Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO über die Nacherhebung von Verbrauchsteuern in den im Gesetz zum Ausgleichsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande vom 10. Juni 1963 genannten Gebieten (BGBl I 1963, 502) enthaltenem Befreiung von der Nachsteuer.
Normenkette
VO über die Nacherhebung von Verbrauchsteuern in den im Gesetz zum Ausgleichsvertrag vom 10. Juni 1963 genannten Gebieten vom 23. Juli 1903 (BGBl I 1963, 502) § 1 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Kaffeesteuer zu Recht nacherhoben worden ist.
Es handelt sich um Rohkaffee verschiedener Herkunft im Gesamtgewicht von … kg, den die Klägerin in dem seinerzeit unter holländischer Verwaltung stehenden Selfkantgebiet eingelagert hatte. Als sie nach dessen Rückgliederung einen Teil des Kaffees auslagern wollte, forderte das Hauptzollamt (HZA) unter Hinwels auf die „Verordnung über die Nacherhebung von Verbrauchsteuern in den im Gesetz zum Ausgleichsvertrag vom 10. Juni 1963 genannten Gebieten” – im folgenden kurz: Verordnung (VO) – vom 23. Juli 1963 (BGBl I 1963, 502) Kaffeesteuer in Höhe von … DM nach. Es führte aus, daß die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 (a. a. O.) vorgesehene Befreiung von der Nacherhebung für solche Kaffeemengen, die bei Gewerbetreibenden den Umsatz im ersten Halbjahr 1963 nicht überstiegen, hier nicht anwendbar sei. Es komme hierbei nur auf den Umsatz in den rückgegliederten Gebieten an. In diesen aber habe die Klägerin keine Umsätze erzielt.
Einspruch und Berufung halten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des geltenden Rechts.
Die Vorentscheidung entspreche schon äußerlich nicht den gesetzlichen Vorschriften (§ 105 Abs. 2 FGO), da Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht voneinander getrennt aufgeführt seien, sondern ineinander übergingen. Die Darstellung des Tatbestandes sei dabei zu kurz gekommen. Es sei nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen, daß andere Waren wie Butter. Getreide, Fleisch. Rauch- und Apothekerwaren in großen Mengen im Rückgliederungsgebiet eingelagert gewesen seien und – entgegen der für Kaffee, Tee und Branntwein getroffenen Regelung – nicht nachbesteuert worden seien. Die aufrechterhaltene Einwendung des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes – GG –) sei so für das Revisionsgericht nicht hinreichend nachprüfbar. Es sei nämlich im Hinblick auf Art. 3 GG sehr wesentlich, daß bei den anderen Waren keine Nachbesteuerung angeordnet worden sei, weil die Gefahr von Wettbewerbsverfälschungen bei sämtlichen einer Verbrauchsteuer oder Abschöpfung unterliegenden Waren und Warengruppen bestanden habe. Die Belastung nur von Kaffee, Tee und Branntwein sei daher im Hinblick auf Art. 3 GG nicht zulässig gewesen. Im übrigen sei auch der Begriff „Wettbewerbsverfälschung” bereits in der gesetzlichen Ermächtigung (Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes vom 10. Juni 1963, BGBl II 1963, 458) fehl am Platze. Denn von einem auf unlautere Weise zu gewinnenden Vorsprung im Wettbewerb, wie er diesem Begriff eigen sei, könne keine Rede sein. Insofern habe bereits der Gesetzgeber (Bundestag) das Problem falsch beurteilt und gegen die Pflicht zur Konkretisierung nach Art. 80 GG verstoßen. Mindestens aber sei die VO vom 23. Juli 1963 unwirksam, weil auch durch die – übrigens fälschlich als „Nacherhebung” bezeichnete – erstmalige Verbrauchsteuerbelastung Wettbewerbsverfälschungen im Sinne des Gesetzes keineswegs hätten verhindert werden können oder verhindert worden seien.
Unabhängig hiervon sei die VO – Ihre Gültigkeit unterstellt – im Streitfall falsch angewendet worden. Denn der von der Klägerin – wenn auch außerhalb des Rückgliederungsgebietes – im ersten Halbjahr 1963 erzielte Umsatz habe die in dem angefochtenen Steuerbescheid erfaßten Kaffeemengen nachweislich überschritten. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Nachsteuer seien daher erfüllt. Der Befreiungstatbestand in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO setze nach seinem Wortlaut nicht voraus, daß der Vergleichsumsatz (Umsatz des ersten Halbjahres 1963) ausschließlich im Rückgliederungsgebiet habe erzielt werden müssen. Da die Vorschrift nicht auf gebietsansässige Gewerbetreibende beschränkt sei, müsse der Gesamtumsatz, also auch der außerhalb des Rückgliederungsgebietes erzielte Umsatz berücksichtigt werden. Daß dies möglicherweise bei Erlaß der VO nicht beabsichtigt gewesen sei, sei bedeutungslos. Denn eine derartige Absicht habe jedenfalls in der VO selbst keinen Niederschlag gefunden. Diesem Umstand komme um so größere Bedeutung zu, als die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 (a. a. O.), da sie einen Ausnahmefall zum Inhalt habe, streng nach dem Wortlaut auszulegen sei. Die Anwendung könne daher nicht mit der Begründung versagt werden, daß der außerhalb des Rückgliederungsgebietes erzielte Umsatz nicht berücksichtigt werden könne.
Schließlich sei der Entstehungstatbestand für die Nachsteuer in der VO nicht hinreichend im Sinne des § 3 Abs. 1 StAnpG normiert. Die Vorschrift in § 3 der VO, wonach die Steuerschuld am 1. August 1963 entsteht, regele nur den Entstehungszeitpunkt, nicht den Entstehungstatbestand. Das Fehlen des letzteren sei unvereinbar mit der in Art. 20 GG garantierten Rechtsstaatlichkeit.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die dem Urteil zugrunde liegende Einspruchsentscheidung des HZA einschließlich des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Steuerbescheides des HZA vom 30. August 1963 ersatzlos aufzuheben und die Kosten des Verfahrens der Bundeskasse, vertreten durch das HZA Heinsberg, aufzuerlegen.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es hält daran fest, daß sowohl die gesetzliche Ermächtigung wie die VO rechtswirksam und die Vorschriften der VO selbst im Streitfall zutreffend angewendet worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Die sich gegen die Form der Vorentscheidung richtende Rüge greift nicht durch. Der Tatbestand eines Urteils muß die zusammengefaßte Wiedergabe der für die Entscheidung wesentlichen Punkte des objektiven Sachverhalts und des Parteivortrags, insbesondere der gestellten Anträge enthalten (vgl. Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 313 Anm. IV, 3; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 313 Anm. B III A 2; Zöller, Zivilprozeßordnung, § 313 Anm. 2). Es braucht und soll nicht der gesamte Vortrag der Parteien niedergelegt werden, entscheidend ist, daß dieser in seinem wesentlichen Kern in knapper und gedrängter Form dargestellt und erkennbar ist (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 105 Anm. I, 4 FGO). Die Vorentscheidung trägt dem in ausreichendem Maße Rechnung, da der Sachverhalt in verständlicher, für die Beurteilung der hier im Vordergrund stehenden Rechtsfragen hinreichender Form wiedergegeben ist. Mehr ist nicht erforderlich. Eine äußerliche Trennung des Tatbestandes von den Entscheidungsgründen ist zwar zweckmäßig, ihr Fehlen aber kein wesentlicher Mangel (vgl. Stein-Jonas-Schönke, a. a. O., Anm. IV, 5; Wieczorek, a. a. O., Anm. B IV).
II.
Die Auffassung der Vorinstanz zur Frage der Rechtsgültigkeit der VO vom 23. Juli 1963 und der ihr zugrunde liegenden Ermächtigung in Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande (Ausgleichsvertrag) vom 10. Juni 1963 (BGBl II 1963, 458) unterliegt – jedenfalls im Ergebnis – keinen Bedenken. Die Ermächtigung ist nach Zweck, Inhalt und Ausmaß im Text des Ausgleichsvertrags hinreichend bestimmt und entspricht dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – vgl. Entscheidung 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 vom 12. November 1958, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 8 S. 274 (BVerfGE 8, 274) – aufgestellten Erfordernissen. Sie läßt in ihrer Fassung mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was von dem Bürger gefordert werden kann. Da sich der für die Nacherhebung von Verbrauchsteuern maßgebende Tatbestand bereits aus dem Gesetz entnehmen läßt, brauchte er nicht in die VO vom 23. Juli 1963 aufgenommen zu werden. Die VO selbst hält sich in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung, derzufolge der Bundesminister der Finanzen (BdF) befugt ist, „das Nähere über die Entstehung der Abgabenschuld und die Person des Abgabenschuldners zu bestimmen und das anzuwendende Verfahren zu regeln”. Mit Recht hat die Vorinstanz die Auffassung der Klägerin, daß durch die VO eine neue „Nachsteuer” geschaffen worden sei, abgelehnt. Denn der Klammerzusatz in § 1 Abs. 1 Satz 1 der VO („Nachsteuer”) sollte – worin der Vorinstanz zuzustimmen ist – lediglich einer (vereinfachenden) Abkürzung dienen, die im übrigen auch durchaus vernünftig und sinnvoll erscheint. Aus der VO selbst ergibt sich eindeutig, daß – wie in der Ermächtigung des Art. 5 Abs. 3 des Ausgleichsvertrages vorgesehen – die Verbrauchsteuern für Kaffee, Tee und Branntwein nacherhoben werden sollten und worden sind. Daß hierfür aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung das Wort „Nachsteuer” gewählt wurde, hat allenfalls deklaratorische Bedeutung und ist unschädlich.
Von weiteren Erörterungen, ob irgendwelche Bedenken gegen die Gültigkeit der VO vom 23. Juli 1963 bestehen, kann abgesehen werden, da sich die Revision aus anderem Grunde als begründet erweist.
III.
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO sind von der Nacherhebung der Verbrauchsteuer befreit:
- bei Gewerbetreibenden Mengen, die den Umsatz
- im ersten Halbjahr 1963 nicht übersteigen.
Die Vorinstanz hat die Auffassung der Verwaltung, daß die Befreiung der Klägerin nicht zustehe, gebilligt. Sie hat dies damit begründet, daß die Vergünstigung nur von den im Rückgliederungsgebiet „ansässigen” Gewerbetreibenden in Anspruch genommen werden könne. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, den Begriff „Gewerbetreibender” einschränkend dahin zu interpretieren, daß hierunter nur ein Gewerbetreibender mit Sitz im Rückgliederungsgebiet zu verstehen ist. Demgegenüber hatte die Verwaltung – anders als die Vorinstanz – den Begriff „Umsatz” nur im Sinne des im Rückgliederungsgebiet erzielten Umsatzes ausgelegt. Der erkennende Senat vermag sich weder der einen noch der anderen der beiden – in sich übrigens erheblich voneinander abweichenden – Auslegungen anzuschließen.
1. Es handelt sich darum, ob die Begriffe „Gewerbetreibender” oder „Umsatz” in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift oder der VO entgegen dem klaren Wortlaut in dem genannten einschränkenden Sinne auszulegen sind. Die Überprüfung der von der Vorinstanz für ihre Auffassung angeführten Entscheidungen des BVerfG ergibt, daß – worin der Revision zuzustimmen ist – keine dieser Entscheidungen für eine so weitgehende, vom Wortlaut abweichende Auslegung herangezogen werden kann. Das BVerfG hat in seinen Grundsatzentscheidungen vielmehr in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß für die Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend sei. Es hat weiter ausgeführt, daß die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder ihrer Mitglieder über Inhalt, Bedeutung oder Ziele der Vorschrift nicht entscheidend sei (vgl. die Entscheidungen des BVerfG 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952, BVerfGE 1, 299 [312]; 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 vom 12. November 1958, BVerfGE 8, 274 [307]; 1 BvL 10/55 vom 15. Dezember 1959, BVerfGE 10, 234 [244]; 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960, BVerfGE 11, 126 [130]; 2 BvL 6/59 vom 19. Dezember 1961, BVerfGE 13, 261 [268]).
In Übereinstimmung hiermit hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in dem Urteil III A 13/53 vom 17. September 1953 (Die Öffentliche Verwaltung 1954 S. 30) rechtsgrundsätzlich ausgesprochen, daß bei Auslegung einer Bestimmung von ihrem Wortlaut auszugehen und dieser so auszulegen ist, „wie es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht und zu Ergebnissen führt, die für alle Beteiligten vertretbar sind”. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat in den in neuerer Zeit ergangenen Urteilen betont herausgestellt, daß ein bewußtes Hinausgreifen über den Wortlaut einer Vorschrift grundsätzlich nicht möglich ist, es sei denn, daß die Auslegung sonst dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich widersprechen und – als kumulativ – zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vgl. BFH-Urteil VI 162/55 U vom 14. Februar 1958, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 66 S. 539 – BFH 66, 539 –, BStBl III 1958, 207). Bei einer Abweichung vom Wortlaut sei besondere Zurückhaltung geboten, wenn dadurch eine Verschärfung der Besteuerung eintreten würde (vgl. BFH-Urteile VI 125/56 U vom 6. September 1957, BFH 65, 403, BStBl III 1957, 387; VI 59/55 U vom 31. Oktober 1957, BFH 66, 55, BStBl III 1958, 24; 1 285/56 U vom 7. Mai 1957, BFH 65, 82, BStBl III 1957, 264). Eine solche Verschärfung der Besteuerung würde aber im Streitfall insofern eintreten, als bei Nichteinbeziehung der außerhalb des Rückgliederungsgebiets erzielten Umsätze der auf das erste Halbjahr 1963 abgestellte Vergleichsumsatz geringer wäre, als bei Hinzurechnung dieser Umsätze, und sich dadurch und bei Ausschluß der nicht im Rückgliederungsgebiet ansässigen Gewerbetreibenden die steuerfrei zu belassende Warenmenge vermindern würde.
2. Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf die Streitfrage ergibt keinen Anhaltspunkt, der eine Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO hinsichtlich der Begriffe „Gewerbetreibender” oder „Umsatz” gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut zulassen oder rechtfertigen könnte. Beiden Begriffen ist nach Sprachgebrauch, aber auch ihrer Bedeutung im Steuerrecht (vgl. für Gewerbetreibender: § 15 EStG; für Umsatz: § 1 UStG) eine Begrenzung regionaler Art nicht wesenseigen, sondern wesensfremd. Wenn also der BdF als Verordnungsgeber eine solche Begrenzung – sei es subjektiv, sei es objektiv – hinsichtlich der Höhe der steuerfrei zu belassenden Warenmenge hätte verwirklichen wollen, hätte er es sagen können und müssen. Dies ist nicht geschehen. Für die Auslegung der Vorschrift ist daher die Fassung maßgeblich, die diese nun einmal gefunden hat. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen bei dem BdF für die Höhe der Freimenge in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO maßgebend gewesen sind. Dies um so mehr, als der BdF die von Verwaltung und Vorinstanz unterstellte Einschränkung ohne jede Schwierigkeit (rechtlicher oder sprachlicher Art) mit wenigen Worten hätte zum Ausdruck bringen können. Im übrigen bieten weder die sonstigen Vorschriften der VO noch die gesetzliche Ermächtigung (Art. 5 Abs. 3 Ausgleichsvertrag) einen Anhalt für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung. Selbst wenn aber, worauf nur ergänzend hingewiesen sei, die nur in der für die Auslegung nicht maßgebenden Begründung der VO anklingende Versorgung der Bevölkerung für die Höhe des Vergleichsumsatzes eine Rolle gespielt haben sollte, so spricht dies nicht für die Auffassung der Verwaltung oder der Vorinstanz. Denn durch Einbeziehung der außerhalb des Rückgliederungsgebietes getätigten Umsätze wird der Vergleichsumsatz und damit die steuerfrei zu belassende Warenmenge lediglich erhöht, was allenfalls einer längerfristigen Versorgung der Bevölkerung gedient hätte, dem Gesichtspunkt der Versorgung selbst indessen nicht zuwiderläuft. Daß im übrigen hierbei auch im Interesse einer möglichst vereinfachten Nacherhebung der Verbrauchsteuern ein bewußt großzügiger Maßstab angelegt werden sollte, ergibt sich aus den über eine übliche Versorgung jeder Einzelperson ohne Rücksicht auf Familienstand weit hinausgehenden, nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der VO steuerfrei belassenen Warenmengen.
Mit einer solchen im Interesse der Vereinfachung bewußt großzügigen Bemessung der steuerfrei belassenen Freimenge ist es nicht zu vereinbaren, den Umsatz bei Gewerbetreibenden in einen innerhalb und außerhalb des Rückgliederungsgebiets erzielten Teilumsatz aufzuspalten, zumal eine solche Aufteilung Streitfragen verschiedener Art in sich birgt, was der erkennbar beabsichtigten vereinfachten Nacherhebung entschieden zuwiderläuft.
3. Der Senat kommt daher zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß § 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO nach seinem Wortlaut auszulegen und eine Einschränkung in standortmäßiger („Gewerbetreibender”) oder regionaler („Umsatz”) Hinsicht nicht zulässig ist. Davon, daß diese Auslegung dem offensichtlichen Willen des Gesetzgebers widersprechen und darüber hinaus zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, kann nach dem Vorstehenden keine Rede sein. Der von der Klägerin außerhalb des Rückgliederungsgebiets im ersten Halbjahr 1963 erzielte Umsatz ist daher in den Vergleichsumsatz einzubeziehen. Da dieser die im Rückgliederungsgebiet eingelagerte Kaffeemenge dann übersteigt, ist für diese keine Kaffeesteuer nachzuerheben.
IV.
Da die Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war Ihre Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist, da sie keiner weiteren Sachaufklärung bedarf, spruchreif. Die Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 1963 und der Steuerbescheid des HZA vom 30. August 1963 waren daher gleichfalls aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 514810 |
BFHE 1969, 570 |