Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Laufende Entgelte, die ein Unternehmer an eine Gemeinde dafür zahlt, daß nur er auf der Gemeinde gehörenden Straßen und Plätzen Anschlagtafeln errichten und darauf Wirtschaftswerbung betreiben darf, sind keine Miet- und Pachtzinsen im Sinn des § 8 Ziff. 8 GewStG 1955.
Normenkette
GewStG § 8/1; GewStG § 8/7
Tatbestand
Streitig ist bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags 1956, ob Zahlungen der Kommanditgesellschaft an Gemeinden als Miet- oder Pachtzinsen nach § 8 Ziff. 8 GewStG 1955 zur Hälfte dem Gewinn hinzuzurechnen sind.
Die Kommanditgesellschaft betreibt ein Plakatunternehmen. Sie schloß mit einer Anzahl von Gemeinden Verträge, in denen ihr das ausschließliche Recht zur Errichtung und Benutzung von Anschlagtafeln auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen zur Wirtschaftswerbung gegen Abführung von 50 v. H. ihrer aus den Plakatanschlägen herrührenden Einnahmen eingeräumt wurde. Das Finanzamt sah in diesen Zahlungen Miet- und Pachtzinsen im Sinn des § 8 Ziff. 8 GewStG und rechnete die Hälfte zur Ermittlung des Gewerbeertrages dem einheitlich festzustellenden Gewinn hinzu.
Der Einspruch der Kommanditgesellschaft hatte Erfolg. Die Berufung des Vorstehers des Finanzamts wurde vom Finanzgericht mit folgender Begründung als unbegründet zurückgewiesen. Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen sei nach bürgerlichem Recht auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 96/59 S vom 12. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 387, Slg. Bd. 71 S. 368). Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Verträgen um eine Rechtspacht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II 117/38 vom 6. April 1939, RStBl 1939 S. 748, Slg. Bd. 46 S. 281) oder um einen Nutzungsvertrag eigener Art (Urteil des Reichsfinanzhofs V 197/39 vom 27. September 1940, RStBl 1940 S. 928, Slg. Bd. 49 S. 175) handele. Denn in keinem Fall sei der Gegenstand des Vertrages ein nicht in Grundbesitz bestehendes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens. Aus dem Objektcharakter der Gewerbesteuer ergebe sich, daß es sich um Wirtschaftsgüter handeln müsse, bei denen an Stelle der Nutzungsüberlassung durch einen Miet- oder Pachtvertrag die übertragung der Nutzung durch einen Kaufvertrag denkbar sei. Das sei hier nicht der Fall. Die Gemeinden gewährten der Kommanditgesellschaft nur Teilbefugnisse, die sich aus ihrem Eigentum an den öffentlichen Verkehrswegen ergäben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
In der auch für die Anwendung des § 8 Ziff. 8 GewStG maßgebenden Rechtsprechung der Zivilgerichte besteht Einigkeit darüber, daß ein Vertrag, durch den eine Gemeinde einem Gewerbetreibenden das ausschließliche Recht gewährt, auf den öffentlichen Wegen und Plätzen Anschlagsäulen zu errichten und durch Plakatanschläge zu nutzen, keinen Mietvertrag über den für das Aufstellen der Anschlagtafeln benutzten Grund und Boden darstellt (vgl. Urteile des Reichsgerichts VII 125/13 vom 3. Juni 1913, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 82 S. 340, und VII 24/34 vom 20. April 1934, Höchstrichterliche Rechtsprechung 1934 Nr. 1633, und Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 5/50 vom 14. Dezember 1951, Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 620). Dieser Auffassung schloß sich der Reichsfinanzhof für die Urkunden- und für die Umsatzsteuer an (Urteile des Reichsfinanzhofs II 117/38 und V 197/39). In einigen Entscheidungen wird der Gesichtspunkt in den Vordergrund gestellt, daß es den Parteien weniger auf die Nutzung einer bestimmten, flächenmäßig nicht ins Gewicht fallenden Grundstücksfläche als vielmehr auf die überlassung des der Gemeinde als Grundstückseigentümerin zustehenden Rechts ankomme, die öffentlichen Verkehrswege zu Reklamezwecken zu nutzen. Es handele sich deshalb um eine Rechtspacht. In anderen Entscheidungen liegt das Schwergewicht der eine Grundstückspacht ablehnenden Gründe in der überlassung eines monopolartigen Rechts an den Unternehmer, die öffentlichen Verkehrswege unter Ausschluß aller anderen Konkurrenten für gewerbliche Zwecke benutzen zu dürfen.
Dieser letzte Gesichtspunkt, der in dem Urteil des Reichsfinanzhofs V 197/39 und in dem Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 5/50 hervorgehoben wird, ist für den Senat für die rechtliche Beurteilung des einheitlichen Vertrages im Rahmen der Anwendung des § 8 Ziff. 8 GewStG entscheidend. Der Kommanditgesellschaft kam es weniger darauf an, einige geringfügige Grundstücksflächen der Gemeinden im Rahmen ihres Betriebes nutzen zu dürfen, als vielmehr jede Konkurrenz bei der Plakatwerbung innerhalb der Gemeinde auszuschließen und damit ein monopolartiges Recht zu erwerben, auf den von ihr auf öffentlichen Verkehrswegen errichteten Anschlagtafeln für andere Unternehmen Reklame machen zu dürfen. Dieses Monopolrecht der Kommanditgesellschaft erschöpfte sich in der Verpflichtung der Gemeinden, keinem anderen Gewerbetreibenden zu gestatten, auf den ihr gehörenden Verkehrswegen Anschlagtafeln für Werbezwecke aufzustellen. Das Recht der Kommanditgesellschaft, von den Gemeinden eine bestimmte Unterlassung zu verlangen, kann weder als Verpachtung eines der Gemeinde zustehenden, aus ihrem Eigentum folgenden Rechts noch als Verpachtung eines zum Anlagevermögen gehörenden Wirtschaftsguts angesehen werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I 251/41 vom 9. Februar 1943, RStBl 1943 S. 508, Slg. Bd. 53 S. 28). Eine Zurechnung der Hälfte der vertraglichen Leistungen nach § 8 Ziff. 8 GewStG kommt deshalb nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 410539 |
BStBl III 1962, 476 |
BFHE 1963, 571 |
BFHE 75, 571 |
StRK, GewStG:8/2 9 R 38 |