Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsaustausch bei Sacheinlage in GbR
Leitsatz (NV)
- Bringt ein Gesellschafter Wirtschaftsgüter in eine GbR ein, kann es sich um eine Leistung gegen Entgelt (Gesamthandsbeteiligung) handeln. Die Annahme eines Leistungsaustausches hängt weder von der zusätzlichen Vereinbarung eines Sonderentgelts noch von dem Ausweis eines Bilanzpostens für die eingebrachten Wirtschaftsgüter ab. Der Leistungsaustausch muß vollzogen, d.h. die Leistung muß tatsächlich erbracht worden sein.
- Bei dem als Tauschgeschäft ausgeführten Umsatz zwischen dem Gesellschafter und der GbR bemißt sich das als Besteuerungsgrundlage maßgebliche Entgelt nach dem Wert der Gegenleistung. Wenn dieser Wert nicht zu ermitteln ist, wird er bestimmt durch den (gemeinen) Wert des auf die GbR übergegangenen Vermögens.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, 12, § 10 Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Der Gesellschafter der Klägerin, J, führte bis zum 30. Juni 1988 einen landwirtschaftlichen Betrieb. Seine Umsätze versteuerte er nach den Durchschnittsätzen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG). Durch Gesellschaftsvertrag vom 21. Juni 1988 gründete er mit seiner Ehefrau R zum 1. Juli 1988 die Klägerin.
Nach dem Gesellschaftsvertrag verfolgt die Klägerin den Zweck der Bewirtschaftung des zuvor von dem Gesellschafter allein geführten landwirtschaftlichen Betriebes. Der Gesellschafter legte die Nutzung des Grund und Bodens, der Gebäude und Betriebsvorrichtungen sowie alle übrigen Aktiva und Passiva zu Buchwerten in die Klägerin ein. Rechte und Pflichten aus bereits bestehenden Verträgen wurden auf die Klägerin übertragen. Ferner brachte der Gesellschafter ebenso wie die Gesellschafterin die eigene Arbeitskraft ein. Die bis zur Gesellschaftsgründung entstandenen stillen Reserven sollten dem Gesellschafter zugerechnet werden. An den ab dem Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung entstehenden stillen Reserven sowie an dem festzustellenden steuerlichen Gewinn bzw. Verlust sollten beide Vertragspartner im Verhältnis von 60 zu 40 beteiligt sein. Dem Gesellschafter stand vorab ein Gewinnanteil in Höhe von 20 000 DM zu.
Für die Einbringung der Wirtschaftsgüter in die GbR erteilte der Gesellschafter der Klägerin unter dem Datum vom 29. September 1988 eine Rechnung, in der er "gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme von Verbindlichkeiten auf die GbR" neben anderen Wirtschaftsgütern aufstehende Feldfrüchte für netto 32 594 DM plus 13 % Umsatzsteuer (= 4 237,22 DM) und eine Milchquote für netto 480 000 DM zuzüglich 8 % Umsatzsteuer (= 38 400 DM) übertrug. In der Schlußbilanz des Gesellschafters zum 30. Juni 1988 und in der Eröffnungsbilanz der Klägerin waren für diese Wirtschaftsgüter keine Werte aktiviert.
Die Klägerin machte die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung als Vorsteuer geltend. Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung im Jahre 1989 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die in der Rechnung ausgewiesenen Vorsteuerbeträge nur zum Teil als abziehbar an. Bezüglich der Übertragung der Maschinen und des Viehs kürzte er die Werte. Die aufstehenden Feldfrüchte hielt er für nicht übertragbar und verneinte deshalb die Abziehbarkeit des hierfür ausgewiesenen Vorsteuerbetrages in Höhe von 4 237,22 DM. Wegen Verringerung des Werts der eingebrachten Milchquote kürzte er den diesbezüglichen Vorsteuerbetrag um 6 400 DM und ließ insoweit Vorsteuern in Höhe von 32 000 DM unter Vorbehalt zum Abzug zu.
In ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung machte die Klägerin die Vorsteuerbeträge aus der Rechnung bezüglich der aufstehenden Feldfrüchte in voller Höhe und bezüglich der Milchquote in Höhe von 32 000 DM als abziehbar geltend. Das FA stimmte der Umsatzsteuererklärung zunächst zu. Aufgrund einer Außenprüfung verneinte das FA jedoch die Abziehbarkeit der Vorsteuerbeträge, die hinsichtlich der Milchreferenzmenge (32 000 DM) und der aufstehenden Feldfrüchte (4 237,22 DM) in der Rechnung ausgewiesen worden waren. Zur Milchreferenzmenge vertrat es nunmehr die Ansicht, daß diese zusammen mit dem Nutzungsrecht an den Grundstücken (ohne Gegenleistung) auf die Klägerin übergegangen sei, weil die Referenzmenge untrennbar mit dem Recht auf die Nutzung der Flächen verbunden sei.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) insoweit die Klage ab. Zur Begründung führte es aus: Zwar könnten an sich sowohl die stehende Ernte als auch die Milchreferenzmenge Gegenstand eines Leistungsaustausches sein. Ein Leistungsaustausch liege im Streitfall jedoch nicht vor, weil der Klägerin weder das Feldinventar noch die Milchreferenzmenge entgeltlich übertragen worden seien. Eine Gegenleistung sei von der Klägerin nicht erbracht worden; weder habe sie die Rechnung vom 29. September 1988 bezahlt noch ergebe sich eine Gegenleistung aus dem Gesellschaftsvertrag.
Eine ausdrückliche Regelung darüber, ob und in welchem Umfang dem Gesellschafter für die Einbringung der Wirtschaftsgüter, insbesondere für die Einbringung der Milchquote und der aufstehenden Ernte Gesellschaftsrechte eingeräumt worden seien, enthalte der Gesellschaftsvertrag nicht. Die Entgeltlichkeit ergebe sich auch nicht aus der bilanziellen Behandlung der Einbringung bei der Klägerin. Da im Zeitpunkt der Einbringung ein steuerlicher Buchwert weder für die Milchreferenzmenge noch für die aufstehende Ernte vorhanden gewesen sei, habe sich die Einbringung wertmäßig nicht auf das Kapitalkonto des Gesellschafters auswirken können. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, daß die Gesellschaft teilweise die Schulden des Gesellschafters übernommen habe, da kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Übernahme der Schulden und der Einbringung der Milchreferenzmenge sowie der aufstehenden Ernte ersichtlich sei.
Der Gesellschaftsvertrag enthalte keine Regelung darüber, daß der Gesellschafter für das Zurverfügungstellen der Milchquote und der aufstehenden Ernte ein Sonderentgelt angestrebt habe. Dies hätte eine Vereinbarung über einen jährlich genau bestimmten "Gewinnvorweg" unabhängig vom Betriebsergebnis der Gesellschaft erforderlich gemacht. Der vereinbarte "Gewinnvorweg" in Höhe von 20 000 DM stehe weder mit der Milchreferenzmenge noch mit der aufstehenden Ernte in Zusammenhang, da im Zeitpunkt der Einbringung steuerliche Buchwerte für diese Wirtschaftsgüter nicht vorhanden gewesen seien und diese auch nicht in der Eröffnungsbilanz der Klägerin enthalten seien.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. November 1995 XI R 63/94 (BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114) vertritt sie die Ansicht, daß die stehende Ernte und die Milchreferenzmenge entgeltlich eingebracht worden seien. Die Einbringung sei tatsächlich vollzogen worden. Die zuständige Behörde habe die Milchquote auf sie ―die Klägerin― überschrieben. Sie habe die eingebrachte stehende Ernte verwertet. Da der Wert der vom Gesellschafter erworbenen Gesellschaftsanteile dem Wert der eingebrachten Wirtschaftsgüter entspreche und das FA gegen die in der Umsatzsteuererklärung angesetzten Werte keine Einwendungen erhoben habe, bedürfe es keiner Zurückverweisung an die Vorinstanz, sondern könne der Senat in der Sache abschließend entscheiden.
Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1988 auf ./. 105 466 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit die bisher nicht aufgeklärten Werte der für die eingebrachten Wirtschaftsgüter erlangten Gesellschaftsrechte festgestellt werden können.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das FG ist von Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die mit der neueren Rechtsprechung des BFH nicht im Einklang stehen. Der Senat hebt die Entscheidung des FG deshalb auf, damit das FG Gelegenheit erhält, den Sachverhalt unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH neu zu würdigen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Der Anspruch der Klägerin auf Abzug der ihr in Rechnung gestellten Steuern setzt demnach voraus, daß der Gesellschafter durch Einbringung Leistungen gegen Entgelt an sie ―die Klägerin― erbracht hat. Der BFH hat im Urteil in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114 ausgeführt, daß ein Einzelunternehmer Wirtschaftsgüter in eine neu gegründete Personengesellschaft gegen die Verschaffung der gesamthänderischen Beteiligung an der Gesellschaft einbringen kann. Der Gesellschafter leistet unter solchen Umständen an die Gesellschaft, um hierdurch seine Gesamthandsbeteiligung zu begründen und diese mit wirtschaftlichem Wert zu versehen. Die Sacheinlage bedingt den wirtschaftlichen Gehalt der Gesellschaftsanteile und erfolgt, um an der Gesellschaft beteiligt zu sein. Dadurch wird der für eine Leistung "gegen Entgelt" (Leistungsaustausch) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG vorausgesetzte Zusammenhang hergestellt.
Das FG hat demgegenüber verneint, daß die bloße Erlangung von Gesellschaftsrechten Gegenleistung für die Einbringung sein kann. Es hat die Annahme eines Leistungsaustausches von der zusätzlichen Vereinbarung eines Sonderentgelts bzw. der Darstellung des Einbringungsvorgangs in der Bilanz abhängig gemacht (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Dezember 1997 V R 44/95, BFH/NV 1998, 628). Da diese Auffassung mit den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung nicht übereinstimmt, war das Urteil des FG aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif; der Senat kann daher nicht durcherkennen. Das FG wird den Sachverhalt erneut unter Berücksichtigung der bezeichneten Rechtsprechung zu würdigen haben.
Das FG wird zunächst zu prüfen haben, ob der mit der Einbringung der Wirtschaftsgüter bezweckte Leistungsaustausch zwischen den Beteiligten tatsächlich vollzogen worden ist; die Leistung muß tatsächlich erbracht worden sein. Hierzu hat der BFH im Urteil in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114 (unter II. 4.) die entsprechenden Hinweise gegeben. Das FG hatte von seinem Rechtsstandpunkt aus bisher keinen Anlaß, den Vollzug zu prüfen.
Schließlich muß das FG die zutreffende Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Gesellschafters ermitteln. Denn abweichend von § 15 Abs. 1 UStG steht dem Leistungsempfänger der Abzug des ihm von einem pauschal nach § 24 Abs. 1 UStG besteuerten Land- und Forstwirt gesondert in Rechnung gestellten Steuerbetrags nur bis zur Höhe der für den maßgeblichen Umsatz geschuldeten Umsatzsteuer zu (§ 24 Abs. 1 Satz 6 UStG). Bei dem als Tausch (vgl. § 3 Abs. 12 UStG) ausgeführten Umsatz zwischen dem Gesellschafter und der Klägerin bemißt sich das als Besteuerungsgrundlage maßgebliche Entgelt nach dem Wert der Gegenleistung. Wenn dieser Wert nicht zu ermitteln ist, wird er bestimmt durch den (gemeinen) Wert des auf die Klägerin übergegangenen Vermögens (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG; vgl. Urteile des BFH in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114, unter II. 4. b, und vom 10. Juni 1999 V R 87/98, BStBl II 1999, 580). Das FG hat diese Werte bisher nicht ermittelt. Zumindest in bezug auf den Wert der stehenden Ernte liegt auch keine Äußerung des FA vor.
Fundstellen
Haufe-Index 424870 |
BFH/NV 2000, 607 |
HFR 2000, 440 |