Entscheidungsstichwort (Thema)
Restschuldbefreiung. Versagung. Anzeigepflicht. Pfändbares Einkommen
Leitsatz (amtlich)
Zeigt der Schuldner sein pfändbares Einkommen trotz einer Aufforderung dem Treuhänder nicht an, kann diese Obliegenheitsverletzung jedenfalls dann nicht mehr durch Zahlung des pfändbaren Einkommens geheilt werden, wenn ein Gläubiger beantragt hat, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.
Normenkette
InsO § 296
Verfahrensgang
LG Stade (Beschluss vom 20.09.2007; Aktenzeichen 7 T 188/07) |
AG Cuxhaven (Entscheidung vom 08.08.2007; Aktenzeichen 12 IK 78/02) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Stade vom 20.9.2007 wird auf Kosten des Schuldners als unbegründet zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde auf dessen in Verbindung mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung gestellten Eigenantrag am 27.8.2002 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Durch Beschluss vom 8.12.2003 wurde dem Schuldner Restschuldbefreiung für den Fall angekündigt, dass er während der Laufzeit der Abtretungserklärung seinen Obliegenheiten nachkommt.
[2] Der Schuldner, der zunächst aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitstätigkeit ausübte, trat am 23.8.2005 eine Arbeitsstelle als Kraftfahrer an. Der Aufforderung des Treuhänders, das Einkommen seiner Ehefrau mitzuteilen, kam der Schuldner trotz einer bis zum 9.1.2006 bemessenen Frist nicht nach. Tatsächlich bezog der Schuldner im September 2005 ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.296,79 EUR, so dass sich - falls die Ehefrau ein hinreichendes eigenes Einkommen erzielt und nicht unterhaltsberechtigt ist - ein pfändbares Einkommen von 213,40 EUR errechnet. Aufgrund dieses Sachverhalts hat der Treuhänder in seinem Bericht vom 20.1.2006 die Auffassung vertreten, dem Schuldner könne auf der Grundlage des Antrags eines Gläubigers nach § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Restschuldbefreiung versagt werden.
[3] Am 6.3.2006 hat die weitere Beteiligte zu 1) und am 9.3.2006 die weitere Beteiligte zu 2) - jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht des Treuhänders - beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Am 6.6.2006 überwies der Schuldner den pfändbaren Betrag über 213,40 EUR auf das Konto des Treuhänders.
[4] Die Vordergerichte haben dem Schuldner antragsgemäß die Restschuldbefreiung versagt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
[5] Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 296 Abs. 3 Satz 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
[6] 1. Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit der von den Insolvenzgläubigern gestellten Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung.
[7] Die Zulässigkeit dieser Anträge unterliegt nicht wegen der Bezugnahme auf den Bericht des Treuhänders rechtlichen Bedenken. Es ist anerkannt, dass Sachvortrag auch mittels einer konkreten Bezugnahme auf andere Schriftstücke erfolgen kann (BGH, Urt. v. 17.7.2003 - I ZR 295/00, BGHReport 2003, 1438). Demgemäß hat es der Senat gestattet, einen Versagungsantrag - wie im Streitfall - auf den Inhalt beigefügter Schriftstücke zu stützen (BGHZ 156, 139, 144). Eine Glaubhaftmachung (§ 296 Abs. 1 Satz 3 InsO) war im Streitfall entbehrlich, weil der maßgebliche Sachverhalt unstreitig ist (BGHZ, a.a.O., 143). Überdies kann die Glaubhaftmachung auch durch die Vorlage einer schriftlichen Erklärung des Treuhänders erfolgen (Römermann in Nerlich/Römermann, InsO § 296 Rz. 22).
[8] 2. Ebenso kann der Rechtsbeschwerde nicht gefolgt werden, in der Weigerung des Schuldners, die Einkünfte seiner Ehefrau mitzuteilen, liege keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
[9] a) Der Schuldner ist nach dieser Vorschrift insb. verpflichtet, dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit, über seine Bezüge und über sein Vermögen zu erteilen. Die Auskunft hat nach Sinn und Zweck der Vorschrift unverzüglich zu erfolgen (Römermann, a.a.O., § 295 Rz. 38). Der Schuldner ist insb. verpflichtet, dem Gericht den Wegfall einer unterhaltsberechtigten Person anzuzeigen (Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 295 Rz. 21).
[10] b) Der Obliegenheit zur Darlegung seiner Unterhaltsverpflichtungen ist der Schuldner nicht nachgekommen. Der Treuhänder hat ihn ausdrücklich aufgefordert, ihm "das Einkommen seiner Ehefrau mitzuteilen". Da der Treuhänder lediglich die Mitteilung des Einkommens der Ehefrau und nicht die Vorlage von Einkommensnachweisen verlangt hat, ist, weil der Schuldner die erbetenen Angaben nicht gemacht hat, ein Verstoß gegen § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO gegeben. Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, ob auch eine Verpflichtung des Schuldners bestand, Einkommensnachweise hinsichtlich seiner Ehefrau vorzulegen.
[11] 3. Schließlich ist durch die Verletzung der Obliegenheiten des Schuldners auch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger konkret messbar beeinträchtigt worden (§ 296 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 InsO). Die nach der Stellung des Versagungsantrages erfolgte Zahlung des Schuldners war nicht geeignet, die Gläubigerbeeinträchtigung zu heilen.
[12] a) Zwischen der Obliegenheitsverletzung und der Gläubigerbeeinträchtigung muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn die Insolvenzgläubiger ohne die Obliegenheitsverletzung eine bessere Befriedigung im Hinblick auf ihre Forderungen hätten erreichen können (BGH, Beschl. v. 5.4.2006 - IX ZB 50/05, WM 2006, 1158 Rz. 4). Die Schlechterstellung der Gläubiger muss konkret messbar sein; eine bloße Gefährdung ihrer Befriedigungsaussichten reicht nicht aus (BGH, Beschl. v. 5.4.2006, a.a.O.; BGH, Beschl. v. 8.2.2007 - IX ZB 88/06, WM 2007, 661, 662 Rz. 5). Dieser Kausalzusammenhang ist im Streitfall gegeben. Unstreitig errechnet sich ausgehend von einem Nettoeinkommen des Schuldners für den Monat September 2005i.H.v. 1296,79 EUR im Falle einer Erwerbstätigkeit seiner Ehefrau mangels einer ihr gegenüber bestehenden Unterhaltspflicht ein pfändbares Einkommen von 213,40 EUR. Im Blick auf diesen Betrag wurde - was die Rechtsbeschwerde verkennt - die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt.
[13] b) Eine Gläubigerbeeinträchtigung scheidet nicht deshalb aus, weil der Schuldner den Betrag i.H.v. 213,40 EUR am 6.6.2006 an den Treuhänder entrichtet hat. Bei Begehung eines der Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO entgegenstehenden Obliegenheitsverstoßes ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die nach Ende des Schlusstermins erfolgte Angabe der tatsächlich erzielten Einnahmen und deren Abführung den Verstoß nicht zu heilen vermag (BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97; Beschl. v. 24.4.2008 - IX ZB 115/06; v. 5.6.2008 - IX ZB 119/06). Im Blick auf eine Versagung der Restschuldbefreiung während der Treuhandperiode (§ 296 InsO) ist streitig, ob der Schuldner eine Obliegenheitsverletzung durch die Zahlung des vorenthaltenen Betrages nachträglich heilen kann (ablehnend etwa Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 296 Rz. 20; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl., § 296 Rz. 11; Kübler/Prütting/Wenzel, a.a.O., § 296 Rz. 5). Auch nach der Gegenauffassung kommt dem Schuldner die Wiedergutmachung einer Obliegenheitsverletzung in Einklang mit der zitierten Rechtsprechung zu § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur zustatten, falls sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, bevor ein Versagungsantrag gestellt wurde (Ahrens in FK/InsO, 4. Aufl., § 296 Rz. 14; Landfermann in HK/InsO, 4. Aufl., § 296 Rz. 2). Die Zahlung durch den Schuldner ist indessen erst am 6.6.2006 und mithin zu einem Zeitpunkt erfolgt, lange nachdem am 6. und 13.3.2006 Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt worden waren.
Unter solchen Umständen scheidet eine Heilung der Obliegenheitsverletzung aus.
Fundstellen