Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverfahren. Mit Sicherungsübereignung verbundene Vorausabtretung eines etwaigen Veräußerungserlöses. Unternehmenskaufvertrag. Weiterverkauf des Sicherungsguts. Eigentumsvorbehalt. Verkauf einer Gesamtheit von Gegenständen zu einem Einheitspreis. Auf das Sicherungsgut bezogene Vorausabtretung nicht individualisierbar. Keine Gläubigerbenachteiligung wenn Absonderungsrecht durch Zahlung abgelöst wird, deren Höhe den Erlös nicht überschreitet
Leitsatz (amtlich)
1. Übereignet der Schuldner Bestandteile seines Geschäftsbetriebs zur Sicherheit an einen Darlehensgeber und veräußert er danach den gesamten Geschäftsbetrieb unter Eigentumsvorbehalt an einen Erwerber mit der Weisung, den Kaufpreis direkt an den Darlehensgeber zu zahlen, werden die Gläubiger benachteiligt, wenn die Höhe der Zahlung den Wert des dem Darlehensgeber insolvenzfest übereigneten Sicherungsguts übersteigt.
2. Tritt der Schuldner im Rahmen einer Sicherungsübereignung die aus einem Verkauf des Sicherungsguts entstehenden Forderungen an seinen Darlehensgeber ab und veräußert er sodann seinen gesamten Geschäftsbetrieb einschließlich des Sicherungsguts für einen Einheitspreis an einen Dritten, geht die eine solche Forderung nicht erfassende Vorausabtretung mangels Individualisierbarkeit der auf das Sicherungsgut entfallenden Forderungsteile ins Leere.
Normenkette
InsO § 129; BGB §§ 929-930, 398
Verfahrensgang
Tenor
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 29.11.2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 29.11.2007 zugelassen, soweit die gegen den Beklagten zu 2) auf Zahlung von 34.600 EUR zzgl. Zinsen gerichtete Klage abgewiesen wurde.
Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Im Umfang ihrer Zulassung wird auf die Revision des Klägers das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 29.11.2007 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdegegenstand für das Verfahren vor dem Senat wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 21.10.2003 über das Vermögen von S. (nachfolgend: Schuldner), Inhaber der Firma M. am 27.1.2004 eröffneten Insolvenzverfahren.
[2] Der Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagter) gewährte dem Schuldner, seinem Sohn, am 15.8.2002 ein Darlehen über 80.000 EUR. Zur Sicherung des Darlehens übereignete der Schuldner am selben Tag dem Beklagten sämtliche Rechte an den - in einer Anlage im Einzelnen aufgeführten - Gegenständen seines Gartenbau- und seines Montageservicebetriebs. Die aus einem Weiterverkauf des Sicherungsguts entstehenden Forderungen trat der Schuldner zugleich im Voraus sicherungshalber an den Beklagten ab.
[3] Am 1.8.2003 schloss der Schuldner einen Unternehmenskaufvertrag, durch den er die Aktiva seines Betriebs zum Preis von 127.000 EUR auf T. übertrug. Die verkauften Gegenstände wurden in einer Aufstellung des Anlagevermögens bezeichnet; sie sollten bis zur vollständigen Zahlung des Unternehmenskaufpreises im Eigentum des Schuldners verbleiben. Zu den Kaufgegenständen gehörte auch das an den Beklagten übereignete Sicherungsgut. Auf Weisung des Schuldners überwies T. den Restkaufpreis von 50.000 EUR nach dem 16.8.2003 auf ein Konto des Beklagten.
[4] Der Kläger nimmt den Beklagten - die auch gegen dessen Ehefrau als frühere Beklagte zu 1) verfolgte Forderung wurde rechtskräftig abgewiesen - auf Zahlung von 50.000 EUR in Anspruch. Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Kläger im Ergebnis die Wiederherstellung des Ersturteils.
II.
[5] Dem Kläger ist gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 Abs. 2, § 544 ZPO).
[6] Die Fristversäumung ist unverschuldet (§ 233 ZPO), weil der Kläger wegen seiner Mittellosigkeit außerstande war, durch die Beauftragung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts die Einlegungs- und Begründungsfrist einzuhalten. Die Wiedereinsetzungsfrist ist gewahrt: Nach Zustellung des Senatsbeschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 28.2.2008 hat der Schuldner die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO am 29.2.2008 eingelegt und innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO am 27.3.2008 begründet.
III.
[7] Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist begründet, soweit er die Zahlung von 34.600 EUR begehrt. Die Abweisung der auf § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestützten Klageforderung verletzt den Kläger, wie die Beschwerde zutreffend rügt, insoweit in seinem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Im Blick auf den weitergehenden Zahlungsanspruch bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen ohne Erfolg.
[8] 1. Der Beklagte ist als Empfänger einer mittelbaren Leistung Anfechtungsgegner. Der Schuldner hat seinen Käufer T. als Drittschuldner angewiesen, den offenen Kaufpreis an den Beklagten zu zahlen. Da der Beklagte erkannte, dass T. die Zahlung auf Weisung des Schuldners an ihn erbrachte, richtet sich die Anfechtung gegen ihn als Leistungsempfänger (BGHZ 142, 284, 287; 174, 228, 239 Rz. 35).
[9] 2. Die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts, eine Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) liege nicht vor, verletzt den Kläger in seinem Prozessgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG, soweit die Klage in Höhe eines Betrages von 34.600 EUR abgewiesen wurde.
[10] a) Mit Recht wendet sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe den Kaufpreisanspruch des Schuldners gegen T. im Wege einer mit der Sicherungsübereignung verbundenen Vorausabtretung eines etwaigen Veräußerungserlöses erlangt. Im Streitfall ist die Anschlusszession, welche die Sicherungsübereignung im Voraus verlängert hat, ins Leere gegangen. Der Schuldner hatte mit dem Kläger einen Eigentumsvorbehalt vereinbart. Das Sicherungseigentum bestand deshalb fort, solange der Schuldner seinerseits das Sicherungsgut nicht an den Käufer übereignet hatte. Dies wiederum war nicht vor der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises der Fall. Da der Kaufpreisanspruch damit bereits erfüllt wurde, konnte er von der Anschlusszession nicht erfasst werden.
[11] Im Übrigen wäre der Kaufpreisanspruch von der Zession auch aus anderen Gründen nicht erfasst worden. Der Schuldner hat nicht die der Sicherungsübereignung unterworfenen Betriebsgegenstände, sondern sein Unternehmen als Ganzes an T. veräußert. Deswegen kann die dem Schuldner gegen T. zustehende Kaufpreisforderung nicht einzelnen Sicherungsobjekten zugeordnet werden. Eine Forderung aus dem Verkauf einer Gesamtheit von Waren oder gar des Geschäftsbetriebs ist dem Beklagten indes nicht abgetreten worden. Wird eine Gesamtheit von Gegenständen, die nur zum Teil von einer Sicherungsübereignung erfasst werden, zu einem Einheitspreis verkauft, geht eine auf das Sicherungsgut bezogene Vorausabtretung ins Leere, weil die das Sicherungsgut betreffenden Forderungsteile nicht individualisierbar sind und es deshalb an der notwendigen Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung fehlt (BGHZ 26, 185, 189 f.; OLG Neustadt WM 1958, 1141, 1142; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung Band IV 1976 § 47 III 1d, S. 299; vgl. Ganter in Schimansky/Lwowski/Bunte, Handbuch des Bankrechts, 3. Aufl., § 96 Rz. 48).
[12] b) Demnach fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn die von T. an den Beklagten bewirkte Zahlung dem Wert des diesem übertragenen Sicherungseigentums entspricht.
[13] aa) Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldnerfremdes Vermögen betreffen, wirken sich nicht auf die Insolvenzmasse und damit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger aus. Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet folglich aus, wenn der Schuldner ein Absonderungsrecht durch Zahlung ablöst, soweit deren Höhe den Erlös nicht überschreitet, den der Absonderungsberechtigte bei der Verwertung des mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstandes hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 17.6.2004 - IX ZR 124/03, ZIP 2004, 1509, 1511; Urt. v. 13.1.2005 - IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585, 587). Durch eine Zahlung zur Ablösung eines insolvenzbeständig erworbenen Sicherungsrechts werden die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt (BGHZ 157, 350, 353; BGH, Urt. v. 9.11.2006 - IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35, 36 Rz. 8 m.w.N.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 152a; Jaeger/Henckel, InsO § 129 Rz. 79, § 130 Rz. 27).
[14] bb) Das Sicherungseigentum des Beklagten wurde durch den zwischen dem Schuldner und T. vereinbarten Unternehmensveräußerungsvertrag nicht berührt, weil sich der Schuldner das Eigentum an den mitveräußerten Gegenständen bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehalten hatte. Ein Eigentumsverlust zum Nachteil des Beklagten konnte erst mit der Kaufpreiszahlung eintreten. Hinsichtlich des Kaufpreises war jedoch eine Direktzahlung des Erwerbers T. an den Beklagten vereinbart. Mithin wurde das Sicherungseigentum des Beklagten durch die an ihn bewirkte Zahlung des T. abgelöst. Dieser Vorgang ist nicht anders zu bewerten, wie wenn der Schuldner unmittelbar das Sicherungseigentum durch Zahlung abgelöst hätte.
[15] cc) Danach ist für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligung kein Raum, wenn der an den Beklagten überwiesene Betrag von 50.000 EUR dem Wert der an ihn sicherungsübereigneten Gegenstände entsprach. Da allein auf das Rechtsverhältnis des Schuldners zu dem Beklagten abzustellen ist (BGHZ 142, 284, 287), kann außer Betracht bleiben, inwieweit durch die Zahlung im Verhältnis von T. zu dem Schuldner über die betroffenen Sicherungsgegenstände hinaus weitere dem Unternehmen anhaftende - auch immaterielle - Werte abgegolten werden sollten. Entscheidend kann nur sein, ob die Zahlung im Verhältnis des Schuldners zu dem Beklagten, der wegen der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners vertraglich zur fristlosen Kündigung des Darlehens berechtigt war, dem Wert des Absonderungsrechts entsprach.
[16] dd) Der Kläger hat freilich unter Berufung auf einen Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens entsprechend der ihn für die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen treffenden Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urt. v. 17.6.2004, a.a.O., S. 1510) geltend gemacht, dass die zur Sicherheit auf den Beklagten übertragenen Gegenstände lediglich einen Gesamtwert von 15.400 EUR hatten. Überschreitet die Zahlung den Wert des Sicherungsguts, liegt in Höhe der Differenz eine Gläubigerbenachteiligung vor (HK-InsO/Kreft, 5. Aufl., § 129 Rz. 61). Den danach erheblichen Beweisantrag des Klägers hat das OLG unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen (BVerfGE 60, 247, 249; 60, 250, 252; 69, 145, 148).
[17] 3. Die zwischen dem Schuldner und dem Beklagten vereinbarte Sicherungsübereignung ist, zumal sie außerhalb der kritischen Zeit vereinbart wurde, nicht nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar (BGH, Urt. v. 17.6.2004, a.a.O., S. 1511). Auch eine Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO greift nicht durch. Es fehlt nämlich an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, weil der Schuldner für die Sicherungsübereignung in der Darlehensgewährung unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung erhalten hat (BGHZ 129, 236, 240 f.; 154, 190, 195 f.; HK-InsO/Kreft, a.a.O., § 129 Rz. 46).
[18] 4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO), um die gebotene Beweisaufnahme nachzuholen. Da der Kläger einen Wert des Sicherungsguts i.H.v. 15.400 EUR eingeräumt hat, kann seine Klage nur i.H.v. 34.600 EUR Erfolg haben. Deshalb ist die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Fundstellen