Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverfahren. Wohlverhaltensphase. Selbstständige Tätigkeit ohne wirtschaftlichen Erfolg. Fiktives pfändbares Einkommen aus angemessenem Dienstverhältnis. Gläubigerbenachteiligung. Nachweisbare Arbeitssuche
Leitsatz (amtlich)
Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als gehe er einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach, braucht er seine selbständige Tätigkeit nicht sofort aufzugeben; um den Vorwurf zu entkräften schuldhaft die Befriedigung seiner Gläubiger beeinträchtigt zu haben, muss er sich dann aber nachweisbar um eine angemessene abhängige Beschäftigung bemühen und - sobald sich ihm eine entsprechende Gelegenheit bietet - diese wahrnehmen.
Normenkette
InsO § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 300 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 21.06.2007; Aktenzeichen 5 T 26/07) |
AG Münster (Beschluss vom 28.12.2006; Aktenzeichen 77 K 7/99) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Münster vom 21.6.2007 wird auf Kosten des Gläubigers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] In dem auf Antrag des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren kündigte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 15.12.2000 an, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von fünf Jahren ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens den Obliegenheiten des § 295 InsO nachkomme. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.2.2001 aufgehoben.
[2] Der Schuldner ist als Bauingenieur selbständig tätig. Während der Wohlverhaltensphase hätte er unter Berücksichtigung seiner Unterhaltsverpflichtungen einen fiktiven pfändbaren Betrag von 26.788,40 EUR an den Treuhänder abführen müssen. Tatsächlich hat er Zahlungen i.H.v. 9.136,60 EUR erbracht. Mit Beschluss vom 28.12.2006 hat das Insolvenzgericht ihm unter Zurückweisung eines Versagungsantrags des Gläubigers die Restschuldbefreiung nach § 300 InsO erteilt. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Versagungsantrag weiter.
II.
[3] Die gem. §§ 7, 6 Abs. 1, 300 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Sache weist keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts ist nicht erforderlich.
[4] 1. Der BGH hat bereits entschieden, dass § 295 Abs. 2 InsO die vom Schuldner abzuführenden Beträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg seiner selbständigen Tätigkeit ablöst. Zu berechnen ist das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit. (BGH, Beschl. v. 5.4.2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413, 414 Rz. 13). Im vorliegenden Fall scheidet eine Versagung der Restschuldbefreiung aus, weil die Tatsacheninstanzen festgestellt haben, dass der Schuldner aufgrund seines Alters und der problematischen Verhältnisse am Arbeitsmarkt nicht die Möglichkeit gehabt hätte, in ein angemessenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln, bei dem er ein höheres pfändbares Einkommen hätte erzielen können. Die dagegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde lassen keinen Zulässigkeitsgrund erkennen.
[5] 2. Allgemein besteht Veranlassung zu folgenden Hinweisen: Der Gläubiger, der einen Antrag stellt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, genügt im Fall des § 295 Abs. 2 InsO seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Obliegenheitspflichtverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit - etwa nach BAT - hätte abführen müssen. Der Schuldner muss sich dann von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheitspflichten schuldhaft verletzt zu haben (§ 296 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. InsO). Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbständige Tätigkeit zunächst nicht aufzugeben. Er muss sich dann aber - ebenso wie ein beschäftigungsloser Schuldner - gem. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften (AG München ZVI 2005, 384, 385; Grote ZInsO 2004, 1105, 1107 f.; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 295 Rz. 73; vgl. ferner AG Neu-Ulm ZVI 2004, 131, 132; Ahrens in FK/InsO, 5. Aufl., § 295 Rz. 64; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl., § 295 Rz. 26; Landfermann in HK/InsO, 5. Aufl., § 295 Rz. 12).
Fundstellen
Haufe-Index 2179650 |
DB 2009, 1461 |