Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage, ob es sich im Sinne von § 3 Abs. 2 UStG um Zutaten oder Nebensachen handelt, kommt es nicht auf das Verhältnis des Wertes der Arbeit oder des Arbeitserfolges zum Werte der vom Unternehmer beschafften Stoffe, sondern darauf an, ob diese Stoffe ihrer Art nach sowie nach dem Willen der Beteiligten als Hauptstoffe oder als Nebenstoffe oder Zutaten der herzustellenden Ware anzusehen sind; in Zweifelsfällen entscheidet hierüber die Verkehrsauffassung.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 2, § 16; UStDB § 77 Ziff. 1, § 27; UStG § 3/4
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat für das zweite Vierteljahr 1951 Ausfuhrvergütung gemäß § 16 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für den folgenden Vorgang beantragt. Die Bfin. stellt in ihrem Betriebe Gelatine-Kapseln der, die der Füllung mit pharmazeutischen Präparaten dienen. Den Füllstoff bezog sie im Streitfalle von einer Schweizer Firma, wobei sie in den zollamtlichen Ausfuhrmeldungen und sonstigen Ausfuhrpapieren das Geschäft als Lohnveredelung bezeichnete, um die Pharmazeutika zollfrei einführen zu können. Nach der Füllung in die Gelatine- Kapseln, die den Zweck haben, das darin enthaltene Arzneimittel in genauer Dosierung verabreichen zu können und vor schädlichen äußeren Einwirkungen zu schützen, sowie den Patienten das Einnehmen unangenehm schmeckender Stoffe zu erleichtern, hat sie diese Arzneimittel mit der Kapsel wieder an die gleiche Schweizer Firma ausgeführt. Das Finanzamt hat die beantragte Ausfuhrvergütung für dieses Geschäft gemäß § 73 Abs. 1 Ziff. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (UStDB) 1938 versagt, weil die Bfin. nicht eine Ausfuhrlieferung sondern eine Werkleistung bewirkt habe. Einspruch und Berufung hiergegen blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Der Rb. ist zwar zuzugeben, daß die zollrechtliche Beurteilung des Vorganges für das Umsatzsteuerrecht nicht bindend ist, daß sich vielmehr die Frage, ob eine Werklieferung oder Werkleistung vorliegt, nach umsatzsteuerlichen Bestimmungen entscheidet. Nach § 3 Abs. 2 UStG wird eine Leistung umsatzsteuerrechtlich dann als Lieferung angesehen, wenn der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, sofern es sich bei diesen Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Die Unterscheidung der verwendeten Stoffe in Haupt- oder Nebenstoffe (Zutaten oder sonstige Nebensachen) kann nun nicht von einem Vergleich des Wertes der Arbeit oder des Arbeitserfolges mit dem Wert des verwendeten Stoffes abhängig gemacht werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 449/34 vom 26. Juni 1935, Slg. Bd. 38 S. 87, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1936 S. 189). Auch eine Abgrenzung nach den Wertverhältnissen der verwendeten Stoffe wird nicht in allen Fällen zu einem sicheren und befriedigenden Ergebnis führen (vgl. Schettler, Deutsche Steuer-Zeitung 1944 S. 175 ff. Abschn. 7). Es wird deshalb in Zweifelsfällen darauf abzustellen sein, ob es nach dem Willen der Beteiligten dem Besteller hauptsächlich darauf ankommt, den vom Unternehmer beschafften Stoff in verarbeiteter Form und in Verbindung mit eigenem Stoff zu erwerben oder darauf, seinem eigenen Stoff durch den Unternehmer in Verbindung mit dessen Stoff eine bestimmte Form zu geben. Im letztgenannten Fall ist der Stoff als Zutat und der Vorgang demgemäß als Werkleistung anzusehen. Soweit auch hiernach eine klare Abgrenzung nicht möglich ist, wird es auf die Verkehrsanschauung ankommen (vgl. Plückebaum, UStG 5. Aufl. Anm. 76 zu §§ 1 bis 3 S. 283).
Es ist hier davon auszugehen, daß die Schweizer Firma (Besteller) die von ihr beschafften Arzneimittel in der Form einer mit Gelatine umschlossenen Kapsel oder Pille zurückerhalten, daß sie aber der Bfin. nicht die Verfügungsmacht am Arzneimittel verschaffen wollte. Die Arzneimittel als solche sind mithin nicht Gegenstand des Leistungsaustausches zwischen Besteller und Bfin. Die Annahme einer Werklieferung wäre möglich, wenn man in der Gelatine-Kapsel einen zur Herstellung des Enderzeugnisses benötigten Hauptstoff erblickte, dem nach Art eines Teilstückes von gewisser selbständiger wirtschaftlicher Bedeutung der vom Besteller beschaffte Stoffe gegenüberstünde. Dies ist aber nach Auffassung des erkennenden Senats nicht der Fall. Darauf, daß die Gelatine und die sonstigen von der Bfin. verwendeten Stoffe für die Herstellung des Enderzeugnisses unentbehrlich sind, kann es nicht ankommen. Denn in zahlreichen Fällen sind zweifelsfrei als bloße Zutaten anzusehende Stoffe zur Herstellung des bestellten Werkes nicht zu entbehren. Entscheidend ist vielmehr, daß das Enderzeugnis ein bestimmtes Medikament bleibt, nur als solches im Verkehr angesehen wird, und daß dahinter die Umschließung in ihrer Bedeutung wesentlich zurückbleibt. Wenn sich die Rb. darauf beruft, daß auch im Streitfalle, wie bei den im Schrifttum als Einfügung eines Teilstückes behandelten Fällen, Füllmaterial und Kapsel ohne weiteres wieder getrennt werden können, so ist dem entgegenzuhalten, daß dann wohl das Füllmaterial in seinem früheren Bestand und in seiner ursprünglichen Form wieder vorhanden wäre, daß aber die Kapsel bei einer Trennung zerstört und damit wertlos würde. Die Wesensart des überlassenen Füllmaterials wird durch die gewünschte Arbeitsleistung, bei der vom Unternehmer hergestellte und beschaffte Stoffe verwendet werden, nicht berührt; aus dem Bearbeitungsvorgang geht der gleiche Gegenstand unverändert, nur in einer aus technischen und medizinischen Gründen bedingten Umschließung hervor. Gerade dieser Umstand spricht dafür, daß der Besteller nur eine Verarbeitung des überlassenen Gegenstandes wollte, den er lediglich in einer Umschließung, also in einer bestimmten Form, zurückerhalten wollte. Eine solche Umschließung muß dann aber als Nebenstoff angesehen werden, so daß bei dem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang die Leistungselemente überwiegen und zur Annahme einer Werkleistung führen.
Diese Beurteilung wird durch die folgende Erwägung bestätigt. Es ist zwar oben betont worden, daß sich die Frage, ob eine nicht vergütungsfähige Lohnveredelung für ausländische Rechnung (§ 26 UStDB 1938) oder eine vergütungsfähige Werklieferung vorliegt, nach den umsatzsteuerlichen Bestimmungen richtet. Ist aber, wie hier, unstreitig die eingeführte und später ausgeführte Ware von den Zollstellen als Ware im aktiven Lohnveredelungsverkehr gemäß § 22 Abs. 3 der Zollvormerk-Ordnung abgefertigt worden, so ist dies gleichfalls als Beweisanzeichen für eine Lohnveredelung, also eine Werkleistung, zu werten, da § 26 UStDB an das Zollrecht angelehnt ist. Zumindest wird das Vorliegen einer entsprechenden Verkehrsanschauung, auf die es hier entscheidend abgestellt ist, bestätigt.
Nach alledem ist der Vorentscheidung im Endergebnis beizutreten.
Fundstellen
Haufe-Index 407675 |
BStBl III 1953, 217 |
BFHE 1954, 567 |
BFHE 57, 567 |