Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Leichenkraftwagen gelten auch nach dem KraftStG 1955 als Lastkraftwagen.
Normenkette
KraftStG §§ 10-11; KraftStDV § 5
Tatbestand
Streitig ist, mit welchem Steuersatz das Kraftfahrzeug des Beschwerdegegners (Bg.), das nach Aufbau und Verwendungszweck der Beförderung von eingesargten Leichen dient, für den Zeitraum vom 18. Juli 1955 bis 17. Juli 1956 zu versteuern ist, ob mit dem Steuersatz für Personenkraftwagen unter Zugrundelegung des Hubraums des Fahrzeugs (ß 10 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1955), wie der Bg. es beansprucht, oder als Lastkraftwagen nach dem Steuersatz für "alle anderen Fahrzeuge" unter Zugrundelegung des verkehrsrechtlich höchstzulässigen Gesamtgewichts des Fahrzeugs (ß 5 der Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStDV - 1955, § 10 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG 1955), wie das Finanzamt annimmt.
Das Finanzgericht ist der Meinung des Bg. beigetreten, daß das Fahrzeug als Personenkraftwagen zu versteuern sei, und hat die vom Finanzamt auf 140 DM festgesetzte Jahressteuer auf 101 DM herabgesetzt, die Rechtsbeschwerde (Rb.) jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage zugelassen. Es begründet seine Entscheidung damit, daß ein Kraftfahrzeug, das nach seinem Aufbau nicht nur zur Beförderung von Personen, sondern auch dazu eingerichtet und bestimmt ist, wahlweise oder gleichzeitig Güter zu befördern, nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KraftStG 1955 nur dann nicht als Personenkraftwagen anzusehen sei, wenn die für die Güterbeförderung verwendbare Nutzfläche größer als 2,5 qm ist. Das strittige Fahrzeug habe eine Nutzfläche von weniger als 2,5 qm. Da es mit Fahrersitz und Beifahrersitz ausgestattet sei, diene es auch der Personenbeförderung. Der Meinung des Finanzamts, daß das Vorhandensein von Fahrersitz und Beifahrersitz für die Beurteilung des Fahrzeugs nur von untergeordneter Bedeutung sei, also daß das Vorhandensein dieser beiden Sitze das Fahrzeug nicht zu einem auch der Personenbeförderung dienenden Fahrzeug mache, könne als zu eng nicht beigepflichtet werden.
Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit der Rb. gegen die Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat Erfolg.
Als Personenkraftwagen sind nach § 10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG 1955 Kraftfahrzeuge anzusehen, die mindestens vier Räder haben und nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von höchstens sieben Personen (einschließlich Kraftfahrzeugführer) geeignet und bestimmt sind. Als Lastkraftwagen gelten nach § 5 KraftStDV 1955 steuerrechtlich Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern, wenn sie nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern geeignet und bestimmt sind. Ist ein Fahrzeug nach seiner Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern geeignet und bestimmt, dann gilt es ohne Rücksicht auf die Größe der zur Güterbeförderung verwendbaren Nutzfläche steuerrechtlich als Lastkraftwagen. Daneben trifft das KraftStG 1955 im § 10 Abs. 2 Satz 2 eine Regelung für sogenannte Kombinationskraftfahrzeuge (= Mehrzweckkraftfahrzeuge), d. h. für solche Kraftfahrzeuge, die nach ihrem Aufbau nicht nur zur Beförderung von Personen, sondern auch dazu eingerichtet und bestimmt sind, wahlweise oder gleichzeitig Güter zu befördern. Fahrzeuge dieser Art sind dann nicht als Personenkraftwagen anzusehen, wenn die für die Güterbeförderung verwendbare Nutzfläche größer als 2,5 qm ist. Entscheidend ist also für die Beurteilung eines Fahrzeugs dessen Eignung und Zweckbestimmung, wobei sich beides aus der Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs ergeben muß. Dabei ist es nicht möglich, daß ein Fahrzeug unter mehrere Fahrzeugarten fällt, eine Fahrzeugart schließt vielmehr die andere aus. Ist demnach ein Kraftfahrzeug ein Personenkraftwagen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG 1955 oder ein Lastkraftwagen nach § 5 KraftStDV 1955, dann kann es kein Kombinationsfahrzeug sein, das je nach der Größe seiner für die Güterbeförderung verwendbaren Nutzfläche entweder als Personenkraftwagen oder als Lastkraftwagen anzusehen wäre.
Rechtsirrig ist die Meinung des Finanzgerichts, daß bei der Beurteilung eines im übrigen nach seiner Bauart und Einrichtung zur Güterbeförderung geeigneten und bestimmten Fahrzeugs der Fahrersitz und der Beifahrersitz zu berücksichtigen seien. Ist ein Fahrzeug, abgesehen vom Fahrer- und Beifahrersitz, nach seiner Bauart und Einrichtung nur zur Güterbeförderung geeignet und bestimmt, dann macht der Güterladeraum die Eigenart des Fahrzeugs aus. Damit gilt ein solches Fahrzeug als Lastkraftwagen (ß 5 KraftStDV 1955). Würde man der Meinung des Finanzgerichts folgen, dann würde jeder Lastkraftwagen mit Fahrer- und Beifahrersitz ohne Rücksicht auf die Größe der Ladefläche ein Kombinationskraftfahrzeug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KraftStG 1955 sein, die Begriffsbestimmung des § 5 KraftStDV 1955 zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG 1955 wäre dann überflüssig und unvollständig. Es liegt auf der Hand, daß dies nicht der Fall sein kann. Die sich hiernach ergebende Nichtberücksichtigung des Fahrer- und Beifahrersitzes bei der Beurteilung von Kraftfahrzeugen, die im übrigen nach Bauart und Einrichtung nur zur Güterbeförderung geeignet und bestimmt sind, in kraftfahrzeugsteuerlicher Hinsicht entspricht auch der zulassungsrechtlichen Behandlung solcher Fahrzeuge. Auf die Begründung zu § 23 Abs. 1 Satz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) - abgedruckt bei Müller, Straßenverkehrsrecht, Zulassungs-Ordnung § 23 Anm. 12a, 18. Auflage, S. 540 - wird Bezug genommen; es heißt dort: "... Allerdings ist zu beachten, daß die Lastkraftwagen für die Beförderung von mindestens zwei Personen (einschließlich des Fahrers), die Personenkraftwagen zur Mitnahme von Reisegepäck eingerichtet sind, ohne daß sie deshalb als Kombinationskraftwagen betrachtet werden können. Bei der Angabe des Verwendungszwecks muß der Raum für den Führersitz und die daneben befindlichen Plätze sowie der für die Mitnahme von Reisegepäck bestimmte Raum außer Betracht bleiben." Die Außerachtlassung des Fahrersitzes und des Beifahrersitzes entspricht ferner der Beurteilung der Beförderung von Fahrer und Beifahrer in beförderungsteuerlicher Hinsicht. Zur Annahme einer Beförderung im Sinne des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) ist nämlich erforderlich, daß die Raumüberwindung der Selbstzweck, mindestens aber der Hauptzweck der Betätigung ist. Die Mitfahrt des Kraftfahrzeugführers und einer Lade- und Bedienungsmannschaft ist keine Beförderung im Sinne des Beförderungsteuerrechts, sondern nur Mittel zum Zweck, d. h. Mittel zur sachgemäßen Durchführung der Beförderungsleistung. Die Mitbeförderung von Fahrer und Beifahrer hat in beförderungsteuerlicher Hinsicht neben der den Selbstzweck bildenden Beförderung von Gütern oder Personen keine selbständige Bedeutung, so wie auch die Mitbeförderung von Angehörigen einer verstorbenen Person im Leichenkraftwagen beförderungsteuerlich keine selbständige Bedeutung hat (vgl. hierzu Urteil des Reichsfinanzhofs II 42/39 vom 21. März 1940, Slg. Bd. 48 S. 252, Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 534, Mrozek-Kartei, Beförderungsteuergesetz 1926 § 1 Abs. 2 Ziff. 1 Rechtsspruch 1).
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß das Fahrzeug bei Außerachtlassung des Fahrer- und des Beifahrersitzes nach seiner Bauart und Einrichtung nur zur Beförderung von Gütern geeignet und bestimmt ist. Damit gilt, wie bereits gesagt, das Fahrzeug steuerrechtlich als Lastkraftwagen (ß 5 KraftStDV 1955). Unter Gütern in diesem Sinn ist alles zu verstehen, was nicht unter den Begriff einer Person fällt. Zu Gütern in diesem Sinn gehören also entgegen der Auffassung des Bg. auch Leichen. Leichen sind keine Personen. Unerheblich für die Beurteilung ist, daß die Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes (z. B. das Erfordernis der Genehmigung beim Güterfernverkehr oder das Erfordernis der Erlaubnis beim Güternahverkehr mit Lastkraftwagen, mit bestimmter Nutzlast oder mit Zugmaschinen, §§ 8 und 80 des Güterkraftverkehrsgesetzes - GüKG -) auf die Beförderung von Leichen in besonders hierfür eingerichteten und ausschließlich solchen Beförderungen dienenden Kraftfahrzeugen keine Anwendung finden (ß 4 Abs. 1 Nr. 2 GüKG). Fehl geht auch die Meinung des Bg., daß gegenüber dem vor dem Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 geltenden Rechtszustand in Bezug auf die kraftfahrzeugsteuerliche Beurteilung eines Leichenkraftwagens durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 eine änderung eingetreten sei, so daß das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 31/36 vom 26. Juni 1936 (RStBl 1936 S. 925, Mrozek-Kartei, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1935 § 11 Rechtsspruch 1) seine Bedeutung verloren habe. Die Ausführungen des Bg. über die durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 eingeführte stärkere Besteuerung der schweren Lastkraftwagen gegenüber früher und über die Gründe dieser stärkeren Besteuerung können den Standpunkt des Bg. nicht begründen. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Auffassung des Finanzamts auf einer formal-juristischen und dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechenden Betrachtungsweise beruht.
Hiernach war zu erkennen, wie geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 408627 |
BStBl III 1957, 22 |
BFHE 64, 59 |