Entscheidungsstichwort (Thema)

USt-Befreiung der Verwaltung von Wertpapieren

 

Leitsatz (NV)

Die treuhänderische Verwaltung von Beteiligungen an Aktiengesellschaften in Entwicklungsländern ist nicht gem. § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 4 Nr. 8

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH. Unternehmensgegenstand ist die Förderung von Direktinvestitionen in Entwicklungsländern. Zur Erfüllung dieses Zweckes führt die Klägerin Unternehmer und Investoren aus den Ländern der Europäischen Gemeinschaften mit Unternehmern in den Entwicklungsländern zusammen. Außerdem erwirbt sie im eigenen Namen und für fremde Rechnung Beteiligungen bzw. beteiligungsähnliche Darlehensforderungen an Unternehmen in Entwicklungsländern. Schließlich übernimmt sie die fachliche Beratung bei der Planung und Durchführung von Projekten in Entwicklungsländern.

Im Rahmen dieser Aufgabenstellung schlossen die Bundesrepublik und die Klägerin 1968 einen entgeltlichen Treuhandvertrag, der die Klägerin verpflichtete, im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Bundesrepublik bestimmten und in Entwicklungsländern ansässigen Projektträgergesellschaften Mittel der Kapitalhilfe als Beteiligung am haftenden Kapital zur Verfügung zu stellen. In den Streitjahren erwarb die Klägerin neun Beteiligungen an afrikanischen Gesellschaften. Die Beteiligungen waren in allen Fällen durch Aktien verbrieft.

Für jede einzelne Beteiligung besteht ein zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik abgeschlossener Projektvertrag, der die Pflichten der Klägerin im Bezug auf die zu erwerbende Beteiligung festlegt. Die Beteiligung wurde regelmäßig erst erworben, nachdem die Klägerin den Projektantrag geprüft und die Anerkennung der Förderungswürdigkeit durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit eingeholt hatte. Häufig waren diese Prüfungen allerdings auch durch entsprechende politische Vorabentscheidungen präjudiziert. Die für den Erwerb notwendigen finanziellen Mittel stellte die Bundesrepublik der Klägerin zur Verfügung.

Die Klägerin erhielt für ihre Verwaltungstätigkeit von der Bundesrepublik Vergütungen, die nach einem bestimmten Prozentsatz der ausgezahlten Förderungsmittel berechnet waren. Die Klägerin behandelte die entsprechenden Leistungen als gemäß § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973 steuerfreie Umsätze. Zunächst folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dieser Behandlung. Ende 1974 begann bei der Klägerin eine Betriebsprüfung, als deren Ergebnis der Betriebsprüfer die Auffassung vertrat, die Klägerin habe sonstige Leistungen im Inland erbracht; Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG 1967 /1973 könne nicht gewährt werden; es sei jedoch der ermäßigte Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1967/1973) anzuwenden; außerdem sei ein Vorsteuerabzug in Höhe von 2 v. H. der Einnahmen (geschätzt) zu gewähren. Das FA folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ für 1968 bis 1972 entsprechende Berichtigungsbescheide, für 1973 einen entsprechend geänderten vorläufigen Umsatzsteuerbescheid und für 1974 und 1975 entsprechende erstmalige vorläufige Umsatzsteuerbescheide. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973 für gegeben. Die Beteiligungen seien in Aktien verbrieft und damit Wertpapiere i. S. des § 19 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG). Die Klägerin habe die Beteiligungen auch ,,verwaltet". Unter Verwaltung sei bis 1979 jede Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen im eigenen oder fremden Namen zu verstehen. Verwalten sei mehr als das bloße depotmäßige Verwahren, weil die Verwahrung von Wertpapieren als gesonderter Steuerbefreiungstatbestand angeführt sei. Das FG berechnete die Umsatzsteuer neu, ohne den Vorsteuerabzug im Hinblick auf § 15 Abs. 2 UStG 1967 /1973 zu berichtigen.

Das FA rügt mit der Revision unrichtige Anwendung des § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973. Die Einfügung des Klammerzusatzes ,,Depotgeschäft" in § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 habe klarstellende Bedeutung. Hilfsweise sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1967/1973 zu ermäßigen.

Die Klägerin hält insbesondere auch den Hilfsantrag für unbegründet, weil insoweit neues tatsächliches Vorbringen gegeben sei, das in der Revisionsinstanz gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht berücksichtigt werden dürfe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Die Klägerin tätigte Umsätze gegenüber der Bundesrepublik. Sie verwaltete für diese die Beteiligungen an den neun afrikanischen Gesellschaften. Die Beteiligungen standen der Klägerin nur im Außenverhältnis zu. Im Innenverhältnis hielt sie die Beteiligungen für die Bundesrepublik. Dieser gegenüber erbrachte sie Verwaltungsleistungen als sonstige Leistungen. Das Außenverhältnis - den afrikanischen Gesellschaften erscheint die Klägerin als Gesellschafter - bleibt ohne Einfluß. Die Regelung des § 3 Abs. 3 UStG 1967/1973 für die Lieferungskommission ist auf die Leistungskommission nicht übertragbar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 1983 V R 35/73, BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400). Das FG hat ferner zu Recht die Auffassung des FA unbeanstandet gelassen, daß die Klägerin ihre Verwaltungstätigkeit im wesentlichen im Inland ausübte (§ 3 Abs. 10 UStG 1967/1973). Zwar brachte die Verwaltungstätigkeit zwangsläufig auch Tätigkeiten im Ausland mit sich (z. B. Teilnahme an Hauptversammlungen). Davon abgesehen übte die Klägerin ihre Verwaltungstätigkeit jedoch in der Zentrale aus. Hiervon geht nunmehr auch die Klägerin aus. Auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren, die bis 1972 bestehende Verwaltungsstelle in Ostafrika sei in bedeutendem Umfang tätig geworden, ist die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zurückgekommen.

Entgegen der Auffassung des FG greift die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973 nicht ein. Nach dieser Vorschrift ist steuerfrei die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Beteiligungen, die nach den Aktienrechten der afrikanischen Staaten verbrieft sind, Wertpapiere im Sinne der Befreiungsvorschrift sind.

Wird dies mit dem FG unterstellt, ist jedenfalls eine Verwaltung von Wertpapieren zu verneinen. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1980 beschränkt die Steuerbefreiung auf die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Depotgeschäft. Der in das UStG 1980 eingefügte Klammerzusatz ,,Depotgeschäft" hatte nicht rechtsändernde, sondern klarstellende Bedeutung.

Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des V. Senats in dessen Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 36/76 (BFHE 134, 465, BStBl II 1982, 178) an, daß in § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973 die beiden Formen der bankmäßigen Verwahrung angesprochen sind (s. auch § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über das Kreditwesen); die Verwahrung im engeren Sinne bezieht sich auf die Sonderverwahrung des § 2 des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. Februar 1937 - DepG - (RGBl I 1937, 171), während die in § 5 DepG genannte Sammelverwahrung, die mit vielfältigen Verwaltungsbefugnissen verbunden ist, die Wertpapierverwaltung i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973 meint. Diesem Verständnis der Vorschrift entspricht, daß der frühere Befreiungskatalog des § 4 Nr. 8 UStG 1951 um gewisse Bankumsätze erweitert werden sollte, die teilweise bereits in § 33 UStDB 1951 befreit waren. Die Erwägung des FG, daß bei der Bezugnahme auf die §§ 2, 5 DepG das Anführen der Verwaltung von Wertpapieren in der Befreiungsvorschrift überflüssig wäre, verfängt demgegenüber nicht, wenn mit dem V. Senat angenommen wird, daß die mit einer umfangreichen Verwaltungstätigkeit verbundene Sammelverwahrung herausgehoben werden sollte. Auch die eingehende Auseinandersetzung der Klägerin mit dem Urteil in BFHE 134, 465, BStBl II 1982, 178 gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Der V. Senat hat sich zwar in dem Urteil mit Kapitalanlagegesellschaften befaßt, jedoch unter 3. seiner Gründe eingehende Ausführungen zur Auslegung der Begriffe ,,Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren" gemacht. Es kommt daher nicht darauf an, inwieweit die Klägerin mit einer Kapitalanlagegesellschaft vergleichbar ist, da sie jedenfalls keine bankmäßigen Depotgeschäfte tätigt. Der Klammerzusatz ,,Depotgeschäft" in § 4 Nr. 8 UStG 1980 mag, nachträglich betrachtet, unnötig gewesen sein. Aus der Sicht des Jahres 1980 (höchstrichterlich ungeklärte Rechtslage) war er indessen sinnvoll. Die Darlegung des V. Senats unter 3. c), daß ,,in erster Linie" die beiden Formen der bankmäßigen Verwahrung begünstigt werden sollten, läßt nach Auffassung des erkennenden Senats, im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt des Urteils gelesen, keinen Raum für die Steuerbefreiung einer nichtbankmäßigen Verwaltungstätigkeit.

Nicht eingegangen werden muß auf die Frage, ob es verfahrensrechtlich möglich wäre, den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1967/1973 teilweise zu versagen, wenn die Steuerbefreiung zu gewähren gewesen wäre. Es braucht weiterhin - schon im Hinblick auf das Verböserungsverbot - nicht darauf eingegangen zu werden, ob der Klägerin zu Recht der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG 1967/1973 gewährt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415357

BFH/NV 1988, 268

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