Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverhältnis eines Steuerberaters mit einer OHG bzw. deren Gesellschaftern
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, mit wem ein steuerlicher Berater, der die Erklärung zur gemeinsamen Feststellung der Einkünfte aus einer OHG anfertigt, in vertraglichen Beziehungen steht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn eine offene Handelsgesellschaft einen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten mit der Erledigung gesellschaftseigener steuerlicher Angelegenheiten beauftragt, kommt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Beauftragten und sämtlichen Gesellschaftern zustande.
2. Die Erklärung zur einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus einer OHG (AO 1977 §§ 179 ff) betrifft nicht eigene steuerliche Angelegenheiten der oHG, insoweit erledigt der Steuerberater, der diese Erklärung anfertigt, die steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschafter, nicht die der OHG als solcher.
Normenkette
BGB § 675; AO §§ 179-181; StBerG §§ 68, 33
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.02.1986; Aktenzeichen 24 U 148/85) |
LG Darmstadt (Urteil vom 02.05.1985; Aktenzeichen 10 O 339/84) |
Tatbestand
Die Kläger sind Gesellschafter der Firma Fleisch-Agentur F., S. und V. OHG in R., deren steuerliche Angelegenheiten der beklagte Steuerbevollmächtigte erledigte.
Im Oktober 1978 kam es zwischen den Parteien zu Gesprächen über steuerlich günstige Kapitalanlagen. Hierbei erwähnte der Beklagte das Anlagenberatungsunternehmen Dr. Ju. AG in M. und vermittelte eine Besprechung mit deren Mitarbeiter Dr. Ja.. Diese empfahl dabei die „erste Beteiligungsgesellschaft der internationalen E-Fonds GmbH und Co. KG”. Am 31. Oktober 1978 unterzeichneten die Kläger „Beitrittserklärungen”. Im Laufe des Jahres 1980 kam es zu weiteren Zeichnungen. Der Kläger zu 1 beteiligte sich insgesamt mit 110.250 DM, der Kläger zu 2 mit 73.500 DM und der Kläger zu 3 mit 110.250 DM.
Die Kläger halten die von ihnen getroffene Anlageentscheidung für falsch. Sie gehen davon aus, daß das von ihnen investierte Kapital verloren ist. Hierfür machen sie den Beklagten verantwortlich, der sie vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig falsch beraten habe. Sie verlangen von ihm Schadensersatz in Höhe ihrer Einlagen abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen und der von ihnen durch die Anlage erzielten Steuerersparnis. Sie haben deshalb die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 82.786 DM an den Kläger zu 1, von 57.243 DM an den Kläger zu 2 und vom 83.624 DM an den Kläger zu 3 beantragt.
Der Beklagte hat bestritten, die Kläger falsch beraten zu haben und die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist im wesentlichen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen sie ihren Schadensersatzanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht meint, einen vertraglichen Schadensersatzanspruch könnten die Kläger schon deshalb nicht geltend machen, weil zwischen ihnen und dem Beklagten keine vertraglichen Beziehungen bestanden hätten; denn unstreitig sei der Beklagte nur der „Steuerberater” der OHG, nicht aber der „persönliche Steuerberater” der Kläger gewesen. Die Revision beanstandet diese Annahme mit Recht; sie steht im Widerspruch zum übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien, nach dem der Beklagte nicht nur die Erklärung zur gemeinsamen Feststellung der Einkünfte der Kläger aus ihrer Beteiligung an der gemeinsamen OHG, sondern auch die persönlichen Einkommensteuererklärungen angefertigt hat.
Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Die offene Handelsgesellschaft ist keine juristische Person. Träger der im Namen der Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten ist deshalb nicht ein von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt; dies sind vielmehr die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter (BGHZ 34, 293, 296). Auch dann, wenn eine offene Handelsgesellschaft einen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten mit der Erledigung gesellschaftseigener steuerlicher Angelegenheiten beauftragt, kommt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Beauftragten und sämtlichen Gesellschaftern zustande.
Im übrigen handelte es sich hier noch nicht einmal um eigene steuerliche Angelegenheiten der Gesellschaft. Eine offene Handelsgesellschaft ist weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig und daher auch nicht zur Abgabe von Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärungen verpflichtet. Vielmehr haben die Gesellschafter ihren Gewinnanteil als eigene Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern. Allerdings werden die Einkünfte aus der Beteiligung an einer offenen Handelsgesellschaft für alle Gesellschafter einheitlich durch einen sogenannten Grundlagenbescheid festgestellt (§§ 179ff. AO 1977). Dies ist jedoch keine Besonderheit der offenen Handelsgesellschaft; eine einheitliche Feststellung findet vielmehr in der Regel immer dann statt, wenn „an Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind” (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977). Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen richtet sich auch nicht etwa gegen die OHG als solche, sondern gegen die einzelnen Gesellschafter (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO 1977); diese – und nur diese – sind in dem Verfahren der gemeinsamen Feststellung Beteiligte (§ 78 Nr. 2 AO). Aus diesem Grunde ist auch die Steuererklärung, die die Grundlage für die gemeinsame Feststellung bildet, von den Personen abzugeben, „denen der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist” (§ 181 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit der Beklagte Erklärungen zu gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus der Fleischagentur F. angefertigt hat, hat er deshalb die steuerlichen Angelegenheiten der Kläger, nicht etwa die der OHG als solcher, erledigt.
Im übrigen kann selbst bei einer Kapitalgesellschaft unter gewissen Voraussetzungen anzunehmen sein, daß die Gesellschafter in den Schutzbereich des allein von der Gesellschaft abgeschlossenen Steuerberatungsvertrages einbezogen sind (Senatsurteil vom 29. September 1982 – IVa ZR 309/80 – unter Ziffer II 1 – NJW 1983, 1053, 1054).
Nach alledem kommt es auf die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht darzutun versucht, daß zwischen den Parteien kein besonderer, auf eine bestimmte Vermögensanlage beschränkter Beratungsvertrag zustande gekommen sei (Berufungsurteil S. 8 bis 11 erster Absatz einschließlich), nicht an, ebensowenig auf die Ausführungen zum Haftungsgrund des Verschuldens beim Vertragsschluß (Berufungsurteil S. 11 Abs. 2 und 3).
II. Auch den von den Klägern hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus unerlaubter Handlung hat das Berufungsgericht mit einer unzulänglichen Begründung abgelehnt. Es führt dazu aus: Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 263 StGB komme nicht in Betracht, weil es an einer Darlegung von Täuschungshandlungen fehle. Bei den behaupteten Angaben des Beklagten handele es sich um gänzlich allgemein gehaltene Anpreisungen ohne greifbaren Tatsachengehalt. Auch bezüglich der zu erwartenden Einkommensteuer habe ersichtlich „eine Schätzung bzw. Prognose” vorgelegen, aber keine Täuschung über Tatsachen. Für einen Anspruch aus § 826 BGB fehle es an „der Darlegung, welche unrichtigen Tatsachen durch den Beklagten behauptet worden sein sollen”; es sei auch nicht ersichtlich, daß der Beklagte leichtfertig und gewissenlos gehandelt habe. Mit diesen – außerordentlich knapp gehaltenen – Ausführungen wird das Berufungsgericht dem umfangreichen Sachvortrag der Kläger nicht gerecht.
Nach deren Sachdarstellung hat der Beklagte den Klägern erklärt, die von ihm vorgeschlagene Vermögensanlage sei erforderlich, damit die Kläger im Jahre 1978 nicht von der Einkommensteuerlast erdrückt würden. Die Bedenken der Kläger, die sich insbesondere auf die lange Laufzeit der Beteiligung und die Ungewißheit der eigenen zukünftigen finanziellen Entwicklung gründeten, seien von ihm, dem Beklagten, bereits bei der Vorprüfung des Objekts berücksichtigt und für unbegründet befunden worden. Die finanziellen Belange der Kläger könnten durch eine Beteiligung nicht beeinträchtigt werden, da sich das Projekt bereits in wenigen Jahren von selbst tragen werde. Die von dem Mitarbeiter der Vertriebsfirma, dem ursprünglichen Mitbeklagten zu 2, aufgestellte Behauptung, daß das 7 bis 12-fache des eingezahlten Geldbetrages, mindestens aber das 4 bis 6-fache an Rückflüssen zu erwarten sei, habe der Beklagte ausdrücklich als zutreffend bestätigt. Er habe bemerkt, daß die Kläger aus diesen Gründen ohne Bedenken zur Abdeckung des einzugehenden Engagements Gelder berücksichtigen könnten, die zunächst noch nicht verfügbar seien. Diese Behauptungen sind zwar vom Beklagten bestritten, von den Vorinstanzen jedoch nicht tatrichterlich geprüft worden; sie müssen daher im Revisionsrechtszug zugunsten der Kläger als richtig unterstellt werden. Nach der Sachdarstellung der Kläger bestand jedoch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten für sie kein Grund, sich an einer solchen steuersparenden Vermögensanlage zu beteiligen. Die Steuervorteile, die sich durch die Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft ergeben, hängen weitgehend von der Progressionsstufe ab, in der sich der Interessent befindet. Die von der Anlagegesellschaft herausgegebenen Berechnungen über die durch die Anlage erzielten Steuervorteile beruhen demgemäß auch auf einem Marginalsteuersatz von 50%. Mit einer solch starken steuerlichen Belastung war jedoch bei den Klägern nach ihrem Vortrag vor allem deshalb nicht zu rechnen, weil sie sich bereits auf Anraten des Beklagten an anderen steuerbegünstigten Vermögensanlagen beteiligt hatten. Wenn der Beklagte unter diesen Umständen den Klägern erklärt haben sollte, sie müßten eine weitere steuerbegünstigte Vermögensanlage vornehmen, um nicht in den kommenden Jahren von der Einkommensteuerlast erdrückt zu werden, dann liegt die Annahme eines vorsätzlichen, zumindest aber eines grob leichtfertigen Verhaltens (§ 826 BGB, vgl. BGZ 10, 228, 233) nahe. Diese Erwägung kann man nicht, wie es im Berufungsurteil (Bl. 12 erster Absatz) geschieht, mit der Bemerkung außer Acht lassen, daß bezüglich der zu erwartenden Einkommensteuer „ersichtlich eine Schätzung bzw. Prognose” vorgelegen habe. Sicherlich konnten die Kläger von dem Beklagten nicht erwarten, daß er die Einkommensentwicklung in den kommenden Jahren und die daraus entstehende steuerliche Belastung zuverlässig und genau voraussagen werde. Aber auch Prognosen müssen auf einer realistischen Grundlage beruhen. Dem Beklagten waren als steuerlichem Berater der Kläger die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des von ihnen betriebenen Unternehmens und die von ihnen bisher getätigten steuerbegünstigten Vermögensanlagen bekannt; er konnte daher abschätzen, ob damit zu rechnen war, daß die Kläger in den kommenden Jahren in eine Progressionsstufe geraten würden, in der die Beteiligung an weiteren steuerbegünstigten Vermögensanlagen sinnvoll war. Daß etwa die geschäftliche Entwicklung der Fleischagentur F. nach dem Beratungsgespräch einen unerwarteten Verlauf genommen hätte, durch den die vom Beklagten gestellte Prognose ihre Grundlage verloren hätte, wird von keiner Seite behauptet.
Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, bei den behaupteten Angaben des Beklagten (über den bei der Beteiligung an der Vermögensanlage zu erwartenden Gewinn) handle es sich um „gänzlich allgemein gehaltene Anpreisungen ohne greifbaren Tatsachengehalt”, enthält eine unzulängliche Würdigung des Parteivortrags. Wenn der Beklagte den Klägern erklärte, er habe die Vermögensanlage geprüft und wenn er aufgrund dieser Prüfung den Klägern versicherte, es sei mit einem Rückfluß des 7 bis 12-fachen, mindestens aber des 4 bis 6-fachen der Anlage zu rechnen, dann mußte dies den Klägern als eine auf sorgfältiger Tatsachenermittlung beruhende sachverständige Würdigung und nicht als eine bloße Anpreisung ohne greifbaren Tatsachengehalt erscheinen. Daß dem Beklagten damals Tatsachen bekannt waren, die eine derartig optimistische Prognose der Entwicklung des Fonds rechtfertigen konnten, behauptet er selbst nicht.
III. Nach alledem kann die Klage nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden. Es bedarf vielmehr einer tatrichterlichen Prüfung, ob der Beklagte den Klägern in der von diesen behaupteten Weise die Beteiligung an der Vermögensanlage empfohlen hat. Damit dies geschehen kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
BB 1987, 2325 |
NJW 1988, 556 |
ZIP 1988, 108 |