Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsatzanfechtung wegen Zahlungen der Schuldnerin an das Finanzamt aufgrund der Vollstreckungsankündigungen wegen Lohnsteuerrückständen
Leitsatz (amtlich)
Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt auch dann vor, wenn der Schuldner der anwesenden Vollziehungsperson zur Vermeidung eines - mangels pfändbarer Gegenstände voraussichtlich erfolglosen - Pfändungsversuchs einen Scheck über den geforderten Betrag übergibt.
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1 S. 1; AO §§ 249, 251
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 17.1.2007 wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 47.257,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung das beklagte Land auf Erstattung verschiedener Zahlungen in Anspruch, welche die Schuldnerin, über deren Vermögen am 9.7.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, im Jahr 2003 zur Begleichung von Lohnsteuerrückständen nach Vollstreckungsankündigungen an das zuständige Finanzamt erbracht hat. Die Klage hatte in der Vorinstanz unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO in vollem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit der Beschwerde. Es ist der Ansicht, bei allen Zahlungen fehle es an der erforderlichen Rechtshandlung der Schuldnerin. Die Sache habe insoweit grundsätzliche Bedeutung.
II.
[2] Die Beschwerde ist statthaft und zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts ().
[3] Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die bisherige Rechtsprechung des Senats geklärt. Erlangt ein Gläubiger Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung, fehlt es an der für eine Vorsatzanfechtung erforderlichen Rechtshandlung des Schuldners (§§ 129, 133 Abs. 1 Satz 1 InsO). Erbringt der Schuldner hingegen selbst eine Leistung, sei es auch unter dem Druck und zur Abwendung einer angedrohten Zwangsvollstreckung, liegt grundsätzlich eine eigene Rechtshandlung des Schuldners vor. Ausnahmsweise kann es in einem solchen Fall an einer Rechtshandlung des Schuldners fehlen, wenn jede Möglichkeit des Schuldners zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist, weil er nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden (BGHZ 155, 75, 79 f. = BGHReport 2003, 1177 m. Anm. Runkel = MDR 2003, 1256; 162, 143, 151 f.; BGH, Urt. v. 25.10.2007 - IX ZR 157/06, ZIP 2008, 131 f.). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet.
[4] 1. In fünf Fällen (am 28.1., 20.2., 25.4., 5.7. und 16.10.2003) erbrachte die Schuldnerin jeweils Zahlungen, nachdem das Finanzamt ihr eine entsprechende Vollstreckungsankündigung übersandt hatte. Vollstreckungsmaßnahmen hatten noch nicht begonnen. Zahlungen in diesem Stadium erfüllen zweifelsfrei die Voraussetzungen einer Rechtshandlung des Schuldners.
[5] 2. Am 20.8.2003 wurde die Schuldnerin, nachdem wegen erneuter Steuerrückstände eine Vollstreckung angekündigt worden war, von einem Vollziehungsbeamten des Finanzamts aufgesucht. Diesem übergab sie einen Scheck in Höhe des ausstehenden Betrags, der von der bezogenen Bank eingelöst wurde. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wäre ein Vollstreckungsversuch des Vollziehungsbeamten mangels pfändbarer Gegenstände voraussichtlich erfolglos gewesen. Auch in diesem Fall liegt eine Rechtshandlung der Schuldnerin vor. Sie konnte sich frei entscheiden, einen - voraussichtlich vergeblichen - Vollstreckungsversuch des Vollziehungsbeamten über sich ergehen zu lassen und anschließend weitere Maßnahmen abzuwarten oder die Gläubigerin durch Hingabe eines Schecks zu befriedigen.
[6] 3. Am 24.12.2003 überließ die Schuldnerin dem Finanzamt einen Scheck über die Steuerrückstände aus den Monaten September, Oktober und November 2003. Zuvor hatte die Gläubigerin ein Bankkonto der Schuldnerin wegen der rückständigen Steuer für den Monat September gepfändet. Der übergebene Scheck war nicht auf dieses Konto, sondern auf ein Geschäftskonto der Schuldnerin bei einer anderen Bank gezogen. Die Gläubigerin hat deshalb Befriedigung nicht durch die ausgebrachte Pfändung, sondern durch die selbstbestimmte Leistung der Schuldnerin erlangt. Eine Rechtshandlung der Schuldnerin ist auch in diesem Fall gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 2143340 |
BFH/NV 2009, 1231 |
DB 2009, 842 |