Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsfortbildungskosten einer Lehrkraft an einer Musikschule
Leitsatz (NV)
1. Als Werbungskosten abziehbare Berufsfortbildungskosten sind gegeben, wenn eine als staatlich geprüfte Pianistin an einer Musikschule tätige Lehrkraft ihre pianistischen Fähigkeiten vertiefen und ihr Repertoire an Musikstücken erweitern will.
2. Dem steht nicht entgegen, daß die Lehrkraft sich hierdurch die Möglichkeit eröffnen will, später einmal in einem Orchester mitzuspielen oder als Solopianistin aufzutreten.
3. Aufwendungen für gemeinsames Musizieren in Bekannten- oder Freundeskreisen fallen unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ausgebildete Lehrerin für alle Fächer der Grund- und Hauptschule. Sie hat außerdem an der Fachakademie für Musik die staatliche Musikreifeprüfung als Pianistin bestanden und ist infolgedessen berechtigt, die Berufsbezeichnung mit dem Zusatz ,,staatlich geprüft" zu führen. Hauptberuflich war sie im Streitjahr 1985 an einer Musikschule beschäftigt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 machte die Klägerin Werbungskosten in Höhe von . . . DM geltend, darunter Aufwendungen für ,,Bildungsfahrten" nach X an 24 Tagen und nach Z an 15 Tagen (Fahrtkosten mit 0,42 DM je Entfernungskilometer zuzüglich Verpflegungsmehraufwand).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1985 Werbungskosten nur in Höhe von . . . DM. Das FA ließ u. a. die Aufwendungen für sog. Bildungsfahrten nach X und Z im Betrag von . . . DM nicht als Werbungskosten, sondern als Ausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - Sonderausgaben - mit dem Höchstbetrag von 900 DM zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage wandte sich die Klägerin ausschließlich gegen die Nichtanerkennung ihrer Aufwendungen für die sog. Bildungsreisen als Werbungskosten. Sie machte geltend, ihre Tätigkeit als Pianistin bei der Musikschule würde durch ihre Bildungsfahrten nach Z und X gefördert. Bei den Fahrten nach Z hätte sie einen Gesprächstermin und Vorbereitungen (Gehör und Theorie) und bei den Fahrten nach X einen Gesprächstermin und Spieltermine wahrgenommen. Sie habe hierdurch ihr Repertoire erweitert und sich die Möglichkeit geschaffen, später einmal in einem namhaften Orchester mitzuspielen, als Solopianistin aufzutreten oder als Pianistin an einer Hochschule tätig zu werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin die Festsetzung der Einkommensteuer 1985 auf null DM beantragt hatte, als unbegründet ab. Es führte aus, das FA habe die streitigen Aufwendungen der Klägerin für die Bildungsreisen zutreffend als Berufsausbildungskosten und nicht als Werbungskosten gewürdigt. Die Ausgaben hätten nicht der Förderung ihres ausgeübten Berufs gedient, sondern seien mit dem Ziel getätigt worden, eine neue und höher eingeschätzte wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung zu erreichen. Die Klägerin habe im Streitjahr 1985 ihren Lebensunterhalt als Klavierlehrerin an einer Musikschule verdient. Bei erfolgreichem Abschluß der Bildungsmaßnahme habe sie die Chance, aus ganz anders gearteten Tätigkeiten (Mitspielen in Orchestern, Solopianistin oder Dozentin an einer Hochschule) Einnahmen zu erzielen. Während ihre jetzige Arbeit mehr unterrichtender Art sei, böten ihr die angestrebten Betätigungen mehr künstlerische und schöpferische Möglichkeiten. Ihre Bildungsmaßnahmen ähnelten einem ihrem Erststudium verwandten Zweitstudium, für dessen Aufwendungen der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 160/70 (BFHE 104, 231, BStBl II 1972, 255) Ausbildungskosten angenommen habe.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein. Sie ist der Ansicht, das FG habe § 9 EStG verletzt, da es ihre Aufwendungen für Bildungsfahrten nicht als Werbungskosten anerkannt habe. Das FG habe zudem den Sachverhalt ungenügend ermittelt. Sie, die Klägerin, habe mit der Klageschrift beantragt, die Einkommensteuer 1985 auf null DM festzusetzen. Sie habe darauf hingewiesen, daß das FA von den in ihrer Einkommensteuererklärung geltend gemachten Werbungskosten von . . . DM im Einkommensteuerbescheid 1985 lediglich . . . DM als Werbungskosten anerkannt habe. Die streitigen Aufwendungen für Bildungsfahrten erklärten nicht den vorgenannten Unterschied. Bei Nichtberücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von dieser Differenz ergäbe sich noch eine Einkommensteuerschuld von . . . DM. Aufgrund ihres Klageantrags, die Einkommensteuer auf null DM festzusetzen, hätte das FG den Sachverhalt dahin ermitteln müssen, welche weitere Aufwendungen das FA nicht als Werbungskosten erkannt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind Berufsfortbildungskosten Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn ein Steuerpflichtiger Aufwendungen tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Berufliche Fortbildungskosten sind ebenfalls gegeben bei Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger macht, um sich in dem ausgeübten Beruf fortzubilden, damit er, ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, besser vorwärtskommen kann (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216). Als Sonderausgaben nur mit einem Pauschbetrag von 900 DM bzw. 1200 DM i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind hingegen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder seine Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf zu berücksichtigen.
Bei der Abgrenzung von Berufsausbildungs- zu Berufsfortbildungskosten läßt sich der BFH von der Erwägung leiten, daß es im allgemeinen Interesse liegt, das Streben nach Verbesserung der beruflichen Leistungen zu fördern und den Begriff der Fortbildungskosten nicht zu eng auszulegen (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 19. Januar 1990 VI R 119/86, BFHE 160, 150, BStBl II 1990, 572, und vom 27. April 1990 VI R 157/88, BFH/NV 1990, 704; Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 19 Anm. 12, Stichwort: ,,Ausbildungskosten" zu a; v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 276 jeweils m. w. N.). Der Senat hat insbesondere in der vorgenannten Entscheidung in BFHE 160, 150, BStBl II 1990, 572 ausgeführt, es sei wesentlich darauf abzustellen, ob der Steuerpflichtige nach erfolgreicher Beendigung seines Universitätsstudiums einen berufsqualifizierenden Abschluß erlangt habe. In dem dort entschiedenen Fall, der die Aufwendungen der in einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft angestellten Diplom-Kauffrau zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung betraf, bejahte der Senat das Vorliegen von als Werbungskosten abziehbaren Fortbildungskosten. Er sah es nicht als steuerschädlich an, daß die Klägerin Aufwendungen für den Besuch eines Steuerlehrgangs zwecks Ablegung der Steuerberaterprüfung gemacht hatte. Der Senat führte aus, eine solche ,,Unschädlichkeit" läge ,,auf der Hand", wenn solche Kurse ohne Examensabsicht lediglich zur (theoretischen) Erweiterung der steuerlichen Kenntnisse besucht würden. Nichts anderes könne gelten, wenn die Klägerin mit dem Besuch des Lehrgangs die Absicht verbunden habe, sich auf die Steuerberaterprüfung vorzubereiten. Denn ein derartiger Aufstieg stelle lediglich eine Fortbildung innerhalb der von der Klägerin (freilich in untergeordneter Stellung) ausgeübten Tätigkeit auf dem steuerberatenden Sektor dar. Schädlich sei lediglich ein Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart. Dieser sei nicht mit jedem beruflichen Aufstieg verbunden, sondern - wie es schon der allgemeine Sprachgebrauch nahelege - erst mit dem Übergang zu einem völlig anders gearteten Beruf (v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, a. a. O., § 9 Rdnr. B 262, m. w. N.; Schmidt / Drenseck, a. a. O., § 19 Anm. 12, Stichwort: ,,Ausbildungskosten" zu a). Ein Wechsel in eine andere Berufs- oder Erwerbsart könne nicht allein daraus hergeleitet werden, daß es der Klägerin nach Bestehen der Steuerberaterprüfung möglich sei, ihre bisher in untergeordneter Stellung nichtselbständig ausgeübte steuerberatende Tätigkeit nunmehr freiberuflich zu vollziehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. September 1965 VI 152/65, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1966, 74). Dem Begriff der Fortbildung stehe ebenfalls nicht entgegen, daß die Klägerin durch das erfolgreiche Ablegen der Steuerberaterprüfung ihre berufliche und wirtschaftliche Position verbessere (vgl. auch v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, a. a. O., § 9 Rdnr. B 286). Solche Verbesserungen bildeten regelmäßig das Motiv und die Folge einer Vielzahl von Fortbildungsmaßnahmen und änderten an deren Charakter nichts.
Entspr. diesen Grundsätzen sieht es der Senat im Streitfall als Berufsfortbildung an, wenn die als staatlich geprüfte Pianistin an einer Musikschule tätige Klägerin durch Bildungsmaßnahmen ihre pianistischen Fähigkeiten vertiefen und ihr Repertoire an Musikstücken erweitern will. Dies gilt um so mehr, als sie hiermit keine Ausbildung erstrebt, die mit einem Examen oder einer Prüfung abschließt. Ebensowenig steht es der Anerkennung von Berufsfortbildungskosten entgegen, daß die Klägerin sich die Möglichkeit eröffnen will, ggf. in einem Orchester mitzuspielen oder als Solo-Pianistin aufzutreten bzw. als Dozentin an einer Hochschule tätig zu werden. Sie bleibt insoweit in ihrem Beruf als staatlich geprüfte Pianistin und strebt keine andere Berufs- oder Erwerbsart an. Wie dargelegt, sind Maßnahmen der Berufsfortbildung nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin hiermit ihre berufliche und wirtschaftliche Position verbessern und ggf. selbständig tätig sein will.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit sie nähere Feststellungen zu den von der Klägerin geltend gemachten Bildungsfahrten trifft. Dabei hat das FG der Frage nachzugehen, ob die geltend gemachten Ausgaben sich von den Kosten der allgemeinen Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG leicht und einwandfrei trennen lassen. Hierzu bemerkt der Senat, daß Aufwendungen für ein gemeinsames Musizieren in Bekannten- oder Freundeskreisen in X und Z unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG fallen würden. Anders wäre es, wenn die Klägerin nachweislich dort Unterricht genommen hätte. Hierfür könnte die Zahlung von Unterrichtsvergütungen ein wertvolles Indiz sein.
Es bleibt der Klägerin unbenommen, Einwendungen wegen des Nichtabzugs anderer Werbungskosten im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1985 vor dem FG vorzubringen.
Fundstellen
Haufe-Index 417785 |
BFH/NV 1991, 674 |
BFH/NV 1991, 675 |