Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Scheidung sind keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (amtlich)
Kosten für die Aufhebung und Auseinandersetzung einer früher vereinbarten Gütergemeinschaft sind unabhängig davon, ob sie auf Antrag der Eheleute im Scheidungsverbund durch das Familiengericht oder außergerichtlich vor oder nach der Scheidung getroffen worden sind, für die Eheleute nicht unabwendbar und unvermeidbar und damit nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB § 1363 Abs. 1, § 1408 Abs. 1, §§ 1587, 1587b, 1587o; EStG § 33; ZPO §§ 93a, 606, 621, 623
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) vereinbarte mit seiner Ehefrau im Jahre 1975 durch notariellen Vertrag den ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft i.S. der §§ 1415 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Im Streitjahr 1995 trennten sich die Eheleute. Am 31. März 1995 schlossen sie einen notariellen Ehe- und Auseinandersetzungsvertrag, in dem die Gütergemeinschaft aufgehoben und auseinander gesetzt und Gütertrennung vereinbart wurde. Für die Beratung und Beurkundung des Vertrages, der mit einem Geschäftswert von 2,2 Mio. DM angegeben war, zahlten die Eheleute insgesamt 42 448 DM (8 476 DM für die Beurkundung, 33 972 DM für die Beratung).
Am 3. September 1996 wurde die Ehe im gegenseitigen Einvernehmen der Eheleute geschieden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1995 die in der gemeinsamen Steuererklärung geltend gemachten Kosten für die Vermögensauseinandersetzung nicht als außergewöhnliche Belastung. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1098 veröffentlichtem Urteil statt. Es führte im Wesentlichen aus: Kosten für Scheidungsfolgesachen (§ 623 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) entstünden i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zwangsläufig durch die Scheidung, auch wenn sie nur auf Antrag eines Beteiligten in den Scheidungsverbund fielen. Daher müssten Aufwendungen, die bereits vorab zur einvernehmlichen Regelung einer insoweit sonst notwendigen Entscheidung des Familiengerichts angefallen seien, ebenfalls zu den zwangsläufigen Aufwendungen für die Scheidung zählen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Kosten für Scheidungsfolgesachen seien nicht unabhängig davon als zwangsläufig anzuerkennen, ob dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt sei, die jeweilige Folgesache in den Verbund einzubeziehen. Entgegen der Auffassung des FG sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dahin zu verstehen, dass zum einen ein konkreter Zusammenhang in Form eines notwendigen Verbundes zwischen dem Scheidungsprozess und den Scheidungsfolgesachen bestehen müsse und zum anderen für den Steuerpflichtigen kein Wahlrecht bestehe. Dass eine der beiden Parteien einen entsprechenden Antrag stellen könne, reiche nicht aus.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es vertritt die Auffassung, Scheidungsfolgekosten seien nur insoweit zwangsläufig, als sie sich aus dem Zwangsverbund nach §§ 606, 623 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 ZPO ergäben. Das Stichwort "Scheidung" in H 186-189 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs (EStH) werde angepasst.
Das BMF stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Entgegen der Auffassung des FG sind die Kosten einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung anlässlich einer Ehescheidung nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Das gilt unabhängig davon, ob die Regelung vor oder nach der Scheidung oder auf Antrag eines Ehegatten im sog. Scheidungsverbund durch das Familiengericht getroffen worden ist.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867, unter II.1., m.w.N.).
3. Mit einer Ehescheidung zusammenhängende Kosten hat der BFH nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechtes ―EheRG― (BGBl I 1976, 1421) am 1. Juli 1977 nur als zwangsläufig beurteilt, soweit sie unmittelbar und unvermeidbar durch die prozessuale Durchführung des Eheverfahrens entstanden waren (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, m.w.N.). Deshalb hat er Aufwendungen für die außergerichtliche vermögensrechtliche Auseinandersetzung als Folge der Ehescheidung nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt (BFH-Urteil vom 10. Februar 1977 IV R 87/74, BFHE 121, 440, BStBl II 1977, 462).
Auch nach In-Kraft-Treten des EheRG hat der Senat mit der Scheidung zusammenhängende Kosten jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wenn sie nicht nach § 623 Abs. 1 ZPO zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden sind und deshalb mit der Scheidung nicht in einem unlösbaren prozessualen Zusammenhang stehen (Senatsentscheidungen vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 ―Schiedsvergleich vor der Scheidung―; vom 9. Mai 1996 III B 180/95, BFH/NV 1996, 882 ―Kosten eines Zivilprozesses, der nach der Scheidung um vermögensrechtliche Ansprüche nach Gütertrennung geführt wurde―; vom 22. März 2002 III B 158/01, BFH/NV 2002, 1025 ―Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Teilungsversteigerung des Familienheims nach der Scheidung―; vom 21. März 2003 III B 110/02, BFH/NV 2003, 937 ―Kosten der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung―).
4. Entgegen der Auffassung des FG sind die Entscheidungen des Senats zur Rechtslage nach In-Kraft-Treten des EheRG nicht in der Weise zu verstehen, dass Aufwendungen für die Regelung von Scheidungsfolgesachen, die auf Antrag zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln sind, unmittelbar und unvermeidbar mit der Ehescheidung zusammenhängen.
Nach dem seit 1. Juli 1977 geltenden Scheidungsrecht sind bestimmte, für den Fall der Scheidung zu treffende Familiensachen (sog. Folgesachen) ―wie die Auseinandersetzung über das gemeinsame Vermögen und Regelungen über den Unterhalt― zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden (sog. Verbund), wenn dies von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wird (§§ 623, 621 ZPO). Nur der Versorgungsausgleich von Rentenanwartschaften gemäß § 1587b BGB ist ohne Antrag zusammen mit der Scheidungssache durchzuführen (sog. Zwangsverbund, § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 2942) am 1. Juli 1998 gehörte zum Zwangsverbund auch die Bestimmung über die elterliche Sorge (§ 623 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.d.F. vom 20. Februar 1986, BGBl I 1986, 301).
Der Senat hält auch für die Rechtslage nach In-Kraft-Treten des EheRG daran fest, dass Kosten familienrechtlicher und sonstiger Regelungen im Zusammenhang mit der Ehescheidung grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Das gilt für alle Regelungen, die außerhalb des sogenannten Zwangsverbundes durch das Familiengericht oder außergerichtlich getroffen worden sind - also auch für die Aufhebung einer Gütergemeinschaft im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber im Falle der Scheidung den (früheren) Eheleuten die Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Familienbeziehungen. Besonderheiten des Scheidungsverfahrens, die eine Berücksichtigung der in dieser Situation zu tragenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung rechtfertigen, lassen sich der gegenwärtigen Gestaltung des Familienrechts nicht entnehmen.
Der Gesetzgeber stellt den Eheleuten die Wahl des Güterstandes abweichend vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ebenso frei wie die spätere Aufhebung oder Änderung dieses Güterstandes (§ 1363 Abs. 1, § 1408 Abs. 1 BGB). Kosten, die ihnen in Ausübung dieser Dispositionsfreiheit entstehen, stellen keine unvermeidbare Belastung dar, die die steuerliche Freistellung des insoweit aufzuwendenden Einkommens gebietet (subjektives Nettoprinzip als Ausformung des Verfassungsgebotes der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie, vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BGBl I 2004, 2570, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 1139).
Familiensachen ―mit Ausnahme des in den Zwangsverbund fallenden Versorgungsausgleichs und bis Ende 1997 auch der Bestimmung über die elterliche Sorge― können ohne Mitwirkung des Familiengerichts geregelt werden. Werden Familiensachen wie die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht auf Antrag mit der Scheidungssache verhandelt und entschieden (§ 623 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 621 Nr. 8 ZPO), sind die auf diese Folgesache entfallenden Prozesskosten nicht unvermeidbar und deshalb nicht zwangsläufig (vgl. das in der Anlage beigefügte Senatsurteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04). Eine gleichheitswidrige Benachteiligung derer, die Scheidungsfolgeregelungen außergerichtlich treffen, scheidet deshalb jedenfalls hinsichtlich der nicht in den sogenannten Zwangsverbund fallenden Folgeregelungen aus.
Fundstellen
Haufe-Index 1436564 |
BFH/NV 2005, 2104 |
BStBl II 2006, 491 |
BFHE 2006, 302 |
BFHE 210, 302 |
BB 2005, 2342 |
DB 2006, 255 |
DStRE 2005, 1453 |
DStZ 2005, 754 |
HFR 2006, 36 |
FR 2006, 86 |
Inf 2005, 807 |
NWB 2008, 551 |
FamRZ 2005, 1903 |
NJW-RR 2005, 1597 |
EStB 2005, 406 |
StuB 2005, 982 |
KÖSDI 2005, 14851 |
NWB direkt 2005, 7 |
RdW 2006, 227 |
StBW 2005, 3 |
STFA 2005, 22 |
StB 2005, 402 |