Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Ermittlung und Geltendmachung eines Abfindungsanspruchs des aus einer Zweipersonengesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschiedenen Gesellschafters, wenn das Gesellschaftsvermögen aus einem einzigen Vermögensgegenstand besteht.
Normenkette
BGB § 738 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Köln (Aktenzeichen 22 U 167/97) |
LG Bonn (Aktenzeichen 7 O 462/96) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Dezember 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind selbständige Architekten. Sie schlossen sich zu einer Arbeitsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, um bestimmte Bauvorhaben gemeinsam zu bearbeiten. Es ging insbesondere um das Projekt einer Wohnresidenz „A. R.” in H. gemäß dem Ende 1992/Anfang 1993 mündlich erteilten Auftrag der N. mbH (H.). Der Auftrag umfaßte zunächst nur die Leistungsphasen 1 bis 4. Nachdem die entsprechenden Arbeiten beendet worden waren, wurde der Bauantrag am 3. Dezember 1993 gestellt und von der zuständigen Behörde am 19. Oktober 1995 genehmigt. Die N. mbH zahlte an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mehrere geringe Beträge. Zu der ursprünglich beabsichtigten Beauftragung der Arbeitsgemeinschaft mit den weiteren Architektenleistungen kam es nicht. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1995 kündigte der Kläger die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Der Kläger errechnet einen Honoraranspruch der Arbeitsgemeinschaft in Höhe von 255.840,41 DM. Hiervon fordert er von dem Beklagten einen Anteil von (inzwischen noch) 130.922,70 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat seine Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Berufungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A.
Die Revision greift die Auffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch des Klägers stelle einen unselbständigen Rechnungsposten im Rahmen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Gesellschafter der aufgelösten (und auch beendeten) Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar und sei als solcher zur Zeit nicht isoliert einklagbar, mit Erfolg an.
I. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach deren Auflösung grundsätzlich gehindert sind, ihre jeweiligen Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegeneinander isoliert geltend zu machen.
1. Die jeweiligen Forderungen sind im Regelfall als unselbständige Rechnungsposten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, ein Zahlungsanspruch besteht nur hinsichtlich des abschließenden Saldos. Auch wenn eine abschließende Auseinandersetzungsrechnung noch nicht erstelIt ist, kann der einzelne Gesellschafter Ansprüche aber jedenfalls dann isoliert geltend machen, wenn die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens, der durch die Rechtsprechung des Senats begegnet werden soll, nicht besteht. Das ist u.a. dann der Fall, wenn bereits vor Abschluß der Auseinandersetzung feststeht, daß einem Gesellschafter ein bestimmter Betrag in jedem Fall zusteht, oder wenn es nur noch um die Verteilung des letzten Aktivpostens geht (Sen.Urt. v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846 f. = NJW 1995, 188 f. m.w.N.).
2. Diese Grundsätze sind auch im Falle des einseitigen Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts maßgebend und gelten auch, wenn – wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeht – die Gesellschafter einer Zweipersonengesellschaft vereinbaren, daß bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters der andere die „Gesellschaft” fortführt. Scheidet aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nur aus zwei Personen besteht, ein Gesellschafter aus, so ist die Gesellschaft allerdings beendet, doch kommt es zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem allein verbleibenden „Gesellschafter” mit der Besonderheit, daß die bisherige Gesamthandsberechtigung sich zu Alleineigentum in dessen Person umwandelt. Deshalb hat der Grund für die dargestellte Rechtsprechung, gegenseitige Zahlungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesamthand im Abwicklungsstadium zu vermeiden, auch im Verhältnis zwischen dem neuen Alleininhaber und dem ausgeschiedenen Gesellschafter Bedeutung (vgl. Sen.Urt. v. 9. März 1992 - II ZR 195/90, NJW 1992, 2757, 2758 m.w.N.), auch wenn hier für eine Auseinandersetzung kein Raum ist, sondern dem ausgeschiedenen Gesellschafter ein Abfindungsanspruch gegen den verbliebenen Gesellschafter gemäß § 738 Abs. 1 BGB zusteht (vgl. MünchKomm.-Ulmer, BGB 3. Aufl. § 730 Rdn. 10).
3. Handelt es sich um eine noch nicht erfüllte Forderung der Gesellschaft gegen einen Dritten und stellt sie den einzigen Vermögensgegenstand der Gesellschaft dar, kommt ein Zahlungsanspruch des ausgleichsberechtigten Gesellschafters gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter in Betracht, wenn die Forderung werthaltig ist. Davon geht der Kläger offenbar aus; denn er hat Klage auf Zahlung erhoben. Ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, läßt sich bei dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht beurteilen, doch ist zu beachten, daß eine Umdeutung der Zahlungs- in eine Feststellungsklage möglich wäre (vgl. den ähnlichen Fall des Sen.Urt. v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, WM 1995, 109, 110 f.). Der Kläger könnte auch einen Anspruch auf Abtretung des von ihm beanspruchten Teils der Forderung geltend machen; er müßte dann allerdings seinen Antrag umstellen.
II. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß davon ausgegangen werden muß, der streitige Honoraranspruch sei der einzige Vermögensgegenstand der aufgelösten (und gleichzeitig beendeten) Gesellschaft.
Der Beklagte hat zwar behauptet, es sei falsch, daß zum Zeitpunkt der Kündigung der Gesellschaft keine Gesellschaftsverbindlichkeiten mehr vorhanden gewesen seien; vielmehr habe aufgrund des Architektenvertrages die Verpflichtung bestanden, weitere Architektenleistungen gegenüber dem Bauherrn zu erbringen. Einen solchen Einwand des Bauherrn gegen den Honoraranspruch hat der Beklagte aber nicht belegt. Ebenso verhält es sich mit seinem weiteren Vortrag, Verbindlichkeiten seien auch darin zu sehen, daß im wesentlichen das Büro des Beklagten in Anspruch genommen worden und insoweit ein Kostenansatz in Abzug zu bringen sei. Dieses Vorbringen bleibt völlig unsubstantiiert (§ 138 Abs. 2 ZPO).
B.
Das Berufungsgericht ist von seinem andersartigen Ausgangspunkt her der Frage nicht genügend nachgegangen, ob der Honoraranspruch tatsächlich besteht.
1. Der Beklagte hat zwar beanstandet, der Kläger habe bei der Ermittlung der Höhe des Honoraranspruchs eine zu hohe Bausumme angesetzt. Unstreitig ist aber jedenfalls von Baukosten in Höhe von 9.050.000,– DM auszugehen. Der Beklagte hat sich selber auf eine „vorläufige Honoraraufstellung” gegenüber dem Bauherrn vom 5. Februar 1995 berufen, die von beiden Parteien unterschrieben worden ist und in der die anzurechnende Bausumme auf 9.050.000,– DM gerundet worden ist. Der Kläger hat ergänzend auf ein Besprechungsprotokoll vom 15. Mai 1996 Bezug genommen, das eine Besprechung zwischen dem Beklagten und dem für den Bauherrn tätigen Ingenieur Ro. festhält. Darin wird festgestellt, man habe sich geeinigt, das Architektenhonorar „unter Zugrundelegung der anrechenbaren Kosten gemäß Honorarangebot vom 05.02.1995, jedoch mit dem Mittelsatz der Honorarzone III …, abzüglich eines Nachlasses in Höhe von 15 % zu ermitteln”. Auf dieser Grundlage ergibt sich immerhin ein Honoraranspruch in Höhe von 161.711,67 DM netto. Im Schreiben vom 4. Januar 1996 an den Kläger hat der Beklagte schließlich bestätigt, daß jenem die Hälfte des vom Bauherrn geschuldeten Honorars zustehe.
2. Soweit der Beklagte geltend macht, mit dem Bauherrn sei vereinbart worden, daß die Fälligkeit des Anspruchs erst mit dem Baubeginn im Jahre 1997 eintreten sollte, ist festzuhalten, daß diese Voraussetzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig bereits erfüllt war.
3. Ob die Parteien – wie das Berufungsgericht offenbar annimmt – zunächst davon ausgegangen sind, es bestehe kein fälliger Anspruch gegen den Bauherrn, ist rechtlich unerheblich. Eine andere Frage ist, ob es sich um eine so zweifelhafte Forderung handelt, daß deren Wert mit null DM eingesetzt werden müßte (vgl. dazu Glanegger/Güroff/Niedner/Peuker/Ruß/Stuhlfelner, HGB 5. Aufl. § 253 Rdn. 49 a). Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
C.
Um den Parteien die Möglichkeit zu verschaffen, ihren Sachvortrag und ihre Anträge entsprechend anzupassen, und um dem Berufungsgericht die Gelegenheit zu geben, etwa erforderliche weitere Feststellungen zu treffen, ist die Sache zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, RiBGH Prof. Dr. Goette ist Urlaubs an der Unterschrift gehindert Röhricht, Kurzwelly, RiBGH Kraemer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert Röhricht
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.07.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 1947 |
DB 1999, 2051 |
DStR 1999, 1535 |
HFR 2000, 530 |
NJW 1999, 3557 |
BGHR |
BauR 1999, 1471 |
NZG 1999, 987 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1827 |
WuB 1999, 1349 |
ZAP 1999, 912 |
ZIP 1999, 1526 |
DNotZ 2000, 225 |
JA 2000, 185 |
MDR 1999, 1397 |
ZNotP 1999, 489 |