Leitsatz (amtlich)

1. Zubereitungen auf der Grundlage von anorganischen Farbmitteln, die zum Färben von Latices verwendet werden, fallen unter die Tarifst. 32.07 B.

2. Zum Begriff „Färben von Kunststoffen, Kautschuk und ähnlichen Stoffen in der Masse” (Vorschrift 3 zu 32 ZT).

 

Normenkette

GZT Vorschrift 3 zu Kap. 32, Tarifnrn. 28.23; GZT Vorschrift 3 zu Kap. 32, Tarifnrn. 32.05; GZT Vorschrift 3 zu Kap. 32, Tarifnrn. 32.07; GZT ATV 3 a; GZT ATV 5

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte im August 1969 die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für eine von ihr als „Artilenoxydgelb TGL Teig” bezeichnete Ware, über deren Beschaffenheit und stoffliche Zusammensetzung sie folgende Angaben machte: Wäßrige Dispersion; Zusammensetzung: ca. 53 % Eisenoxydpigment, ca. 9 % Dispergiermittel, ca. 4 % grenzflächenaktive Stoffe, ca. 1 % Verdicker, ca. 1 % Karion. Zum Verwendungszweck gab sie an: Pseudowasserlösliche Teigform zum Einfärben der als Grundlagen für Anstrichfarben verwendeten Latices. In seiner vZTA vom 26. August 1969 wies die Beklagte (die Oberfinanzdirektion – OFD –) die Ware der Tarifst. 32.07 A VI b des Zolltarifs – ZT – („andere Farbkörper” – andere als in den Absätzen A I bis A VI a der Tarifnr. 32.07 genannte –) zu.

Mit einer weiteren vZTA vom 18. Oktober 1974 ordnete die OFD die in der Zusammensetzung unveränderte Ware unter Aufhebung der vorgenannten vZTA der Tarifst. 32.07 B ZT zu. In der Warenbeschreibung führte sie aus, daß die teigförmige Ware in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin aus einer wäßrigen Dispersion von Eisenoxydpigmenten und grenzflächenaktiven Stollen neben einer geringen Menge Stabilisatoren bestehe. Die Zuweisung zur Tarifst. 32.07 B begründete sie wie folgt: Die Ware kennzeichne sich nicht als wäßrige Lösung im Sinne der Vorschrift 1 b zu Kap. 28 ZT, da nach den Erläuterungen zu dieser Vorschrift darunter nur die echten Lösungen zu verstehen seien. Sie stelle sich jedoch als Pigment in einer wäßrigen Dispersion dar. Die Dispersion von Eisenoxydpigmenten gehöre zur Tarifnr. 32.07 (vgl. Erläuterungen zum ZT zu 32.07, Teil IV, Rdnr. 1, 2 und 5), und zwar als Zubereitungen im Sinne der Vorschritt 3 zu Kap. 32 unter Abs. B. Zu den Zubereitungen im Sinne dieser Vorschrift gehörten solche auf der Grundlage von anderen Farbmitteln (anorganischen und mineralischen Farbmitteln), die. u. a. zum Färben von Kunststoffen, Kautschuk u. ä. Stoffen in der Masse verwendet würden. Das Färben der als Grundlage für Anstrichfarben weitverbreiteten synthetischen Latices stelle einen Bearbeitungsvorgang dar, der als Färben von „ähnlichen Stoffen der Masse” im Sinne der Vorschrift 3 zu Kap. 32 anzusehen sei.

In der Begründung ihres dagegen eingelegten Einspruchs setzt sich die Klägerin nicht mit den die geänderte Tarifierung betreffenden Rechtsfragen auseinander, sondern machte geltend, daß die geänderte Tarifinterpretation gegen Art. 3 und 5 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22. Juli 1972 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschatten – ABlEG – Nr. L 300/189 vom 31. Dezember 1972) verstoße, weil sie zu einer höheren Zollbelastung führe.

Die OFD wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, die die Klägerin wie folgt begründet: Bei den als Zubereitungen der Tarifst. 32.05 B bzw. 32.07 B zugewiesenen Farbstollen handele es sich um solche, die zum Färben von Kunststollen, Kautschuk u. ä. Stollen in der Masse oder zum Herstellen von Zubereitungen für den Textildruck verwendet würden. Unter dem Ausdruck „Latex” habe man ursprünglich den Milchsaft kautschukliefernder Pflanzen verstanden, ab etwa 1950 habe man darunter pseudowasserlösliche Kunststoffdispersionen als Filmbildner bei Anstrichmitteln subsumiert. Für die Tarifierung komme es, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 29. Oktober 1974 VII K 4/74 (BFHE 114, 133) entschieden habe, auf den Hauptverwendungszweck, also die überwiegende Verwendung an. Wenn es in den Erläuterungen II zu Tarifst. 32.05 B (den Erläuterungen zum Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften – ErlGZT –) heiße, daß diese Erzeugnisse „hauptsächlich zum Färben und zum Herstellen von Zubereitungen für den Textildruck verwendet” würden, gingen diese Erläuterungen über den Wortlaut des Gesetzes (gemeint ist die Vorschrift 3 zu Kap. 32) hinaus. Sie verallgemeinerten den eng begrenzten Gesetzestext und könnten deshalb nicht zur Auslegung herangezogen werden. Der Begriff „Dispersionsfarbstoffe” sei im Zolltarif nicht eindeutig geklärt. Sie könnten sowohl unter die Tarifst. 32.05 A bzw. 32.07 Ä wie auch unter die Tarifst. 32.05 B bzw. 32.07 B fallen. Das Kriterium sei, ob sie einerseits überwiegend zum Färben in der Masse oder zum Herstellen von Zubereitungen für den Textildruck verwendet würden und „ob andererseits ihre Zusammensetzung … in großen (im allgemeinen gewichtsmäßig überwiegenden) Mengen grenzflächenaktiver Stolle oder anderer Färbemittel der Hilfsstoffe” (vgl. die Erläuterungen II zur Tarifst. 32.05 B) bestehe. Nur unter diesen eng begrenzten Voraussetzungen sei die Zuweisung der streitigen Ware unter die Tarifst. 32.07 B gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Einspruchsentscheidung der OFD sowie die vZTA aufzuheben und die OFD zu verpflichten, die streitige Ware der Tarifst. 32.07 A zuzuweisen.

Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Erläuterungen II Rdnr. 3 zu Tarifnr. 32.05 („hauptsächlich zum Färben”) könnten auch bei der Tarifst. 32.07 B nicht außer acht gelassen werden, und sie weiteten die Vorschrift 3 zu Kap. 32 nicht in unzulässiger Weise aus. Letztere Vorschrift sei weit auszulegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die OFD hat die als „Artilenoxydgelb TGL Teig” bezeichnete Ware zu Recht der Tarifst. 32.07 B (andere Farbmittel; Zubereitungen im Sinne der Vorschrift 3 zu Kap. 32) zugewiesen.

Für die Entscheidung der Frage, welcher Tarifnummer bzw. Tarifstelle die streitige Ware zuzuordnen ist, sind der Wortlaut der Tarifnummern, die Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie die Allgemeinen Tarifierungsvorschriften (ATV), letztere jedoch nur subsidiär, maßgebend (vgl. ATV 1). Es ist unstreitig, daß die zu tarifierende wäßrige Dispersion ca. 53 % Eisenoxydpigment als Farbmittel enthält. Eisenoxydpigmente sind anorganische Farbmittel. Waren auf dieser Grundlage können daher nicht, wie die Klägerin es für möglich hält, der Tarifnr. 32.05 zugewiesen werden. In dieser Tarifnummer sind nur organische Farbstoffe erfaßt. Da auch eine Zuordnung zur Tarifnr. 28.23 (Eisenoxyd) nicht in Betracht kommt, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, kann die streitige Waren nur unter die Tarifnr. 32.07 (andere Farbmittel; anorganische Erzeugnisse, die als Luminophore verwendet werden) fallen. Dabei scheidet eine Zuordnung zu den anorganischen Erzeugnissen, die als Luminophore (das sind Leuchtstoffe) verwendet werden, von Anfang an aus.

Die Tarifnr. 32.07 stellt, soweit sie „andere Farbmittel” erfaßt, nach dem Aufbau des Kap. 32 eine Auffangposition für solche Farbstoffe dar, die nicht in den Tarifnr. 32.04 bis 32.06 erfaßt sind. Dabei unterscheidet der Zolltarif wiederum zwischen anderen Farbmitteln (Tarifstelle A) und Zubereitungen im Sinne der Vorschrift 3 zu Kap. 32 (Tarifstelle B). Nach letzterer Vorschrift gehören zu der Tarifnr. 32.07 auch Zubereitungen auf der Grundlage von anderen Farbmitteln, die zum Färben von Kunststoffen, Kautschuk und ähnlichen Stoffen in der Masse oder zum Herstellen von Zubereitungen für den Textildruck verwendet werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob Zubereitungen auch unter die Tarifst. 32.07 A fallen können. Eine solche Tarifierung scheidet im Streitfalle jedenfalls aus, weil die streitige Zubereitung, wie noch näher auszuführen sein wird, der Tarifst. 32.07 B (Zubereitungen im Sinne der Vorschrift 3 zu Kap. 32) zuzuweisen ist. Diese Tarifstelle stellt nicht nur, wie die von der Klägerin für maßgeblich gehaltene Tarifst. 32.07 A VI b, darauf ab, daß ein anderes Farbmittel (auch im Sinne einer Zubereitung) vorliegt, sondern ist mit einem bestimmten Verwendungszweck verbunden. Nach der ATV 3 a in Verbindung mit der ATV 5 geht aber die Tarifnummer bzw. Tarifstelle mit der genaueren Warenbezeichnung der Tarifnummer bzw. Tarifstelle mit allgemeiner Warenbezeichnung vor.

Die zu tarifierende wäßrige Dispersion „Artilenoxydgelb TLG Teig” stellt nach der von der Klägerin angegebenen Zusammensetzung ein anderes Farbmittel dar, das zum Färben von Kunststoffen, Kautschuk u. ä. Stoffen in der Masse verwendet wird. Der Anteil an Eisenoxydpigment, der nach der Warenbeschreibung der Klägerin allein als Farbmittel in Betracht kommt, ist eine geeignete Grundlage für eine Zubereitung im Sinne der Vorschrift 3 zu Kap. 32. Durch den Zusatz der anderen erwähnten Bestandteile einschließlich des Wassers hat die gewonnene wäßrige Dispersion den tariflichen Charakter einer Zubereitung erhalten. Diese Zubereitung ist nach dem eigenen Vortrag der Klägerin zum Einfärben der als Grundlagen für Anstrichfarben verwendeten Latices bestimmt. Sie erfüllt damit den in der Vorschrift 3 zu Kap. 32 vorgesehenen, für die Tarifierung entscheidenden Verwendungszweck. Der von der Klägerin in der Warenbeschreibung angeführte Begriff „Latices” stellt die Pluralform des lateinischen Wortes „Latex” dar. Dieser Begriff ist in Kap. 40 sowohl unter Tarifnr. 40.01 (Latex von Naturkautschuk, auch mit Zusalz von Latex von synthetischem Kautschuk; vorvulkanisierter Latex von Naturkautschuk …) als auch in Tarifnr. 40.02 (Latex von synthetischem Kautschuk, vorvulkanisierter Latex von synthetischem Kautschuk …) erwähnt. Latex ist, wie auch die Klägerin einräumt, eine von Kautschukpflanzen abgeschiedene wäßrige Lösung, die einen bestimmten Anteil Kautschuk enthält (nach Winnacker-Küchler, Chemische Technologie, Bd. 5, Organische Technologie III S. 146: 20 bis 45 % Kautschuktrockensubstanz). Für die Tarifierung kommt es nicht darauf an, daß, wie die Klägerin vorgetragen hat, ab 1950 unter den Begriff Latex pseudowasserlösliche Kunststoffdispersionen als Filmbildner bei Anstrichmitteln subsumiert werden. Denn neben dem Kautschuk fallen auch Kunststoffe unter die in der Vorschrift 3 in Kap. 32 angeführten Gegenstände des tariflich entscheidenden Färbevorgangs. Da in derselben Vorschrift als Gegenstand des Färbens durch die Zubereitungen neben den Kunststoffen und dem Kautschuk auch ähnliche Stoffe wie diese erwähnt sind, hat der Senat keinen Zweifel, daß der vorgesehene Verwendungszweck nicht nur dann erfüllt ist, wenn er sich auf Kunststoffe und Kautschuk bezieht, sondern auch auf Latices auf der Grundlage dieser Gegenstände. Der tatbestandliche Begriff „ähnliche Stoffe” kann zwar nicht auf jeden anderen denkbaren Stoff bezogen werden, der mit Hilfe der hier streitigen Zubereitungen gefärbt werden kann. Er trifft jedenfalls auf solche Stoffe zu, die in Form von Latex Anteile von Kautschuk oder Kunststoffen enthalten.

Der von der Klägerin vertretenen Auffassung, daß es sich bei den Kunststoffen, dem Kautschuk und den ähnlichen Stoffen, die in der Masse gefärbt werden, um harte bzw. feste Massen handeln müsse, vermag der Senat nicht zu folgen. Für eine solche Auslegung bietet, der Wortlaut der Vorschrift 3 zu Kap. 32 keine Handhabe. Das Gesetz spricht nicht vom Färben fester oder harter Kautschuk- bzw. Kunststoffmassen oder fester Massen aus ähnlichen Stoffen. Auf die Konsistenz der zu färbenden Massen ist nicht abgestellt. Der tarifliche Begriff des Färbens in der Masse bedeutet bei einer vom Wortlaut ausgehenden Auslegung nichts anderes, als daß die den Kunststoffen oder dem Kautschuk ähnlichen Stoffe nicht nur äußerlich, sondern in ihrer gesamten Masse gefärbt werden. In dieser Auffassung sieht sich der Senat durch die Ausführungen von Schulz (Die Kunststoffe, Eine Einführung in ihre Chemie und Technologie, 2. Aufl. S. 303) bestätigt. Danach werden die Kunststoffe in überwiegenden Maße in der „Masse gefärbt” angewendet, sei es, daß sie vom Rohstoffhersteller als gefärbte Chips oder Granulate bereits geliefert werden, sei es, daß die Anfärbung auch vom Verarbeiter durch Zusatz von Farbstoffen erfolgt. Nach Schulz kann nur ein geringer Teil der Kunststoffe nachträglich als Fertigartikel (also nicht in der Masse) gefärbt werden.

Da die Klägerin den Begriff des Färbens in der Masse fälschlicherweise nur auf feste Massen bezogen hat, liegen ihre Ausführungen darüber, daß solche feste Massen nur bei sehr hohen Temperaturen und unter bestimmten technischen Bedingungen durch Einkneten bzw. Einarbeiten von hitzebeständigen, superfeinkörnigen Pigmenten gefärbt werden, neben der Sache. Die Tarifierung fester Massen im Sinne der Ausführungen der Klägerin durch wasserunlösliche, feinkörnige Farbpigmente steht im Streitfalle nicht zur Debatte. Es geht im Streitfalle auch nicht um die Tarifierung von Zubereitungen auf der Grundlage von Eisenoxyd, mit denen Anstrichmittel, die etwa 10 % Latex als Filmbildner enthalten könnten, gefärbt werden. Auf dieses Beispiel hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 18. Oktober 1977 verwiesen (Muster 7). Gegenstand des Einfärbens sind vielmehr nach dem von der Klägerin angegebenen Verwendungszweck nur die als Grundlagen für Anstrichfarben verwendeten Latices. Bei diesen handelt es sich aber, wie bereits ausgeführt, um ähnliche Stoffe wie Kautschuk oder Kunststoffe.

Die im Vorstehenden dargelegte Auffassung über die Tarifierung der streitigen Zubereitung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Tarifnr. 32.07 in Verbindung mit der Vorschrift 3 zu Kap. 32. Auf die Erläuterungen II zur Tarifst. 32.05 B und den sich auf sie beziehenden Vortrag der Beteiligten kommt es daher nicht an.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI514662

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