Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
überläßt eine Personengesellschaft einem Gesellschafter ein ihr rechtlich und wirtschaftlich gehöriges Einfamilienhaus für private Wohnzwecke, so liegt darin nicht ohne weiteres eine Entnahme des Einfamilienhauses des Gesellschafters, der das Haus bewohnt, oder aller Gesellschafter. Es ist möglich, daß einem Gesellschafter nur die Nutzung überlassen wird; in diesem Fall wird nur die Nutzung entnommen.
Wird die Nutzung entnommen, so ist sie mit dem ortsüblichen Mietzins zu bewerten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6/1/4, § 15 Nr. 2, § 21 Abs. 2, § 21/3; EStR Abschn. 14/9
Tatbestand
Die Bgin. ist eine OHG; Gesellschafter sind die Witwe und der Sohn des im Jahre 1948 verstorbenen Alleinunternehmers A. In den Jahren 1949 bis 1951 baute die Bgin. auf betrieblichem Grund ein Einfamilienhaus, das seit Juni 1951 von dem Sohn bewohnt wird. Sie aktivierte die Baukosten von 93.718 DM; die laufenden Aufwendungen (Absetzung für Abnutzung, Hypothekenzinsen und Hypothekenabgeld) buchte sie als Betriebsausgaben. Zu Lasten des Privatkontos des Sohnes wird seit 1951 eine Miete von 1.000 DM jährlich verrechnet.
Das Finanzamt sah das Einfamilienhaus mit dem dazu gehörigen Grund und Boden als notwendiges Privatvermögen des Sohnes an. Die Bgin. wandte ein, das Gebäude sei auf ihrem Grund und mit ihren Mitteln errichtet worden und müsse darum in ihrer Bilanz als Betriebsvermögen ausgewiesen werden; das Grundstück sei auch von dem übrigen Grundbesitz nicht zu trennen, weil es zwischen dem Bürogebäude und der Werkmeisterwohnung liege; bei einer Veräußerung des Betriebs müßte das Wohnhaus als Direktorwohnung mitverkauft werden; der Sohn sei der technische Leiter des Betriebs, weswegen seine Anwesenheit in Betriebsnähe notwendig sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht lehnte in seiner Entscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte 1960 S. 411 veröffentlicht ist, die Auffassung des Finanzamts ab, daß das Haus zum notwendigen Privatvermögen des Sohnes gehöre; das Finanzgericht meint, der Sohn habe nur die Nutzung des der Bgin. gehörenden Hauses entnommen. Allerdings habe der Reichsfinanzhof ein Grundstück, das einer Personengesellschaft gehört habe und ausschließlich von einem ihrer Gesellschafter zu Wohnzwecken genutzt worden sei, dem Privatvermögen zugerechnet (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 782/31 vom 23. November 1932, RStBl 1933 S. 222; VI A 921/35 vom 5. Februar 1936, RStBl 1936 S. 726; VI 293/41 vom 10. September 1941, RStBl 1941 S. 814). Dieser Auffassung sei aber nicht beizutreten. Die Gleichsetzung von Einzelkaufmann und Personengesellschaft, die der Reichsfinanzhof vorgenommen habe, beruhe auf der Bilanzbündeltheorie. Schon im Urteil des Bundesfinanzhofs I 159/57 U vom 14. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 75, Slg. Bd. 66 S. 193) sei aber eine starre Anwendung dieser Theorie abgelehnt worden. Durch bloße überlassung der Nutzung eines Gegenstands an einen Gesellschafter könne der Gegenstand nicht aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausscheiden (Zitzlaff, Steuer und Wirtschaft 1952 Spalte 315, Deutsche Steuer-Zeitung 1954 A S. 289; Römer, "Der Betrieb" 1958 S. 1082; Hartmann-Böttcher, Einkommensteuerrecht, Anm. 20 e zu §§ 4, 5 EStG; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 6. Aufl., Tz. 620 ff. zu §§ 4, 5 EStG). Was der Gesellschafter entnehme, ob die Substanz oder die Nutzung, müsse im Einzelfalle festgestellt werden. Wenn, wie im Streitfall, das Grundstück nach dem Willen der Gesellschafter weiterhin zum Gesellschaftsvermögen gehören solle, so sei nur die Nutzung entnommen. Dem Sohn sei nicht über die Nutzung hinaus die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers an dem Haus eingeräumt worden. Die nahe Verwandtschaft zwischen den beiden Gesellschaftern zwinge nicht zu einer anderen Beurteilung.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung; er hält das Haus für notwendiges Privatvermögen des Sohnes. Er führt aus, das Finanzgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und von Abschn. 17 Abs. 7 EStR 1948/1949 (= Abschn. 14 Abs. 7 Satz 5 EStR 1958) abgewichen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts konnte keinen Erfolg haben.
Mit Recht macht das Finanzamt geltend, daß die vom Finanzgericht angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs sowie die ständige Verwaltungsübung, wie sie in den EStR zum Ausdruck kommt, für seine Rechtsauffassung sprechen. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat aber den streitigen Fragenkreis nicht vollständig durchleuchtet; sie hat zum Beispiel nicht geklärt, wer in Fällen der vorliegenden Art das Haus entnommen haben soll (der benutzende Gesellschafter oder alle Gesellschafter?) und was entnommen sein soll (Grund und Boden samt den Herstellungskosten oder das fertige Einfamilienhaus?). Die Streitfrage muß darum grundsätzlich geprüft werden.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß der Grund und Boden sowie das aufstehende Gebäude rechtlich und wirtschaftlich im Eigentum der Bgin. und nicht des Sohnes standen und zum Betriebsvermögen der Bgin. gehörten; ferner, daß das Haus im Rahmen des Betriebs der Bgin. gebaut wurde.
Die Konstruktion des Finanzamts, daß der Sohn den Grund und Boden sowie die Baukosten laufend dem Betrieb entnommen und das Haus für sich gebaut habe, ist an sich rechtlich möglich; sie ist aber im Streitfall mit den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts nicht vereinbar.
Rechtlich denkbar wäre auch, daß der Sohn, als er das Haus in Benutzung nahm, dieses aus dem Betriebsvermögen der Bgin. entnahm. Aber auch diese Konstruktion scheitert an den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts. Eine Entnahme im Sinne des § 6 Ziff. 4 EStG 1951 setzt voraus, daß Wirtschaftsgüter endgültig aus dem Betrieb entfernt und betriebsfremden Zwecken zugeführt, insbesondere in das Privatvermögen des Unternehmers überführt werden. Ob eine Entnahme vorliegt, kann man bei einem Einzelunternehmer meist aus seinem Verhalten entnehmen; der Einzelunternehmer entscheidet allein und unabhängig, ob und wie lange er einen Gegenstand seinem Betrieb widmen will. Baut ein Einzelunternehmer mit Betriebsmitteln ein Einfamilienhaus, um es selbst zu beziehen, so macht er gewöhnlich eine Entnahme, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob dabei das fertige Haus oder die laufenden Bauaufwendungen entnommen werden. In der Regel liegt auch eine Entnahme vor, wenn ein Einzelunternehmer ein bisher zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Einfamilienhaus, zum Beispiel ein dem angestellten Direktor betrieblich zur Verfügung gestelltes Einfamilienhaus, selbst für die Dauer bezieht; denn in solchen Fällen bringt er zum Ausdruck, daß er nunmehr das Haus nicht mehr dem Betrieb widmen, sondern für sein privates Wohnbedürfnis nutzen will. Ob aber der Gesellschafter einer Personengesellschaft einen Gegenstand in sein Privatvermögen überführt, kann er - im Gegensatz zum Einzelunternehmer - nicht allein entscheiden; denn das Vermögen einer Personengesellschaft ist gesamthänderisch gebundenes Vermögen aller Gesellschafter; das Recht jedes Gesellschafters am Betriebsvermögen ist mit dem Recht seiner Mitgesellschafter belastet; jeder Gesellschafter kann darum nur mit Zustimmung seiner Mitgesellschafter einen der Personengesellschaft gehörenden Gegenstand in sein Privatvermögen nehmen. Bezieht der Gesellschafter einer Personengesellschaft mit seiner Familie ein der Gesellschaft gehörendes Haus, so ist es an sich möglich, daß bei dieser Gelegenheit ihm die Mitgesellschafter das Eigentum an dem Haus in Anrechnung auf sein Kapitalkonto überlassen. Aber die Gesellschafter brauchen nicht so vorzugehen; sie können auch das Grundstück in Gesamthandseigentum belassen und dem Mitgesellschafter nur die Nutzung gestatten. Durch eine solche überlassung zur Nutzung wird das Grundstück rechtlich und wirtschaftlich nicht aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft gelöst; die Beziehungen der Mitgesellschafter untereinander verbinden auch für die Zukunft das Grundstück mit dem Betriebsvermögen der Gesellschaft. Wählen die Gesellschafter diese bürgerlich-rechtlich einwandfreie Rechtsform, so entnimmt der Gesellschafter, der das Haus bewohnt, mit Zustimmung seiner Mitgesellschafter nur die laufende Nutzung; in der Nutzung liegt dann die Entnahme im Sinne des § 6 Ziff. 4 EStG 1951.
Die abweichende Auffassung des Finanzamts läßt die Rechtslage nach dem bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht sowie die von den Gesellschaftern ernsthaft gewollte bürgerlich-rechtliche Gestaltung außer Betracht. Wie aber der Senat stets betont, muß das Steuerrecht an Rechtsformen, die die Steuerpflichtigen bürgerlich-rechtlich ernsthaft und wirksam gestalten, anknüpfen, solange nicht Sondervorschriften oder schwerwiegende steuerrechtliche Erwägungen eine Abweichung gebieten. Diese Wertung ergibt sich aus den Grundsätzen der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.
Das Finanzamt beruft sich vor allem darauf, daß seine Auffassung eine logische Folge der vom Reichsfinanzhof entwickelten, vom Bundesfinanzhof fortgeführten und vom Gesetzgeber in § 15 Ziff. 2 EStG zugrunde gelegten Bilanzbündeltheorie sei. Wie der Senat aber in der vom Finanzgericht angezogenen Entscheidung I 159/57 U (a. a. O.) schon dargelegt hat, darf die grundsätzlich richtige Rechtsfigur der Bilanzbündeltheorie nicht durch starre Anwendung und konstruktive überspitzungen zu Ergebnissen führen, die, ohne daß steuerrechtliche Besonderheiten es gebieten, dem bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht widersprechen. Würde man, wie das Finanzamt will, bei dem Sohn den vollen Entnahmegewinn ansetzen, so könnte dieser mit Recht einwenden, daß ihm dieser Gewinn nicht allein zustehe, sondern daß daran auch seine Mitgesellschafter beteiligt werden müßten. Wollte man aber, wie es zum Beispiel Baltzer (Deutsche Steuer-Zeitung 1954 A S. 187) vorschlägt, die Gesamtheit der Gesellschafter als Entnehmende behandeln und ihnen den Entnahmegewinn anteilig zurechnen, so würden die Mitgesellschafter mit gutem Grund einwenden, daß sie keine Entnahme gemacht hätten und die aus betrieblichen Erwägungen vorgenommene überlassung der Nutzung an den Mitgesellschafter das Grundstück nicht aus dem Betriebsvermögen habe lösen sollen.
Mit Recht hat schließlich das Finanzgericht auch noch darauf hingewiesen, daß die vom Finanzamt vertretene Auffassung zu einer rechtlich nicht gebotenen verschiedenen Behandlung des Einfamilienhauses im Einkommensteuer- und im Bewertungsrecht führen müßte; denn nach § 56 Ziff. 7 des Bewertungsgesetzes (BewG) bilden alle Wirtschaftsgüter, die einer Personengesellschaft gehören, deren gewerblichen Betrieb und gehören zu deren Betriebsvermögen, also auch ein Haus, das der Personengesellschaft gehört, aber von einem Gesellschafter bewohnt wird. Da das Einkommensteuerrecht in diesem Punkt, wie dargelegt, nicht zwingend eine andere Beurteilung erfordert, liegt es nahe, die im § 56 Ziff. 7 BewG festgelegte und mit dem bürgerlichen Recht übereinstimmende Wertung des Gesetzgebers auch für das Einkommensteuerrecht zu übernehmen.
Es können allerdings, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht alle Fälle der überlassung von Einfamilienhäusern an einzelne Gesellschafter gleichbehandelt werden. Es kommt in erster Linie auf die von den Beteiligten gewählte Rechtsform an; wesentlich ist vor allem, ob die Personengesellschaft bei der überlassung des Grundstücks an den Gesellschafter rechtlich und wirtschaftlich das Eigentum behält. Es sind Grenzfälle denkbar. So muß bei einer mißbräuchlichen Gestaltung ausschlaggebend sein, was wirtschaftlich gewollt ist. So kann zum Beispiel ein Gesellschafter, der ganz überragenden Einfluß in der Gesellschaft hat - wie es insbesondere bei Gesellschaften zwischen Ehegatten oder Eltern und Kindern vorkommt - wirtschaftlich als Eigentümer des Hauses angesehen werden, auch wenn das Haus formal im Eigentum der Gesellschaft steht; ebenso kann zum Beispiel unter Umständen eine Entnahme anzunehmen sein, wenn alle Gesellschafter im Rahmen des Betriebs der Gesellschaft für sich persönlich Wohnhäuser bauen, ohne daß dafür vernünftige betriebliche Gründe sprechen.
Ein solcher Grenzfall liegt aber hier nicht vor. Die Tatsache allein, daß es sich um eine Familiengesellschaft zwischen Mutter und Sohn handelt, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal die Gewinnbeteiligung der Mutter höher ist als die des Sohnes. Die Frage, wie hinsichtlich des Hauses zu verfahren ist, wenn später der Sohn seine Mutter beerbt und dann den Betrieb als Einzelunternehmer fortführt, braucht jetzt noch nicht entschieden zu werden.
Das Finanzgericht konnte demnach auf Grund seiner tatsächlichen Feststellungen ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis kommen, daß das Einfamilienhaus im Betriebsvermögen der Bgin. blieb und der Sohn als Gesellschafter nur die laufende Nutzung entnahm.
Das Finanzgericht hat den Wert dieser Entnahme mit dem ortsüblichen Mietzins für ein gleichartiges Einfamilienhaus angenommen; die laufenden Aufwendungen für das Grundstück (einschließlich Absetzung für Abnutzung) hat es als Betriebsausgaben der Bgin. zugelassen; die Entnahme hat es allein dem Gewinnanteil des Sohnes zugerechnet. Diese Behandlung, gegen die die Bgin. keine Einwendungen erhebt, ist rechtlich einwandfrei. Entnimmt der Gesellschafter die Nutzung eines betrieblichen Gegenstandes, indem er zum Beispiel einen betrieblichen Kraftwagen für Privatfahrten entnimmt, so besteht der Entnahmewert im Sinne des § 6 Ziff. 4 EStG 1951 in den anteiligen Selbstkosten (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 536/52 U vom 9. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 337, Slg. Bd. 58 S. 120). übernimmt aber der Gesellschafter die Nutzung an einem Betriebsgrundstück, so muß im Hinblick auf § 21 Abs. 2 EStG der Fall so behandelt werden, als ob die Gesellschaft das Haus einem Fremden zu einem angemessenen Mietzins überlassen hätte. Gemäß § 21 Abs. 2 EStG hat der Gesellschafter, wenn ihm eine Wohnung unentgeltlich oder zu einem unter dem ortsüblichen Preis liegenden Mietzins überlassen wird, bei sich den angemessenen Mietzins als Einkunft anzusetzen. Diese Einkunft gehört, weil sie mit dem zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück zusammenhängt und dem Gesellschafter in dieser seiner Eigenschaft zufließt, zu den Einkünften des Gesellschafters aus Gewerbebetrieb (ß 15 Ziff. 2, § 21 Abs. 3 EStG) und ist, weil sie diesem Gesellschafter allein zugute kommt, nur seinem Gewinnanteil zuzurechnen.
Fundstellen
BStBl III 1961, 183 |
BFHE 1961, 500 |
BFHE 72, 500 |
StRK, EStG:6/1/4 R 20 |