 gemäß § 10 Abs. 1 KO, § 239 Abs. 2 ZPO und § 155 FGO fortgesetzt hat. Die vollständige Aufhebung des angefochtenen Urteils ist deshalb geboten, weil im einheitlichen Feststellungsverfahren nur einheitlich entschieden werden kann.
1. Der über die Rechtmäßigkeit eines Einheitswertfeststellungsbescheids geführte Finanzprozeß ist ein Abwehrprozeß, also ein Passivprozeß. Der Einheitswertbescheid ist Grundlagenbescheid i. S. der in § 171 Abs. 10 AO 1977 enthaltenen Definition, mit dem abweichend von § 157 Abs. 2 AO 1977 gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden. Diese aus der Steuerfestsetzung herausgelöste gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist der erste Schritt zur Festsetzung der Steuern, für die der Einheitswertbescheid von Bedeutung ist (vgl. § 17 Abs. 1, Abs. 2 BewG i.V.m. § 13 GrStG sowie § 19 Abs. 4 BewG). Die gesonderte Feststellung bildet derart nur eine erste - verselbständigte - Stufe der Steuerfestsetzung selbst (vgl. auch § 351 Abs. 2 AO 1977) und teilt damit deren prozeßrechtliche Qualifikation als Geltendmachung eines gegen den Betroffenen gerichteten Anspruchs. Damit aber scheidet die Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 2 KO aus. Das hat das FG, das den Prozeß gegen den Revisionskl. zu 2 in Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 2 KO, § 239 Abs. 2 ZPO und § 155 FGO fortgesetzt hat, verkannt.
2. Da über die Rechtmäßigkeit des einheitlichen (vgl. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) Feststellungsbescheids - Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1978 - nur einheitlich entschieden werden kann, war das Urteil auch insoweit aufzuheben, als es gegen die Klin. und Revisionsklin. zu 1 ergangen ist. Die Sache war deshalb an das FG zurückzuverweisen, das nunmehr über die Sache erneut zu entscheiden hat. Dabei wird es der Frage nachzugehen haben, ob der (nach Aktenlage an den bereits verstorbenen B gerichtete) Bescheid vom 8. März 1982 gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 wirksam geworden ist (vgl. Urteil des BFH vom 27. November 1981 II R 18/80, BFHE 134, 519, BStBl II 1982, 276).
Fundstellen
Haufe-Index 414275 |
BFH/NV 1986, 750 |