Leitsatz (amtlich)
Auch beim Erstellen eines EDV-Programms können "mechanische" Fehler auftreten, die eine Berichtigung gemäß § 129 AO 1977 rechtfertigen.
Normenkette
AO 1977 § 129
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines im Landkreis Hannover gelegenen Geschäftsgrundstücks. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte auf den 1. Januar 1974 für dieses Grundstück im Jahre 1976 im Wege des Sachwertverfahrens einen Einheitswert von 3 433 600 DM fest. Bei dessen Ermittlung ermäßigte er die im Streitfall maßgebliche Wertzahl 85 (§ 2 Buchst. A Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 90 des Bewertungsgesetzes - DV zu § 90 BewG -) gemäß § 4 DV zu § 90 BewG um 10. Im Jahre 1978 berichtigte das FA den ursprünglichen Bescheid gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) und stellte dabei einen Einheitswert von 3 891 400 DM fest. Es begründete dies damit, daß aufgrund eines Programmfehlers die im Streitfall maßgebliche Wertzahl zu Unrecht gemäß § 4 DV zu § 90 BewG (Grundstücke im Zonenrandgebiet) ermäßigt worden sei.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 129 AO 1977. Diese Vorschrift sei bei Programmfehlern nicht anwendbar. Es sei im übrigen nicht auszuschließen, daß der Programmierer irrtümlich den Geschäftsbereich des beklagten FA dem Zonenrandgebiet zugerechnet habe.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Berichtigungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Gemäß § 129 AO 1977 kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. "Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" müssen einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich sein. Es muß sich um mechanische Fehler handeln, die ebenso "mechanisch", d. h. ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Besteht auch nur die Möglichkeit eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung, so ist eine Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausgeschlossen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785 , m. w. N.). Diese Grundsätze gelten auch für Fehler beim Programmieren. Unerheblich für die Beurteilung ist, daß das FA das EDV-Programm nicht selbst erstellt hat. Ein Fehler im EDV-Programm ist ein Fehler "beim Erlaß eines Verwaltungsakts".
Nach Ansicht des erkennenden Senats sind Möglichkeiten denkbar, wonach auch beim Erstellen eines EDV-Programms "mechanische" Fehler entstehen können. Ebenso können derartige Fehler beim Übertragen des fertigen Programms vom Codierblatt auf den Datenträger unterlaufen.
2. Das Finanzgericht (FG) hat festgestellt, daß im Streitfall der Fehler außerhalb des Bereichs des FA entstanden ist. Es konnte jedoch nicht klären, ob der Fehler dem Programmierer oder der Datenerfasserin im Rechenzentrum unterlaufen ist. Darauf kommt es jedoch, wie das FG zu Recht entschieden hat, nicht an; denn beide Sachverhalte rechtfertigen eine Fehlerberichtigung gemäß § 129 AO 1977.
a) Das Übertragen der Daten des Codierblattes auf den Datenträger ist eine rein mechanische Tätigkeit. Ein Rechtsirrtum ist insoweit regelmäßig ausgeschlossen.
b) Die Voraussetzungen des § 129 AO 1977 liegen aber auch dann vor, wenn der Programmierer beim Erstellen des EDV-Programms der Finanzamtsnummer statt des vorgesehenen Wertes "+0" (normale Wertzahl) den Wert "+1" (Ermäßigung für das Zonenrandgebiet) zugeordnet hatte. Der Programmierer hatte insoweit keine wertende Entscheidung zu treffen, die zu einem Rechtsfehler hätte führen können. Die insoweit maßgeblichen Vorgaben standen fest und waren keiner weiteren Überlegung zugänglich. Der Programmierer hatte lediglich schematisiert zu vergleichen, welchem Landkreis der Geschäftsbereich des FA angehört und ob dieser Landkreis in § 4 DV zu § 90 BewG aufgeführt ist.
An dem im Streitfall maßgeblichen Stichtag 1. Januar 1974 war der Geschäftsbereich des FA noch dekkungsgleich mit dem Landkreis Hannover. Die Neubildung dieses Landkreises und die Änderung der örtlichen Zuständigkeit des FA wurden erst nach dem Stichtag wirksam. Welcher Landkreis zum Zonenrandgebiet rechnet, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 DV zu § 90 BewG. Der Landkreis Hannover ist in dieser Vorschrift nicht aufgeführt. Das FG hat darüber hinaus unangefochten und für den Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) festgestellt, daß das der Bewertung zum 1. Januar 1974 zugrundeliegende EDV-Programm die nach dem Stichtag eingetretenen kommunalen Neugliederungen und Änderungen der FA-Bezirke noch nicht berücksichtigt hatte. Wann die Finanzbehörde das EDV-Programm tatsächlich fertiggestellt hatte, ist unerheblich. Die Ausführungen der Klägerin insoweit gehen daher ins Leere.
Fundstellen
BStBl II 1985, 32 |
BFHE 1985, 202 |