Leitsatz (amtlich)
Zur Abschichtungsbilanz und Bedeutung des negativen Kapitalkontos bei der Fehlbetragshaftung gemäß § 739 BGB.
Normenkette
BGB § 739
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 17 U 55/97) |
LG Krefeld (Aktenzeichen 3 O 308/95) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien führten ab 1. November 1992 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Kraftfahrzeugreparaturbetrieb nebst Gebrauchtwagenhandel. Auf eigenen Wunsch schied der Beklagte wegen Differenzen über die Führung des Unternehmens zum 30. September 1994 aus der Gesellschaft aus. Der Kläger führte im gegenseitigen Einvernehmen den Betrieb unter Übernahme der Aktiva und Passiva als Einzelunternehmen weiter und bediente dementsprechend in der Folgezeit alle von den Parteien einzeln oder gemeinsam im Zusammenhang mit Gründung und Durchführung der Gesellschaft aufgenommenen Kreditverbindlichkeiten allein. Ein vereinbarungsgemäß für die Auseinandersetzung der Parteien durch den Steuerberater der Gesellschaft Dr. H. aufgestellter Vermögensstatus per 30. September 1994 weist eine Unterdeckung von 107.815,90 DM auf. Der Kläger verlangt vom Beklagten Ausgleich des anteiligen, auf dessen Kapitalkonto ausgewiesenen Debetsaldos von 69.937,51 DM. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheidet eine – nicht aus einem negativen Kapitalkonto ableitbare – Fehlbetragshaftung des Beklagten gegenüber dem Kläger analog § 739 BGB aus, weil nach den gebotenen Korrekturen der der Klage zugrundeliegenden Abschichtungsbilanz des Steuerberaters Dr. H. das Aktivvermögen der von den Parteien betriebenen Gesellschaft deren Passivvermögen am 30. September 1994 überstieg. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
I.
Der Kläger kann – vorbehaltlich der Erheblichkeit dreier vom Berufungsgericht offengelassener Einwände des Beklagten (vgl. hierzu unten Nr. II.) – vom Beklagten aus Anlaß seines Ausscheidens aus der zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts Verlustausgleich entsprechend § 739 BGB in Form des Ausgleichs seines im Anhang zum Vermögensstatus des Dr. H. zum 30. September 1994 ausgewiesenen negativen Kapitalkontos von 69.937,51 DM verlangen.
1. Der Kläger hat sein Klagebegehren – anders als das Berufungsgericht offenbar meint – nicht dadurch teilweise fallengelassen (§ 269 ZPO) oder unschlüssig gemacht, daß er aufgrund eines – unklaren – gerichtlichen Hinweises erklärt hat, die Klage „nicht mehr auf das negative Kapitalkonto, sondern nur noch auf § 739 ZPO” zu stützen. Das negative Kapitalkonto stellt keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft dar, sondern bringt nur den wirtschaftlichen Wert seiner (negativen) Beteiligung am Gesellschaftsvermögen in Form einer buchmäßigen Rechnungsziffer zum Ausdruck (h.M.: so schon RGZ 117, 238, 242; Sen.Urt. v. 7. März 1951 - II ZR 13/50, Urteilsumdruck S. 13, insoweit nicht abgedruckt in BB 1951, 654; Sen., BGHZ 68, 225, 227; Baumbach/Hopt, HGB 29. Aufl. § 120 Rdn. 12 ff. m.w.N.); es zeigt also bei Auflösung oder Auseinandersetzung der Gesellschaft durch Ausscheiden eines Gesellschafters an, in welcher Höhe der betreffende Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern gegebenenfalls ausgleichspflichtig ist. Dementsprechend ist die Prozeßerklärung des Klägers so zu verstehen, daß er unter der – üblichen – Bezeichnung des „Ausgleichs des negativen Kapitalkontos” (vgl. hierzu Sen., BGHZ 68, 225, 227 f.; Urt. v. 16. Januar 1969 - II ZR 115/67, WM 1969, 494 f.; Baumbach/Hopt aaO, § 138 Rdn. 27; Knöchlein, DNotZ 1961, 361, 367, 368 ff.) keinen selbständigen Anspruch, sondern die Fehlbetragshaftung nach § 739 BGB – auch weiterhin – geltend macht, die er – in zutreffender Weise – lediglich rechnerisch aus dem negativen Kapitalkonto des Beklagten im Anhang der Abschichtungsbilanz herleitet.
2. Die vom Oberlandesgericht zum Nachteil des Klägers vorgenommenen Korrekturen einzelner Bilanzansätze in der von dem Steuerberater Dr. H. – nach den Vorgaben der Parteien – als Vermögensstatus erstellten Abschichtungsbilanz sind nicht gerechtfertigt.
a) Ersichtlich unzutreffend ist die Erhöhung der Aktiva um die in der Kapitalkontenentwicklung dargestellten stillen Reserven von 26.200,– DM. Diese sind bereits bei den einzelnen Vermögenswerten auf der Aktivseite des Vermögensstatus erfaßt, wie sich nicht nur aus der Aufschlüsselung der Kapitalkonten und der rechnerischen Übereinstimmung der Summe ihrer Fehlbeträge mit dem Gesamtfehlbetrag, sondern auch aus dem Zusammenhang mit der Erläuterung der Einnahmen-Überschußrechnung 1994 ergibt.
b) Von den Passiva der Vermögensaufstellung hat das Oberlandesgericht zu Unrecht die Darlehen mit dem Gesamtbetrag von 92.019,26 DM per 30. September 1994 (2 × 6.909,63 DM; 2 × 16.200,– DM; 2 × 22.900,– DM) abgesetzt, die von den Parteien für den Ankauf der für den Betrieb der Gesellschaft erforderlichen Reparaturwerkstatt (Preis: 74.890,– DM) und die Finanzierung des „Anlaufs” der Gesellschaft jeweils zu gleichen Anteilen persönlich aufgenommen wurden. Auf den formalen Aspekt der jeweils „privaten” Darlehensaufnahme zu Beginn der Gesellschaft kommt es für die Frage der Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen hier nicht an, weil die Darlehen vereinbarungsgemäß von vornherein dem gemeinsamen Gesellschaftszweck dienten und dementsprechend nicht nur ständig als Gesellschaftsschulden verbucht und bilanziert, sondern als solche auch im Hinblick auf die hierfür allein aus dem Gesellschaftsvermögen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen behandelt wurden. Nur deshalb hat der Kläger nach dem Ausscheiden des Beklagten die Bedienung auch dieser Kreditverbindlichkeiten entsprechend § 738 Abs. 1 BGB allein übernommen; hierzu hätte keine Veranlassung bestanden, wenn es sich lediglich um private, nicht der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung unterfallende Schulden des Beklagten im Umfang von über 46.000,– DM gehandelt hätte. Der Steuerberater Dr. H. hat daher mit Recht die Darlehen – entsprechend der vereinbarten bisherigen Handhabung – auch in der Abschichtungsbilanz als gemeinschaftliche Schulden passiviert.
c) Eine – vom Oberlandesgericht ohne nähere Begründung vorgenommene – zusätzliche Aktivierung sämtlicher Entnahmen und gleichzeitige Passivierung aller Einlagen der Parteien ist im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz der vorliegenden zweigliedrigen Gesellschaft nicht veranlaßt. Alle der Kapitalkontenentwicklung zu entnehmenden Einlagen und Entnahmen sind nämlich bereits im Vermögensstatus des Dr. H. über das buchmäßig über die Jahre des Bestehens der Gesellschaft fortgeschriebene Wertverhältnis zwischen Aktiva und Passiva zum 30. September 1994 zutreffend berücksichtigt; danach ergibt sich der Anteil der Parteien an dem ermittelten Fehlbetrag unmittelbar aus deren negativen Kapitalkontenständen, die sich aus den unterschiedlichen überhöhten Entnahmen sowie den gleichmäßig zugeschriebenen Anteilen an Verlusten, Gewinn (1993) und aufgedeckten stillen Reserven zusammensetzen. Da – anders als das Oberlandesgericht meint – bei der Auseinandersetzung der Gesellschaft Ansprüche auf Rückzahlung unzulässiger Entnahmen regelmäßig nicht mehr selbständig geltend gemacht werden können (vgl. Sen.Urt. v. 9. Mai 1974 - II ZR 84/72, WM 1974, 834, 835), kann der Kläger nicht im Wege ihrer „fiktiven” bilanziellen Aktivierung im Umfang von 51.288,07 DM hierauf und im übrigen auf einen getrennten, rechnerisch verkürzten Verlustausgleich nach § 739 BGB (ca. 18.650,– DM) verwiesen werden.
d) Gegen die rechnerische Verteilung der Gesamtunterdeckung auf die Kapitalkonten der Parteien durch den Steuerberater Dr. H. hat der Beklagte bislang keine durchgreifenden Einwände vorzubringen vermocht. Soweit er in seiner eigenen Darstellung der Kapitalkontenentwicklung lediglich für 1994 teilweise geringfügig höhere Entnahmen und Einlagen ansetzt, beruht dies offenbar auf Abweichungen in den entsprechenden steuerlichen Konten der Parteien, die der Kläger bereits erstinstanzlich nachvollziehbar erklärt hat. Die gegenüber dem Status von Dr. H. um insgesamt ca. 2.016,– DM höhere Unterdeckung, die beim Kläger mit ca. 970,– DM und beim Beklagten mit ca. 1.046,– DM zu Buche schlagen würde, ist jedenfalls für das Revisionsverfahren zu vernachlässigen, weil sie sogar zu einer höheren Fehlbetragshaftung des Beklagten führen würde als vom Kläger bislang beansprucht.
II.
Trägt danach die Begründung des angefochtenen Urteils die Entscheidung nicht, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung im Sinne des klägerischen Revisionsantrags gleichwohl verwehrt. Das Berufungsgericht hat nämlich – von seinem Ausgangspunkt folgerichtig – folgende in der Berufungsinstanz erhobene Einwände des Beklagten nicht geprüft, die – zumindest teilweise – gegenüber der ansonsten berechtigten Klageforderung erheblich sein können und noch nicht entscheidungsreif sind:
1. Hinsichtlich der vom Beklagten behaupteten Forderung auf Erstattung einer angeblichen Mietkaution in Höhe von 8.200,– DM im Zusammenhang mit der Anmietung des Werkstattgeländes, die zu einer Erhöhung der Aktiva führen könnte, haben beide Parteien Beweis durch Zeugnis der Vermieterin angeboten. Ob allerdings eine Beweiserhebung noch nötig ist, wird das Berufungsgericht vorab durch Befragung des Beklagten zu klären haben, nachdem dieser sich auf die vom Kläger vorgelegte schriftliche Bescheinigung der Vermieterin, wonach die Gesellschaft keine Kaution geleistet hat, nicht mehr geäußert hat.
2. Ein – gegebenenfalls zu aktivierender – selbstgeschaffener Geschäfts- oder Firmenwert des von den Parteien betriebenen Unternehmens, für dessen Vorliegen bzw. Nichtvorliegen wechselseitig Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten worden ist, ist trotz der festgestellten erheblichen Unterdeckung aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht von vornherein auszuschließen. Immerhin hat der Kläger nicht in Abrede gestellt, daß während des Zeitraums des Bestehens der Gesellschaft der von dem Vorgänger K. übernommene Kundenstamm nicht unerheblich erweitert worden ist, wozu auch der Beklagte nach eigenem Vortrag beigetragen hat. Wenn im Status des Dr. H. – allerdings insoweit entgegen der Abfindungsregelung in § 10 des Gesellschaftsvertrages – noch ein derivativer Firmenwert mit 1.811,– DM (nach buchmäßiger Abschreibung) in Ansatz gebracht worden ist, so ist jedenfalls ein um ein Mehrfaches höherer originärer Geschäftswert – nach Beklagtenvortrag mindestens in Höhe des doppelten auf den Kläger selbst derzeit entfallenden Fehlbetrags – denkbar. Soweit danach – gegebenenfalls nach Ergänzung des diesbezüglichen Sachvortrags durch die Parteien – die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht kommt, werden dabei die vom Senat in seinem Urteil vom 9. November 1998 (II ZR 190/97, ZIP 1998, 2151 f.; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) dargelegten Bewertungsgrundsätze hinsichtlich der am Stichtag vorhandenen Organisationsverhältnisse und Strukturen zu beachten sein.
3. Das Berufungsgericht wird für den Fall, daß ein Verlustausgleichsanspruch des Klägers auch nach der erneuten Tatsachenverhandlung besteht, die vom Beklagten mit der Berufungsbegründung erhobene Einrede des Zurückbehaltungsrechts wegen seines Befreiungsanspruchs bezüglich der gemeinschaftlichen Schulden und der von ihm dafür gegebenen Sicherheiten (§ 738 Abs. 1 BGB) zu beachten haben (vgl. dazu: Sen.Urt. v. 14. Februar 1974 - II ZR 83/72, NJW 1974, 899 f.; MünchKomm/Ulmer, BGB 3. Aufl. § 739 Rdn. 3). Anders als der Kläger meint, kann die gesetzlich vorgeschriebene Schuldbefreiung nicht bereits durch die lediglich interne Schuldübernahmevereinbarung mit dem Beklagten als erfüllt angesehen werden, sondern grundsätzlich erst durch Schuldentlassung von seiten des Gläubigers oder Befriedigung des Gläubigers durch den Kläger (vgl. Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl. § 738 Rdn. 6 m.w.N.). Um eine hinreichende Konkretisierung der ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten begründenden gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten und von ihm gestellten Sicherheiten auch für eine etwaige Zwangsvollstreckung zu gewährleisten, wird eine noch genauere Individualisierung der vom Beklagten behaupteten, in der Anlage zum Kontokorrentkreditvertrag Nr. aufgeführten Sicherungsrechte erforderlich sein.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.05.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 1999, 1313 |
DStR 1999, 1081 |
HFR 2000, 381 |
NJW 1999, 2438 |
BGHR |
EBE/BGH 1999, 197 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1213 |
WuB 1999, 1123 |
ZIP 1999, 1003 |
MDR 1999, 1076 |